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Die Reichweite der Kohle wird deutlich überschätzt

Archivmeldung vom 05.04.2007

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.04.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Jens Brehl

Ungeachtet der großen Risiken für das Klima wird der Anteil der Kohle an der Energieversorgung deutlich ausgeweitet. Doch dieser Weg könnte in eine Sackgasse führen: Die Energy Watch Group hat erstmals die internationalen Statistiken über die Kohlereserven analysiert. Der Bericht gibt zudem einen Ausblick über die Kohleförde­rung in den kommenden Jahrzehnten. Fazit: Viele Statistiken sind veraltet. Eine aktuelle und transparente Datenerhebung ist dringend notwendig.

Vermutlich ist deutlich weniger Kohle verfügbar als weithin angenommen. „Die Statisti­ken suggerieren, dass die Kohle in nachgewiesenen Lagerstätten zu heutigen Markt­preisen verfügbar sei, doch davon kann keine Rede sein“, sagt Dr. Werner Zittel, der die Studie bei der Energy Watch Group leitet. „Viele Angaben wurden seit Jahren nicht mehr aktualisiert. Wo dies erfolgte, wurden die Reserven meist nach unten korrigiert teilweise sehr drastisch.“ So hatte die Bundesanstalt für Geowissenschaften die deutschen Stein­kohlereserven über Jahrzehnte mit 23 bis 24 Milliarden Tonnen angegeben. Im Jahr 2004 wurden sie auf 183 Millionen Tonnen herabgestuft, also um 99 Prozent reduziert. Als Erklärung findet sich die Bemerkung, dass spekulative Ressourcen jetzt nicht mehr berücksichtigt würden. In der intensiven Diskussion um die Zukunft des deutschen Steinkohlebergbaus spielten diese Daten keinerlei Rolle, obwohl sich damit die Diskus­sion um einen „Sockelbergbau“ erübrigt. Auch bei der Braunkohle gab es dramatische Abwertungen um mehr als 80 Prozent. Deutschland ist der größte Braunkohleförderer der Welt. Ähnliche Tendenzen, wenn auch nicht ganz so massiv, gibt es beispielsweise in Großbritannien oder Polen.

Ungeachtet dieses Trends wird die Kohle aber vielerorts als Ersatz für Erdöl und Erdgas gehandelt, deren Lagerstätten in den kommenden Jahren deutlich abnehmen werden. „Diese Hoffnung steht auf wackeligen Beinen“, warnt Zittel. „Die Datenlage ist sehr unsi­cher. Für einige Staaten wie Vietnam wurden die Daten seit 40 Jahren nicht mehr aktua­lisiert. Die letzte Aktualisierung der Daten aus China stammt aus dem Jahr 1992.“ Rund ein Fünftel der damals angegebenen Reserven wurden im Reich der Mitte seitdem ge­fördert. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die chinesische Kohleförderung in den kom­menden zehn Jahren ihren Höhepunkt überschreiten wird.

Nur Indien und Australien haben in den vergangenen 20 Jahren die Reserven angeho­ben: Indien von 12,6 Milliarden Tonnen (1987) auf 90 Milliarden Tonnen (2005) und Australien von 29 Milliarden Tonnen (1987) auf 38,6 Milliarden Tonnen (2005). Für alle anderen Länder wurden die Reserven im Schnitt um 35 Prozent abgewertet. Insgesamt wurden 2005 die weltweit verfügbaren und abbaubaren Steinkohlelager um 15 Prozent geringer eingeschätzt als 1987. Bei Braunkohle ergibt sich der gleiche Trend. Die welt­weit vermuteten Lagerstätten wurden im gleichen Zeitraum um 50 Prozent herabgestuft. Bei heutigem Verbrauch würden die in den Statistiken berichteten Kohlereserven noch für 155 Jahre ausreichen.

Sechs Staaten teilen sich 85 Prozent der globalen Kohlereserven. An der Spitze stehen die USA (2005: 120 Milliarden Tonnen Öläquivalent), es folgen Russland (69 Milliarden Tonnen), Indien (61 Milliarden Tonnen), China (59 Milliarden Tonnen), weiter abge­schlagen Australien und Südafrika. Wer die meisten Reserven hat, ist nicht automatisch die wichtigste Fördernation: China ist der weltgrößte Kohleförderer (2005: 1,1 Milliarden Tonnen), besitzt aber nur halb so große Reserven wie die USA. Die Vereinigten Staaten förderten 2005 rund 576 Millionen Tonnen, sie halten hingegen 30 Prozent der Weltre­serven. Die Australier holten 202 Millionen Tonnen aus der Erde, Indien 200 Millionen Tonnen. Rechnet man Südafrika und Russland hinzu, decken diese sechs Staaten rund 80 Prozent der Weltproduktion an Steinkohle ab.

In den Export gingen 2005 nur deutlich geringere Mengen. Der größte Nettoexporteur war Australien (150 Millionen Tonnen), gefolgt von Indonesien (60 Millionen Tonnen), Südafrika (47 Millionen Tonnen) und Kolumbien (36 Millionen Tonnen). Auch China und Russland warfen Kohle auf den Weltmarkt. Diese sechs Länder steuern rund 85 Prozent der weltweiten Exporte bei. China aber wird in wenigen Jahren als Exporteur ausfallen.

Die Kohlereserven der USA reichen auf dem Papier für mehr als 200 Jahre. Dennoch deutet einiges darauf hin, dass dort das Fördermaximum kurz bevorsteht - wenn es nicht schon überschritten wurde. Aufgrund des seit 1990 rückläufigen Anteils von Steinkohle stagniert der Beitrag der heimischen Kohle zur US-amerikanischen Energieversorgung seit 1998 oder sinkt sogar. Hochwertige Kohle muss bereits importiert werden. Es ist wahrscheinlich, dass die vermuteten Kohlereserven in Montana nie gefördert werden, da der Tagebau dort direkt in Konkurrenz zu den Weideflächen der Farmer steht. Viehzucht ist der wichtigste Wirtschaftszweig dieses Bundesstaates. In Montana aber liegt bereits die Hälfte der amerikanischen Kohlereserven.

Geht man nun davon aus, dass die Kohle in den kommenden Jahrzehnten die Förder­rückgänge bei Erdgas und Erdöl auffangen soll, wäre zunächst eine Ausweitung der globalen Förderung um 30 Prozent denkbar. Diese Zunahme müsste vor allem aus Aust­ralien, China, Russland, der Ukraine, Kasachstan und Südafrika kommen. Danach wird die Förderung konstant bleiben, um ab 2025 kontinuierlich abzufallen. „Damit kommen wir zu einem anderen Schluss als viele Beobachter“, meint Zittel. „Eine Investition in Clean Coal bindet viel Geld und Aufmerksamkeit. Sie wird vor allem dazu dienen, den Bau neuer Kohlekraftwerke in den kommenden zehn bis 15 Jahren zu rechtfertigen. Wenn die so genannte Sequestrierung von Kohlenstoff danach marktreif sein sollte, wird dies irrelevant, weil die emittierenden Kraftwerke bereits gebaut sein werden und ein weiterer Zubau mangels Verfügbarkeit von Kohle nicht mehr erfolgen wird.“

Quelle: Pressemitteilung Energy Watch Group

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