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Vorsicht Schufa! Wohnsitz entscheidet über Kreditanfrage

Archivmeldung vom 26.04.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.04.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Logo der Schufa Holding AG
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Mit hoher perfider Energie verstößt die SCHUFA gegen Recht und Gesetz und speichert illegal falsche Daten. Schon Millionen Bürger fügte die SCHUFA Schaden zu, leistet aber bisher keinen Regress. So bekommt, wer am falschen Ort wohnt, keinen Kredit! Die Daten von Kreditauskunfteien führen oft zu falschen Schlüssen über die Bonität. Verbraucherschützer warnen vor dramatischen Folgen.

Das weiße. Ja, das weiße, das soll es sein. Über Eck, ausklappbar, wie geschaffen für ihr neues Wohnzimmer mit dem Holzparkett und der golden gestrichenen Schräge. Astrid Roth* lächelt, als sie sich durch das Bestellformular des Onlineshops klickt. Als Zahlungsform für das Sofa wählt sie Ratenkauf für fünf Monate. Das bietet der Onlineshop ohne Aufpreis an, „da wäre ich ja schön blöd, wenn ich das nicht mache“, sagt die Industriekauffrau.

Auskunfteien berücksichtigen auch den Wohnort bei der Beurteilung der Bonität von Konsumenten.

Astrid Roth klickt auf fünf Raten à 100 Euro. Das Formular fragt nach ihrer Straße und ihrer Postleitzahl. Sie gibt ihre Adresse an, eine Straße in Dortmund-Hombruch, eine ruhige Gegend im Süden der Stadt. Astrid Roth ist erst vor wenigen Wochen dorthin gezogen. Sie ist jetzt 31 Jahre alt und will es etwas beschaulicher, die Kneipe nicht mehr direkt vor der Tür. Das Mehrparteienhaus an der Ecke gefällt ihr, die Wohnung ist groß und hell. Nur am Ende der Straße sieht es nicht mehr so gut aus, der Putz an den Häusern ist rissig, manche Rollläden sind auch am Tag heruntergelassen.

Für fünf Raten à 100 Euro scheint die Gegend nicht gut genug zu sein. „Leider können wir Ihnen keinen Ratenkredit anbieten“, liest Astrid Roth auf dem Bildschirm. Sie klickt zurück, überprüft ihre Angaben, versucht es erneut. Wieder bescheinigt ihr der Onlineshop, ihre Bonität reiche nicht aus. Roth ist erst verunsichert, dann sauer. „Ich habe mir riesige Sorgen gemacht“, sagt sie.

Falsche Gegend

Sie ruft die Kundenhotline des Versandhauses an. Erst beim dritten Versuch sagt ihr eine Mitarbeiterin: „Ganz ehrlich: Sie wohnen in der falschen Gegend.“ Bei einem Onlinebuchhändler passiert ihr kurz darauf dasselbe. Sie, die seit Jahren dort kauft und immer auf Rechnung bestellt, kann das plötzlich nicht mehr. „Was soll denn so was?“ Roth ärgert sich: „Ich verdiene 3000 Euro brutto, habe keine Kredite. Ich war nicht mal im Dispo“, sagt sie. „Ich wüsste gern, wo die meine Daten herhaben“, sagt sie.

Für diesen Wunsch gibt es inzwischen eine gesetzliche Grundlage. Seit knapp einem Jahr müssen Datenanbieter wie die Schufa oder die Creditreform Bürgern Einblick in die über sie gesammelten Daten geben. Zum 1. April 2010 trat die Datennovelle in Kraft, die mehr Transparenz in das Geschäft mit den Daten bringen sollte. Dabei erlaubte der Gesetzgeber auch das sogenannte Geoscoring, bei dem Infos über die Wohngegend eines Kunden in die Berechnung seiner Kreditwürdigkeit einfließen.

Geoscoring darf nicht allein entscheiden sein

Das Gesetz schreibt zwar vor, dass die Bonität eines Kunden nicht allein aufgrund des Geoscores ermittelt werden dürfe. Doch der Markt mit den Daten ist hart umkämpft. Angesichts der Zunahme von Null-Prozent-Finanzierungen nimmt auch die Zahl der Bonitätsabfragen zu – und nicht jeder Onlineshop ist bereit, dafür mehrere Euro auszugeben, wenn sich das Risiko eines Zahlungsausfalls auch mit einem Einsatz von 30 oder 40 Cent kalkulieren lässt. Die Folge: Häufig werden nur Eckdaten wie Vorname und Wohnort analysiert, um die Kreditwürdigkeit einer Kundin zu prüfen.

Auch ein Jahr nach der Gesetzesänderung kritisieren Verbraucherschützer diese Regelung scharf. „Die Annahmen, die da getroffen werden, sind schwierig“, sagt Frank-Christian Pauli vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. „Es gibt meist wenig Daten, in die aber viel hineininterpretiert wird“, sagt Pauli. Wie im Fall von Astrid Roth, wo die Adresse ausreichte, um eine Finanzierung ihres Sofas per Ratenkredit zu verhindern. Noch in diesem Monat will die Verbraucherzentrale eine Umfrage zu dem gesetzlich neu verankerten Recht auf Selbstauskunft veröffentlichen.

Bei vielen Datenanbietern ist die Zahl der Anfragen zuletzt gestiegen. So feierte der Platzhirsch, die Schufa, vor wenigen Wochen den millionsten Kunden auf MeineSchufa.de. Auch die Creditreform berichtet von einer Verdreifachung der Nachfragen. Bei Bürgel, einem Datenanbieter aus Hamburg, fragten 40 Prozent mehr als noch 2009 ihre Daten ab.

Auch Astrid Roth machte von ihrem Recht Gebrauch. Sie bat bei Arvato Infoscore, einem Tochterunternehmen der Bertelsmann-Gruppe, um Auskunft. Das Schreiben kam aus Baden-Baden und zeigt deutlich, dass einzelne Anbieter die rechtliche Vorgabe, Geoscoring nicht allein zur Berechnung der Bonität zu verwenden, missachten. So schreibt Arvato Infoscore, man verwende „Informationen aus Ihrem Wohnumfeld, wie z. B. Zahlungsverhalten in Ihrem Wohnumfeld; Soziodemographische Daten, wie z. B. Ihr Alter, welches wir – soweit Sie im Rahmen des Geschäftsvorfalles Ihr Geburtsdatum nicht angegeben haben – auf Basis Ihres Vornamens schätzen oder Ihr Geschlecht; Ihre Anschrift, z. B. zur Ermittlung Ihrer Wohndauer.“

Arvato schreibt weiter, die Daten trügen in der genannten Reihenfolge und mit absteigender Gewichtung zum Entstehen des Scorewertes bei. Offiziell heißt es bei Arvato – der Anbieter versorgt rund 2000 Unternehmen im Jahr mit 100 Millionen Bonitätsauskünften – „mikrogeographische Daten“ würden in die Scoreberechnung miteinbezogen. „Sie bilden jedoch nie das alleine ausschlaggebende Merkmal“, sagt der Geschäftsführer von Arvato Services, Wolfgang Hübner. Nach welcher Formel sein Unternehmen die Kreditwürdigkeit der Kunden berechne, will er nicht sagen.

Kritik an der Methode

Das gilt auch für die anderen Auskunfteien – in die Karten lässt sich keine schauen. Zumindest die Verortung der angeschlossenen Firmen gibt aber einen Hinweis darauf, wie sehr Geoscoring bei einem Anbieter zum Tragen kommt. Die Schufa etwa, die in erster Linie von Banken getragen wird, berechnet die Kreditwürdigkeit, indem sie laufende Kredite, Versandhandelskonten, Bankkonten und die Zahl der Kreditkarten ins Verhältnis setzt. „Da brauchen wir eigentlich kein Geoscoring“, sagt Sprecher Christian Seidenabel. „Wir halten Geoscoring nicht für eine gute Methode.“ Sein Unternehmen habe nur drei Vertragspartner, die auch Geodaten abfragten.

Bürgel Wirtschaftsinformationen, ein Unternehmen, das von Euler Hermes und über die EOS Holding indirekt von der Otto-Group getragen wird, greift auf Handelsregister, Schuldnerverzeichnisse und Insolvenzdaten zu und führt Daten über rund 39 Millionen Privatpersonen in Deutschland. „Es sind vor allem Negativmerkmale wie eidesstattliche Versicherungen, Haftanordnungen und Insolvenzverfahren“, sagt Sprecher Oliver Ollrogge.

Dazu kämen Zahlungserfahrungen der Otto-Gruppe und der Euler Hermes Gruppe, einem der großen Kreditversicherer in Deutschland. Von dort kommen die Daten über laufende Inkassoverfahren. Geodaten werden laut Bürgel nur dann verwendet, wenn keine „aktuellen personenbezogenen Zahlungserfahrungen“ vorhanden seien. Aber: „Geplatzte Kredite oder problematische Finanzverhältnisse von Nachbarn finden keinen Eingang in die Bewertung der Bonität eines Kunden“, so Ollrogge.

Schuldneratlas gibt Auskunft

Die Creditreform bezieht ihre Daten vor allem über Versandhändler. Dazu kommen Informationen über Inkassoverfahren. Das Unternehmen bringt den Schuldneratlas heraus, der exakt zeigt, wie groß die Kaufkraft eines Viertels ist. Mehr mache die Creditreform jedoch nicht, sagt Sprecher Michael Bretz: „Wir machen das nicht individuell“, sagt er. Bis auf den Einzelnen breche auch die Creditreform-Tochter Microm Consumer Marketing die Daten nicht herunter, sagt deren Geschäftsführer Klaus Hassel. „Fünf Haushalte, noch detaillierter werden wir nicht“, sagt er. Seine Firma weiß, in welchen Straßen die meisten BMW parken, wo am meisten Currywurst gegessen wird – ideal für ein Unternehmen, das Autos oder Würste verkauft und wissen will, ob es Sinn macht, in einer Gegend zu werben oder nicht.

Datenschützer sehen in der Verbindung von Firmen wie Creditreform und Microm oder Bertelsmann und Arvato eine gefährliche Entwicklung. „Die Daten liegen in einem großen Computer nebeneinander“, sagt Dieter Korczak vom Institut für Grundlagen- und Programmforschung. „Rein technisch betrachtet sind das ein paar Klicks.“ Korczak beschäftigt sich mit dem Umgang mit persönlichen Daten und stellte in einer Abfrage bei mehreren Auskunfteien eine Fehlerquote von im Schnitt 30 Prozent fest – obwohl die Unternehmen selber von Quoten im Bereich von 0,1 bis rund drei Prozent sprechen.

Beim Geoscoring sieht Korczak eine „riesige Lücke“ im Gesetz, die zu einer Segregation der Stadtteile führe. „Damit werden Gettoisierungsprozesse vorangetrieben“, sagt der Volkswirt, „wer will denn zu denen gehören, die nicht beliefert werden?“ Diese Entwicklung befürchtet auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen. „Das führt dazu, dass ganze Viertel gemieden werden“, sagt Frank-Christian Pauli.

Astrid Roth sieht ihre Straße nach diesen Erfahrungen mit anderen Augen. „Ich fühle mich nicht mehr so wohl“, sagt sie. „Diese Vorverurteilung macht einen nachdenklich“, sagt sie. Ihr weißes Sofa hat sie schlussendlich nicht bei dem Onlineshop bestellt. In einem Möbelhaus ganz in der Nähe fand sie ein ähnliches. Gezahlt hat sie mit EC-Karte.

Die häufigsten Fehler der SCHUFA sind:

• Daten ohne Beanstandung: 54%
• Falsche(s Kreditkarten(datum: 5%
• Falsche Girokonten/-nummern: 2%
• Falscher Handyvertrag: 3%
• Falsche alte Adresse: 2%
• Falsche Mithaftung / Kreditforderung: 1%
• Nicht existente Versandhauskonten: 1%
• Fehlende Girokonten: 21%
• Fehlende Kreditkarte: 2%
• Fehlender Handyvertrag: 4%
• Fehlender Immobilienkredit: 5%
• Fehlende Versandhauskonten: 2%
• Fehlende Kreditspeicherung: 1%
• Erloschene Girokonten: 6%
• Erloschene Kreditkarten: 2%
• Erloschener Handyvertrag: 4%

* bei den Fehlern können Mehrfachfehler bei einer Person vorkommen

Das abschließende Fazit von Mike Bohm, Autor des Artikels, ist aufgrund des geschilderten Sachverhaltes auch sehr deutlich: "Die SCHUFA kann daher als sehr kriminell angesehen werden. Niemand sollte daher auf die Daten vertrauen und sofort Strafantrag gegen die für die SCHUFA handelnden Personen stellen und seinen Regressanspruch in Zahlen benennen, damit offenkundig wird, wie sehr die SCHUFA betrügt und Existenzen vernichtet. Die SCHUFA sollte sich schämen!"

Quelle: Mike Bohm

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