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Ein Finanzvermittler packt aus

Archivmeldung vom 25.04.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 25.04.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

5.000 Euro Provision im Monat hatte der freie Finanzvermittler Michael Eisele (53) aus Stuttgart in Baden-Württemberg die letzten Jahre locker auf dem Konto. Dennoch stieg der erfolgreiche Makler nach 12 Jahren aus dem Vertrieb aus.

Seine Begründung: „Ich konnte die Scheinheiligkeit des Geschäft, bei dem der Kunde gleich zu Anfang Gebühren auf noch gar nicht eingezahltes Geld bezahlen soll, nicht mehr weiter mittragen.“ Gegenüber dem Finanznachrichtendienst www.gomopa.net rechnet Eisele schonungslos mit der Branche ab.

Ich bin eigentlich Ingenieur und hatte vorher in der Industrie gearbeitet. Als ich in die Finanzwirtschaft wechselte, fühlte ich mich wirklich wie Robin Hood und dachte, ich könnte die Menschen vor der Altersarmut retten. Mit fliegenden Fahnen verkaufte ich Versicherungen und Renten. Bis ich anfing, die einzelnen Produkte mathematisch durchzurechnen.

Junge Leute haben gar kein Geld übrig.

Eisele: Meine beiden Söhne gehen jetzt aus dem Haus. Sie jammern beide, Papi, ich habe kein Geld für eine Rentenvorsorge übrig. Das Geld reicht nicht vorne und nicht hinten. Ich brauche Möbel, sagt der eine. Ich brauche neue Reifen, sagt der andere. Was raten ich meinen Söhnen? Ganz klar: Behaltet eurer Geld zum Leben. Sparen könnt ihr später noch, am besten in ein Produkt, in das ihr immer nur soviel einzahlt, wie ihr euch leisten könnt. Und ohne Strafzinsen zu zahlen.

Gibt es das Produkt schon?

Eisele: Nein, ich arbeite daran, so ein Produkt auf den Markt zu bringen. Dabei wird die Provision dann nach realem Vermögensbestand fällig und nicht im voraus. Jetzt sieht es doch folgendermaßen aus: Aus Ihren ersten 50 Euro, die Sie in eine Lebensversicherung einzahlen, sind sofort 30 Euro an Provision weg. Weil sich die Provision daran orientiert, was sie eventuell in den nächsten 40 Jahren einzahlen werden. Dabei haben sich doch die Zeiten, da man sein Leben bei einem großen Arbeitgeber bis zur Rente planen kann, geändert. Die Arbeitgeber stellen doch heute nach Auftragslage oder nach geplanten Aktionen ein und entlassen danach wieder. Mal hat man als Arbeitnehmer viel, mal wenig im Portemonnaie. Und die Erfahrungen haben gezeigt, dass mindestens die Hälfte aller Versicherungskunden die Zahlungen nicht über die Laufzeit durchhalten und vorzeitig kündigen. Der Ausstieg ist ein Verlustgeschäft. Und selbst, wenn man es schafft, wird das Geld nicht zur Rentenaufbesserung genutzt. Man kauft sich ein Boot, eine Reise oder sonst was. Und hat niemals das Rentenloch gestopft.

Das Dilemma der Lebensversicherung

Eisele: Das Dilemma der Lebensversicherung besteht doch im staatlichen Zwang, die Hälfte mündelsicher anzulegen. Also in Staatsanleihen. Und das, obwohl jeder weiß, dass Geld nicht mit Anleihen verdient wird, sondern einzig mit realen Sachwerten. Der Staat braucht aber das Geld, schließlich verschuldet er sich dauernd.

Was bedeutet denn die staatliche Auflage für die Rendite?

Eisele: Die Rendite dümpelt bei vier Prozent dahin, obwohl man mindestens zehn Prozent erreicht, wenn man nicht in Papiere, sondern in reale Unternehmen investiert. Doch da beginnt das Dilemma mit der Haftung. Rate ich einem Kunden, sein Geld in Aktien eines Unternehmens oder auch in einen Fonds mit Aktien vieler Unternehmen zu investieren, passiert mir als Vermittler gar nichts, solange die Renditen kommen. Gehen die Renditen nach unten, kommt sofort ein Anlegeranwalt und zerrt mich vor den Kadi. Jeder Richter in Deutschland verurteilt einen Vermittler, der Kundengelder in Anlagen mit Renditen über fünf Prozent vermittelt. Das gilt vor Gericht nicht als sicher. Also bin ich gezwungen, den Kunden ein schlechtes Produkt zu verkaufen.

Warum reichen vier sichere Prozent Rendite nicht?

Eisele Eisele: Weil niemand die dafür nötigen hohen Monatsbeiträge bezahlen kann. Um eine Rente von 1.000 Euro zu bekommen, müssten sie heute bei vier Prozent Verzinsung 30 Jahre lang monatlich 830 Euro einzahlen, wenn man die Inflation mit drei Prozent ansetzt. Bei einer Investition in Unternehmen und einer Rendite von zehn Prozent brauchen Sie nur 220 Euro für 1.000 Euro Rente aufwenden. Aber das geht leider ohne Risiko nicht. Und ein Vermittler ist wirtschaftlich erledigt, wenn er in Regress genommen wird, was bei Anlagen über 5 Prozent wie ein Damoklesschwert über dem Vermittler schwingt.

Das Provisionsproblem besteht im Vorschuss.

Eisele: Ein Vermittler hat gar keine freie Wahl, weil er die Provision als Vorschuss bekommt. Die Provision ist längst ausgegeben, falls ein Kunde nicht zahlt oder abspringt. Und das passiert ja immer. Dann ist man in der Falle und steht unter dem Zwang, immer weiter machen zu müssen. Und natürlich will man das zusätzliche Risiko, in Haftung genommen werden, verkauft man schlechte Produkte mit maximal fünf Prozent Rendite. Das gilt für alle Strukturvertriebe. Wenn alle Bekannten ausgelutscht sind, verdient man als Vermittler kein Geld mehr und weiß nicht wie man Stornos zurückzahlen soll. Ich muss Ihnen sagen, so viele Menschen, die einen Offenbarungseid leisten mussten, wie in der Vermittlerbranche habe ich noch in keiner anderen Branche gesehen.

Die Polizei darf den Vermittler nicht warnen.

Eisele: Der Vermittler steht nicht nur zwischen Haftung, staatlicher Risikobeschränkung und dem beinahe unbezahlbaren Wunsch nach hohem Alterseinkommen, er läuft oft auch noch selbst Gefahr, dass er von Anlagebetrügern hereingelegt wird. Plötzlich gibt es eine Razzia, die eingezahlten Gelder sind futsch. Und das Schlimme dabei ist, dass die Polizei den Vermittler nicht mal warnen, um die Ermittlungen nicht zu gefährden.

Wie sieht ein betrügerisches Finanzangebot aus?

Eisele: Das erkennt man an der Art des berechneten Renditeverlaufs in der Vergangenheit. Wenn es heißt: Unsere Rendite betrug in den letzten fünf Jahren 13 Prozent, muss man genau hinsehen. Meistens steht nämlich mit Sternchen im Kleingedruckten versteckt folgendes. Hätten wir das jetzige Konzept die letzten fünf Jahre so gemacht, wie wir es jetzt vorhaben, dann hätte es eine Rendite von 13 Prozent erzielt. Wenn Sie nun Ihr Geld in die Anlage geben, wird das Konzept also zum ersten Mal getestet. Geht es nach zwei Jahren gegen den Baum, wird ein neuer Prospekt mit einem geänderten Konzept aufgelegt. Und es wiederholt sich: Wir haben in den letzten fünf Jahren 13 Prozent Rendite erzielt. Man vergisst das Minuszeichen. Mit Sternchen und super kleingedruckt erfährt man, es wäre ein Plus, hätte man das jetzige Konzept angewandt. So geht immer weiter. Viele fallen darauf herein. Mir selbst ist es mit einer Luxemburgischen Lebensversicherungs-Fondspolice passiert, die einen deutschen Vertrieb hatte. Die zeigte einen tollen Renditeverlauf für die Vergangenheit zwischen 30 und 40 Prozent. Aber die backtest waren wie beschrieben zusammengebastelt.

95 Prozent der Fonds sind schlicht überflüssig.

Eisele: Ein möglicher Kompromiss wären Fonds. Aber 95 Prozent, insbesondere Dachfonds an der Börse, sind völlig überflüssig und sind nur dazu da, Gebühren von Kunden zu kassieren. Ein Fonds liegt so bei acht bis neuneinhalb Prozent Brutto-Rendite. Doch jedes Jahr wird Ihnen als Kunde davon eineinhalb bis zwei Prozent an Kosten und Provisionen für Vermittler und Vermögensmanager abgezogen. Für einen Dachfonds mit der gleichen Rendite sind es sogar drei bis dreieinhalb Prozent, die dem Kunden jährlich abgezogen werden. Hier heißt der vernünftige Weg, hin zum Private Equity Bereich und zwar zu Exchange-traded fund (ETFs). Das sind freie Fonds, die den DAX nachbilden, also sehr konservativ anlegen, und nur 0,5 bis 0,6 Prozent Gebühren im Jahr kosten. Beim Handel über xetra entfällt zusätzlich die Maklercourtage.

Bekomme ich ETFs auch bei meinem Bankberater?

Eisele: Ich habe einen Freund, der ist Banker für vermögende Kunden bei einer großen deutschen Bank. Ich habe ihn gefragt, ob er seinen Kunden ETFs empfiehlt. Seine Antwort: Nur, wenn die Kunden ausdrücklich danach fragen. Von selbst bieten wir das nicht an, da verdient die Bank zu wenig dran.

Was werden Sie tun?

Eisele: Ich werde künftig Kunden beraten, die bereits Vermögen aufgebaut haben. Diese Kunden wissen, dass ohne Risiko keine Gewinne zu erzielen sind.

Quelle: GoMoPa

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