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Frank Schumann: Der Fall Timoschenko

Archivmeldung vom 01.03.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.03.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Julija Tymoschenko spricht am 22. Februar 2014 auf dem Maidan zu den Demonstranten
Julija Tymoschenko spricht am 22. Februar 2014 auf dem Maidan zu den Demonstranten

Foto: Mstyslav Chernov/Unframe/http://www.unframe.com/
Lizenz: CC-BY-SA-3.0
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Im Zuge des Umsturzes in der Ukraine ist die frühere Ministerpräsidentin Julia Timoschenko aus der Haft gekommen. Auf dem Maidan in Kiew hat die 53-jährige angekündigt im Mai bei den Präsidentschaftswahlen kandidieren zu wollen und Nachfolgerin des gerade aus dem Amt gejagten Viktor Janukowitsch werden zu wollen. Wer ist die Frau mit dem Machtanspruch in Kiew? Darüber redete Rüdiger Göbel von Radio "Stimme Russlands" mit dem Verleger und Autor Frank Schumann, der die Ukraine regelmäßig besucht und über die „blonde Ikone der orangenen Revolution“ wie Timoschenko genannt wird, das Buch „Die Gauklerin – Der Fall Julia Timoschenko“ verfasst hat.

Weiter heißt es im Beitrag von Rüdiger Göbel: "Es ist im Verlag Edition Ost erschienen, zu der Verlagsgruppe gehört auch Neues Leben, in dem gerade ein Band über die Klitschko-Brüder erschienen ist. Herr Schumann, liest man Ihr Buch aus dem Jahr 2012 über Julia Timoschenko, dann kann man sich eigentlich nicht vorstellen, dass diese Frau jemals wieder ein politisches Comeback erlebt. Waren Sie überrascht, als Sie Julia Timoschenko auf dem Maidan gesehen haben und sie dort ihren Machtanspruch artikulierte?

Also ja und nein. Überrascht deshalb, weil ich dachte dass doch noch mehr Zeit vergehen würde, ehe sie überhaupt wieder aus dem Gefängnis raus käme und wieder auf der politischen Bildfläche erscheinen würde. Überrascht nein, weil sie eine wirklich charismatische Politikerin ist und damit ist das Land nicht sonderlich reich gesegnet. Sie ist ein absoluter Polit-Profi, das hat man in den 20 Jahren als sie zunächst im wirtschaftlichen und dann im politischen Geschäft tätig war sehen können. Sie beherrscht das politische Handwerk außerordentlich gut und solche Leute gehen nicht unter. Also insofern halte ich das für durchaus folgerichtig, dass sie wieder auftaucht. Dass sie allerdings dort einen Anspruch anmeldet Präsidentin der Ukraine zu werden, das schien mir doch ein Alleingang zu sein und die Reaktionen darauf, im Inland wie auch im Ausland, bestätigten eigentlich diesen Eindruck, dass es ein Alleingang war. Also diese Offerte Präsidentin zu werden wird ja nicht nur mit Beifall begleitet. Aber ob sie´s wird, das steht ja noch in den Sternen.

Es heißt ja immer wieder Julia Timoschenko sei ein politischer Prozess gemacht worden. Weshalb ist die Frau vor zwei Jahren ins Gefängnis gekommen und 2011 verurteilt worden?

Dass es sich um einen politischen Prozess handelt, das ist ihre Interpretation gewesen. Also sagen wir mal, das ist ja nicht das erste Mal dass der Staatsanwalt gegen sie ermittelt hat. Sie hat ja auch schon um die Jahrtausendwende in Untersuchungshaft gesessen, die Staatsanwaltschaft hat im Jahr 2003 gegen sie ermittelt, es ging um dasselbe Delikt, also Sachveruntreuung im Amt, Korruption, Bereicherung. Und sie ist ja als sie 2005 schon mal Ministerpräsidentin war, von dem damaligen Präsidenten Juschtschenko aus dem Amt getrieben worden, weil ja auch dort, nicht nur dieser Eindruck entstanden ist, sondern nachweisbar war, dass sie sich bereichert hat und der Vorwurf lautete damals auch Veruntreuung. Als der Vorwurf das erste Mal aufkam wurde nachgewiesen, dass mindestens eine halbe Milliarde von ihr veruntreut wurde, also Gelder die beispielsweise auch von der EU gekommen sind um irgendwelche Zuckerreserven anzulegen. Da wurden nicht die 15.000 Tonnen Zucker angelegt wofür das Geld bestimmt war, sondern eben nur 5.000 und der Rest war dann einfach weg. Also sie hat dort immer wieder den Nachweis geführt dass sie nicht mit Geld umgehen kann, zumindestens nicht wenn es ihr eigenes war. Nachdem sie dieses Gasabkommen mit Russland geschlossen hat wurde noch unter dem Präsidenten Juschtschenko schon den Staatsanwalt gerufen und sie wurde aus dem Amt gejagt. Und dieser dort eingeleitete Prozess ist dann unter der neuen Administration, unter Janukowitsch 2010 fortgesetzt worden. Das heißt also, da waren bereits Prozesse im Gange. Sie konnte dann sozusagen schlecht dem Präsidenten Juschtschenko, der sie zur Ministerpräsidentin gemacht hat unterstellen, er habe ihr einen politischen Prozess machen wollen. Also sie hat es dann später sehr geschickt vermocht ihre privaten und politischen interessen zu verbinden. Das war ja auch eine der Thesen in meinem Buch, sie hat es also vermocht dieses private Interesse was sie hatte, aus dem Knast raus zu kommen, politisch zu garnieren. Und sie hat das dann in diesen objektiven Konflikt der zwischen Westeuropa und der Ukraine bestand eingebunden. Weil die neue Administration nicht so schnell in die EU wollte und schon gar nicht in die Nato, hat sie das sozusagen so thematisiert, dass also sie, die ja in die EU wollte, im Jahr 2007 hat sie das ja definitiv erklärt, in der Folge wurde dann die Fußballeuropameisterschaft an die Ukraine und Polen vergeben, hat sie also ihre Inhaftierung und ihre Verurteilung als Ausdruck einer Politik die gegen Europa gerichtet war erklärt. Im übrigen, der Ministerpräsident Lazarenko, der sie in den 90er Jahren protegiert hat, der ist in den USA bei seiner Einreise 1999 auch inhaftiert worden und anschließend zu 9 Jahren verurteil worden, wegen Geldwäsche und Korruption. Also wegen der gleichen Delikte für die Timoschenko zu sieben Jahren in der Ukraine verurteilt wurde, hat er in den USA neun Jahre gekriegt und die hat er auch abgesessen. Nun kann man sicherlich fragen, ob diese Haftstrafe zu der Timoschenko verurteil wurde, ob das überzogen war, ob´s nicht vielleicht mit drei oder vier Jahren abgegolten gewesen wäre, das ist eine andere Frage. Aber dass sie aus kriminiellen Gründen verurteilt worden ist, das ist unstreitig.

Gegen Frau Timoschenko ist eigentlich noch ein weiteres Verfahren anhängig. Man muss davon ausgehen, dass das durch die neue Regierung nicht fortgeführt wird. Worum geht es da? Die Vorwürfe da sind ja noch viel gravierender.

Da läuft noch kein Verfahren, es ist sozusagen immer noch im Prozess der Ermittlungen und der Anhörungen. Und zwar hat es 1996 einen Mord gegeben, einen Auftragsmord. Der Getötete hieß Scherban, war auch Abgeordneter, zugleich aber auch ein Unternehmer und der störte offensichtlich die Kreise von Lazarenko und anderen und der und seine Lebensgefährtin sind erschossen worden. Der Sohn der mit dabei war, den hab ich auch für mein Buch dort noch interviewt, war Zeuge, also die sind aus dem Flugzeug ausgestiegen und dann rollte dort ein Auto vor aus dem zwei ausstiegen und haben die dort erschossen. Das war, so wurde dann nachher ermittelt, ein bezahlter Auftragsmord. Insgesamt waren 11 Leute dort beteiligt, die sind dann aber auf merkwürdige Weise im Zuge der Ermittlungen sozusagen vom Leben zu Tode gekommen. Zwei sind rechtskräftig verurteilt worden, einige waren noch auf der Flucht und was das eigentlich spannende ist, das Geld was dort gezahlt worden ist für diesen Auftragsmord, ist über Konten in Zypern geflossen und das waren auch Konten von Timoschenko. Und nun suchen die Ermittlungsbehörden seit dem vergangenen Jahr den Nachweis, dass also Gelder die von ihrem Konto geflossen sind für diesen Auftragsmord bestimmt waren. Dass Geld geflossen ist, ist unstreitig, aber es ist schwer nachzuweisen, dass es genau für diesen Zweck bestimmt war und das wird sozusagen dort ermittelt. Also es sind mehrer Anläufe unternommen worden diesen Mord und die Hintergründe aufzuklären. Das ist 1996 passiert und es sind auch in der Zeit unter Juschtschenko schon Aufklärungsversuche unternommen worden und unter Janukowitsch sind sie fortgeführt worden. Im vergangenen Jahr ist dieses Verfahren in Kiew wieder aufgerollt worden und da hat sie sich konsequent geweigert dort zu erscheinen. Sie war in Charkow im Krankenhaus und weigerte sich konsequent dort angehört zu werden.

Spielt da vielleicht mit rein, dass die erste Ankündigung bei den Präsidentschaftswahlen im Mai kandidieren zu wollen, wieder relativiert wurde? Die Tochter von Julia Timoschenko hat heute in der ARD erklärt,es wäre noch gar nicht so sicher, ihre Mutter müsse jetzt erstmal zur Rehabilitation nach Deutschland kommen, sie soll an der Charité behandelt werden.

Also ich vermute mal dass man ihr zu verstehen gegeben hat, dass inzwischen was die Präsidentschaft betrifft andere Pläne geschmiedet worden sind. Es sind ja mehrere Bewerber im Rennen. Ich kann mich erinnern, als sie noch inhaftiert war, im Januar war das, als Klitschko erklärte, er wolle kandidieren, war der zweite Mitbewerber der anderen Oppositionspartei, nämlich der von der Timoschenko-Partei Jazenjuk der während ihrer Abwesenheit die Partei führte, dem wurden gleiche Ambitionen nachgesagt und er war wie es schien, wie einige aus seiner Umgebung auch bestätigten, sichtlich genervt dass Klitschko von sich aus das erklärt hat, ohne Rücksprache mit den anderen Oppositionsparteien gehalten zu haben. Also es waren schon zwei im Rennen und nun tauchte dann sozusagen völlig überraschend Frau Timoschenko auf und erklärte ein gleiches. Nun ist es durchaus üblich in einer ordentlichen Demokratie dass es mehrere Bewerber für ein Amt gibt und warum sollen nicht in der Ukraine drei oder vier Leute sich für das Amt des Präsidenten bewerben? Zunächst haben alle drei Oppositionsparteien versucht den Eindruck zu vermitteln, dass sie sich in der Opposition einig sind, jetzt wird aber offensichtlich erkennbar, dass es dort divergierende Interessen gibt, die nicht nur individueller Natur sind. Und nun kam Frau Timoschenko dort völlig überraschend frei und die hatte keiner mehr auf dem Schirm. Und die hat alles durcheinander gebracht und ich vermute mal, dass man ihr das auch zu verstehen gegeben hat und dass man jetzt plötzlich über ihre Tochter erklärt, dass ihre Gesundheit sozusagen vorrangig ist, kann ja sozusagen als ein indirekter Rücktritt von der Bewerbung angesehen werden.

Wenn man Ihr Buch liest, kann man so zwischen den Zeilen interpretieren, die Julia Timoschenko war oder ist eigentlich nicht so krank wie hier die Medien immer der Eindruck erweckt wurde. Als sie auf dem Maidan auf die Bühne kam, hat man ihr schon die Haft angesehen. Nichts desto trotz war sie am Tag darauf in der US-Botschaft ohne Rollstuhl unterwegs als sie dem US-Botschafter Geoffrey Pyatt gedankt hat.

Ein biblisches Wunder vielleicht. Naja, also die Beschwerden mit den Bandscheiben sind ja für einen Außenstehenden schwer nachprüfbar. Also wenn man Gelbsucht hat, dann sieht man das jemanden an, oder wenn einer Probleme mit den Knien hat, dann hinkt er, das sieht man auch, aber wenn er sagt, ich habe Beschwerden mit der Bandscheibe, ist es schwer nachprüfbar. Es gibt in der Tat Hinweise darauf, dass sie simuliert. Wobei ich mich nicht verbürgen möchte ob das zutrifft. Also sie hat möglicherweise doch was mit der Bandscheibe. Auf der anderen Seite, wie sie ihre eigene
kriminielle Vergangenheit politisiert, warum soll sie nicht auch eine Krankheit und ein Gebrechen dort politisieren. Also ich weiß, der Arzt der sie hier in der Charité behandelt hat, dem sagt man in der Tat gute Fähigkeiten nach, das ist der Doktor Harms und der hat andere mit den gleichen Leiden behandelt und die waren nach wenigen Behandlungen von ihren Leiden befreit. Während Frau Timoschenko dort nahezu zwei Jahre in diesem Krankenhaus in Charkow war, was ich ja selber auch besucht habe und man hat mir auch die physiotherapeutischen Anlagen gezeigt mit denen sie dort behandelt wurde, also man hat sich wirklich sehr um sie bemüht und das zwei Jahre lang. Es ist etwas ungewöhnlich, dass dort keine Gesundheitsfortschritte zu verzeichnen waren. Zumindestens hat sie das behauptet. Also kein Harm in meiner Seele, man kann ihr nicht vorwerfen dass sie simuliert, aber gänzlich ausschließen kann man es auch nicht.

Wir würden sagen, wir wünschen ihr gute Genesung wenn sie nach Berlin kommt. Nichts desto trotz, der Mann Berlins in Kiew ist ohnehin Vitali Klitschko, er ist von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung mit aufgebaut worden. Er hat in der BILD-Zeitung in den letzten Wochen der Proteste auf dem Maidan praktisch täglich eine Kolummne gehabt und hat „den Kampf seines Lebens“ geschildert wie er sagte. Wie populär ist der frühere Boxweltmeister in der Ukraine als Politiker?

Also nicht sonderlich. Ich glaube dass sein Einfluss und seine Aura aus der deutschen Perspektive maßlos überschätzt wird. Ich habe Freunde in der Ukraine die sich immer darüber lustig machen wenn er Erklärungen abgibt. In Interviews soll er doch ziemlich blass ausgesehen haben, also wenn es über die Stanz hinaus geht die ihm offensichtlich jemand in den Block geschrieben hat, dann hat er auch Schwierigkeiten mit der ukrainischen Sprache, was ja aus unserer Sicht völlig unerheblich ist, aber für Ukrainer offensichtlich nicht. Also er hat nicht diese Strahlkraft die ihm hier in Deutschland nachgesagt wird. Zum andern, ich meine, wir lieben alle Russen wenn sie Deutsch sprechen. Also ich kann mich erinnern als Putin hier im Deutschen Bundestag Deutsch gesprochen hat und es waren nur wenige Sätze, da haben sie ihn ja gefeiert ohne Ende und so ist es auch mit Klitschko. Der ja auch wie wir wissen, nicht nur in der Werbung Deutsch spricht, sondern auch sonst. Aber die Akzeptanz ist nicht sonderlich groß und sie hat auch erheblich gelitten, weil er auf dem Maidan versucht hat etwas auszugleichen und zwischen den radikaleren, neo-faschistischen Kräften, Stichwort rechter Sektor, und den moderateren Kräften zu vermitteln. Am Freitag ist er ja ausgepfiffen worden als er das Resultat der Gespräche mit Janukowitsch mitteilte. Er war sozusagen einer der sich aus Sicht der radikalen Kräfte angepasst hatte und das „standing“ ist nicht sonderlich groß. Ich weiß nicht genau, bei Umfragen lag er dann bei 15 Prozent oder 18 Prozent oder so was, das waren also ziemlich niederschmetternde Resultate. Also die Wahrscheinlichkeit, dass er Präsident wird, ist nicht sonderlich groß. Jetzt fragen Sie mich bitte nicht, wer wird es denn? Ich weiß es nicht.

Es gibt mehrere Bewerber, auffällig ist momentan finde ich, dass Oleg Tjahnybok von der offen rechten Swoboda-Partei seinen Anspruch noch nicht bekundet hat, obwohl das momentan für einen Außenstehenden die Partei, oder der politische Bereich ist, der am meisten Zulauf hat. Sie haben den rechten Sektor angesprochen, da war zu lesen, sie haben praktisch jeden Tag 500 Neueintritte. Wie gefährlich ist diese Bewegung?

Ich halte sie für sehr gefährlich weil sie ja sozusagen traditionell in der Ukraine, in der Westukraine verwurzelt ist. Das heißt also, das ist nicht so eine spontane Bewegung, sondern eine Bewegung die wirklich Jahrzehnte dort verwurzelt ist. Und die Beobachtung habe ich auch schon gemacht, dass der Tjahnybok kaum im Gespräch war. Interessanterweise, ich weiß nicht ob Sie das in den deutschen Medien beobachtet haben, als die ersten kritischen und distanzierenden Berichte auftauchten, wo diese Partei eigentlich her kommt und wenn dann die Protokollbilder von den Gesprächen der Oppositionsführer erschienen,da gehörte er ja mit dazu, in den deutschen Medien zeigte man die Bilder, aber namentlich wurden nur Klitschko und Jazenjuk erwähnt. Den Dritten erwähnte man schon gar nicht, obwohl er mit auf dem Foto war. Man hat inzwischen hier in Deutschland auch begriffen, um was für eine gefährliche Partei es sich dort handelt. Es ist ja auch absurd, Swoboda wurde in Deutschland ja sozusagen als Oppositionspartei eingeführt und auch positiv bewertet, weil sie ja sozusagen gegen Janukowitsch war und diese Partei, die Parlamentarier dieser Swoboda-Partei führten Gespäche hier in Dresden mit der NPD, über deren Verbot in der Bundesrepublik momentan nachgedacht wird. Das ist ja das absurde. Hier ist also eine Partei in Deutschland die man verbieten will weil sie sozusagen rassistisch, neo-faschistisch, extremistisch in jeder Hinsicht ist und die sprechen mit Swoboda und Swoboda ist dann aber in der deutschen Wahrnehmung eine demokratische Oppositionspartei. Also diesen Zwiespalt hat man inzwischen dort offensichtlich begriffen und jetzt finden die in den Medien nicht mehr statt. Mir ist sozusagen keine explizite Berichterstattung dort bekannt nachdem publik wurde, um was für eine Partei es sich handelt. Und es gab ja auch Äußerungen von jüdischen Gemeinden und Organisationen die gerade auf diese antisemitische Komponente hingewiesen haben. Schwierig die unter einen Hut zu bringen und warum die sich im Rennen um die Präsidnetschaft noch nicht vorgewagt haben, ich weiß es nicht. Tatsache ist aber, dass sie eine latente Gefahr für die Demokratisierung der ukrainischen Gesellschaft darstellen. Eindeutig. Sie haben eben einen großen Einfluss.

Gerade weil sie so einen großen Einfluss haben, hier in den Medien ist der Protest auf dem Maidan ja immer als friedliche Demonstration geschildert worden, gleichzeitig wurden Bilder vermummter Menschen gezeigt die ihre Molotow-Cocktails gefüllt haben, auf dem Maidan ist dazu aufgerufen worden Waffen zu bringen, das ist ein Widerspruch, so wie der rechte Sektor lange in der Berichterstattung vernachlässigt wurde, beziehungsweise klein geschrieben wurde. Es ist ja heute noch nicht von einer faschistischen Bewegung die Rede, der Auftand, der Umsturz wird als Revolution bezeichnet. Im Osten und Süden der Ukraine ist von einem faschistischen Umsturz in Kiew die Rede. Was ist denn jetzt eigentlich zutreffend? Ist es ein faschistischer Putsch der da schon stattgefunden hat, oder droht der erst noch?

Das ist ungefähr wie die Frage nach dem 17. Juni 1953 in der DDR. War es ein faschistischer Putsch oder ein Arbeiteraufstand? Sowohl als auch sage ich mal und so würde ich das auch interpretieren wollen. Dass also auf dem Maidan auch rechtsextreme Kräfte präsent waren, die nach meiner Beobachtung in den drei Monaten zunehmend in den Vordergrund traten mit ihren radikalen Forderungen. Offensichtlich waren diejenigen die mit legitimen Forderungen an ihre Regierenden auf dem Maidan angetreten sind, man muss ja nicht unterstellen, dass jeder der gegen diese Regierung und gegen Janukowitsch protestiert hat, dass der im Unrecht war. Also es gab durchaus Missstände in der Ukraine, das wollen wir hier mal festhalten. Die radikalen Kräfte haben es aber geschickt vermocht darzustellen, ihr könnt ja monatelang auf dem Maidan sitzen, es ändert sich nichts, das heißt, man muss schärfere Waffen nehmen, nicht nur verbal, sondern auch im Wortsinn und sie haben dann diesen Protest radikalisiert. Und sie bestimmten auch das Geschehen dort auf dem Maidan mit den brennenden Autoreifen, mit den Barrikaden, mit den Molotow-Cocktails und so weiter. Und das interessante ist ja, diese Frage ist ja nie gestellt worden, wer hat die Logistik dort besorgt? Dass dort ständig Autoreifen nachkamen, dass alle Menschen auf dem Maidan Lebensmittel und Kleidung erhielten, das waren doch nicht bloß Spenden. Da ist eine ausgeklügelte Logistik mit einem materiell potenten Hintergrund aktiv gewesen und da stellt sich zwangsläufig die Frage, wer hat das finanziert? Und wie ist das organisiert worden? Und da ist der Gedanke nicht abwegig, dass das Hinterland von extremen Kräften, also von Swoboda und vom rechten Sektor dort aktiv war.

Auffällig war, dass die eigentliche Gewalteskalation, also beispielsweise der versuchte Sturm auf das Parlament, bei dem es die ersten Toten gegeben hat, dass diese Zuspitzung während der olympischen Winterspiele begann, bis hin zum Umsturz, zu einem Zeitpunkt als Moskau wahrscheinlich zurückhaltender agierte als es das sonst getan hätte in der verbalen Verurteilung. Der Krieg in Georgien war während der Olympiade in Peking. Es zeigt doch offensichtlich, dass da wahrscheinlich tatsächlich größere Mächte im Hintergrund wirken und so etwas nicht spontan vor Ort passiert. Was ist eigentlich das größere Spiel, das geopolitische Spiel um die Ukraine?

Also ich glaube nicht dass es zufällig war, dass die Situation auf dem Maidan während der olympischen Spiele eskalierte. Man hatte durchaus im Kalkül, dass Moskau möglicherweise etwas zurückhaltender reagieren würde. Es stellt sich zwangsläufig die Frage, ist es dann noch eine innenpolitische Auseinandersetzung gewesen in der Ukraine, oder sind da nicht wie Sie zu Recht sagen auch andere Mächte im Spiel? Also nach meiner Einschätzung und das überrascht mich, dass das bei den Analysen der Politiker und Politikwissenschaftler überhaupt nicht in Erwägung gezogen wird. Die Rolle der USA beispielsweise in der Ukraine wird ja so gut wie ausgeblendet. Die sind ja allenfalls über den Botschafter Pyatt dort präsent. Ich stelle das jetzt nur als Frage in den Raum, warum war denn Frau Timoschenko gleich am ersten Tag dort in der amerikansichen Botschaft und nicht woanders? Also ich gehe davon aus, wenn man das in einem globalen Kontext sieht, die USA nehmen eine strategische Neuorientierung vor wie wir wissen, das Interesse geht jetzt zunehmend in den pazifischen Raum, da sind China und Russland als unmittelbare Gegner gegen die man Front macht und Europa ist für sie für die Zukunft uninteressant. Aber sie haben natürlich ein Interesse daran, dass Westeuropa, also EU und Russland und angrenzende Gebiete nicht zusammen kommen. Für die Amerikaner wäre es eine Katastrophe wenn es denn zu einem euro-asiatischen Block käme und deshalb haben die USA ein originäres Interesse, dass es auf diesem Kontinent brodelt und dass man sich dort nicht einig ist und sich nicht stimmig ist und dass dort ein Keil getrieben wird. Und da ist die Ukraine als Spaltpilz geeignet um wieder Front zu machen gegen die Russen.Das scheint mir der eigentliche Hintergrund zu sein. Also man hat in diesem Fall die Ukraine benutzt, um das tradierte Feindbild Westeuropa versus Russland neu zu beleben und das ist ja auch gelungen.

Die Ukraine, als das flachengrößte Land des Kontinents ist im übrigen auch rein riesiger Markt mit 45 Millionen Menschen, das braucht man nicht als Unruheherd. Aber da gibt es divergierende Interessen zwischen Westeuropa, er EU und den USA und das ist hier ausgebrochen. Und erstaunlicherweise wird das in der politischen Wahrnehmung immer ausgeblendet. Die USA und Westeuropa haben ein großes Interesse daran dass Frieden in der Ukraine herrscht, aber dass es dort unterschiedliche Interessen gibt, weil es unterschiedliche Ausgangslagen gibt, das wird nicht thematisiert. Das ist interessant.

Die Ukraine soll ja offensichtlich nicht zu Ruhe kommen. Jetzt verlagert sich der Konflikt hin zur Krim. Dort gab es eine Auseinandersetzung zwischen Maidan-Demonstranten wie sie genannt werden und der russisch-sprachigen Bevölkerung. Der russische Präsident Wladimir Putin hat heute die Armee seines Landes im Westen in ein Manöver geschickt, was hier als halbe Mobilmachung geschildert wurde. Wie ernst ist der Konflikt da?

Die Halbinsel Krim gehört zur Ukraine, aber auf der Halbinsel Krim gibt es auch Sewastopol und in Sewastopol liegt die russische Flotte, weil Russland keinen großen Militärhafen am Schwarzen Meer hat. Und wenn es jetzt abspaltende Bestrebungen gibt, die Krim aus der Ukraine rauszulösen, also wieder Russland zuzuschlagen, was im übrigen nicht gehen wird, ist natürlich der Hintergrund erkennbar. Es geht darum, dass Russland seinen Stützpunkt Sewastopol sichert und das sieht man natürlich im Westen genauso, wenn die Krim nach Russland gehen sollte, dann hat man keinen Zugriff mehr auf Sewastopol, was man objektiv aber noch hat, solange Sewastopol auf dem Staatsgebiet der Ukraine liegt. Von Sewastopol aus kann man das Schwarze Meer beherrschen und wir wissen wer die Anrainer am Schwarzen Meer sind, das ist der Nato-Staat Türkei, mit dem es aber momentan auch Probleme gibt, das sind Rumänien, Bulgarien als Mitglieder der EU. Das heißt, Russland hat ein natürliches strategisches Interesse sich in dieser Region auch militärisch zu behaupten und Flagge zu zeigen und das wird bei diesem Krim-Streit zur Disposition gestellt und das wird Russland nicht hinnehmen, was normal ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Konflikt nicht eskalieren wird, weil nämlich auch die EU daran interessiert ist, dass daran nicht gerührt wird. Also noch einen Krieg in Europa nach Jugoslawien glaube ich, das will niemand. Selbst den übelsten Scharfmachern in Westeuropa sollte man das nicht unterstellen.

Kommen wir noch einmal kurz zurück nach Kiew wo gerade um eine Übergangsregierung gerungen wird in die niemand so richtig gehen will, obwohl ja die Verfassung aus dem Jahre 2004 der neuen Regierung mehr Macht zuspricht als dem Präsidenten, will jeder aus der Opposition eigentlich auf den Präsidentenposten. Aber jeder der neuer Regierungschef und neuer Präsident wird, wird das alles berücksichtigen müssen. Das heißt, wo wird die Ukraine in einem Jahr oder in fünf Jahren stehen?

Eigentlich will keiner in diese Regierung, weil man weiß, das ist eine Regierung auf Abruf. Gleichwohl, ich hatte vor einer Stunde noch eine Gespräch mit einem Freund in Kiew der sagt, die Posten wären sozusagen schon gekauft und bezahlt, also sagen wir mal so, Staatssekretäre mit sechsstelligen Beträgen werden dann schon rübergereicht, aber eigentlich will niemand Verantwortung übernehmen, weil man weiß, es ist auf Abruf. Ich erwischte ihn gerade an einer Tankstelle, er tankte nochmal voll, weil sie wissen, morgen gehen die Benzinpreise hoch. Und die nationale Währung ist inzwischen auch schon extrem abgewertet worden, also für einen Euro zahlt man jetzt vierzehn Hrywnja, vor ein paar Wochen waren es noch acht oder zehn und das geht so weiter und die Folge wird dann sein, dass auch Importwaren teurer werden, das heißt die Lebenshaltungskosten werden sich dramatisch verteuern. Und wenn dann die Gehälter der Staatsbediensteten ausbleiben weil sie nicht bezahlt werden können, das Land steht ja kurz vor dem Bankrott, wenn die Renten nicht mehr gezahlt werden, dann werden die Leute möglicherweise wieder auf die Straße gehen. Das heißt also, es stehen extreme soziale Konflikte ins Haus und die werden den jeweils Regierenden angelastet. Die sogenannten Oppositionsparteien haben ja die Leute auf die Straße getrieben indem sie ihnen suggeriert haben, und der Westen hat sie auch in diesem Glauben gelassen, also wenn ihr morgen in der EU seid, dann wird es euch bald so gut gehen wie den Polen oder wie den Deutschen oder sonst was und man hat ihnen sozusagen ein Heilsversprechen gegeben und das war absehbar, dass sich das nicht einlösen lässt. Nur jetzt bricht das auf und nun haben sie aber die politische Verantwortung. Sie haben ja darum gekämpft die politische Verantwortung zu kriegen und da ist man nicht sonderlich scharf drauf die dann in konkreter Tagespolitik zu realisieren. Also die nächsten Wochen werden extrem hart werden und ich fürchte, dass die Zeit nicht allzu fern ist wo die Leute sich an die vergleichsweise ruhigen Tage unter Janukowitsch zurücksehnen. Also ich will das nicht bagatellisieren. Das ist so und wir wissen ja, dass das kollektive Gedächtnis eines Volkes nicht lange zurück reicht. Es ist in der Ukraine so wie bei den Deutschen.

Vielen Dank Frank Schumann. Er ist Autor des Buches „Die Gauklerin - der Fall Timoschenko“, das ich allen ans Herz legen möchte die verstehen wollen was in der Ukraine heute passiert, welche Machenschaften im Hintergrund wirken..."

Quelle: Text Rüdiger Göbel - „Stimme Russlands"

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