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EZB und IWF plädieren für radikalen Schuldenschnitt in Griechenland

Archivmeldung vom 26.11.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.11.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Bild: Gerd Altmann / pixelio.de
Bild: Gerd Altmann / pixelio.de

Europäische Zentralbank (EZB) und Internationaler Währungsfonds (IWF) werben nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" im Rahmen der Rettungsgespräche für einen weitgehenden neuen Schuldenschnitt für Griechenland. Dabei soll die absehbare Staatsverschuldung des Landes bis 2020 von 144 Prozent auf 70 Prozent gedrückt werden.

Dazu müssten die Geberländer Griechenlands auf die Hälfte ihrer Forderungen verzichten. Auch wenn es Anfang der Woche beim nächsten Treffen der Euro-Gruppe noch zu keiner Entscheidung über einen neuen Schuldenschnitt kommen wird, halten die beiden Organisationen einen solchen Schritt für unausweichlich, wenn Griechenland in absehbarer Zeit wieder auf eigenen Beinen stehen soll.

Die Bundesregierung will einen Forderungsverzicht unbedingt vermeiden. Stattdessen setzt sie darauf, den Griechen die Zinsen für die Hilfskredite zu senken. Die jüngsten Rettungsgespräche scheiterten vor allem daran, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble auf Geheiß von Kanzlerin Angela Merkel (beide CDU) einen bereits zugesagten weitgehenden Zinserlass wieder zurücknehmen musste.

Merkel fürchtete, einen solchen Schritt wegen Widerstands von Euro-Skeptikern in den eigenen Reihen nicht durchsetzen zu können. EU-Währungskommissar Olli Rehn appelliert an die Euro- Regierungen, vor allem Deutschland, das politische Versprechen, Griechenland zu retten, auch tatsächlich einzulösen. "Jeder muss seine roten Linien überprüfen."

Diskussion über griechischen Schuldenschnitt im Jahr 2015

Trotz des Widerstands von Deutschland und anderen Euro-Staaten ist ein öffentlicher Schuldenschnitt für Griechenland offenbar nicht endgültig vom Tisch. Nach Informationen der "Welt am Sonntag" (25.11.) wird zwischen den Geldgebern über einen Forderungsverzicht im Jahr 2015 diskutiert. Darüber soll am Montag bei einem Geheimtreffen in Paris gesprochen worden sein, an dem Wolfgang Schäuble (CDU) und weitere Euro-Zonen-Vertreter teilnahmen.

Ein in Aussicht gestellter Schuldenschnitt könnte für die Athener Regierung Ansporn sein, bis dahin alle Reformauflagen des zweiten Hilfprogramms zu erfüllen. Das läuft Ende 2014 aus. Ein Forderungsverzicht der öffentlichen Gläubiger könnte zudem Teil einer Anschlussfinanzierung sein und so den zunehmend widerspenstigen Internationalen Währungsfonds (IWF) beruhigen.

Der IWF fordert seit Wochen, Griechenland auf ein tragfähiges Schuldenniveau zu bringen. Doch vor allem die Bundesregierung ist derzeit gegen einen Verzicht der öffentlichen Gläubiger, denn der würde sie Milliarden kosten. Am kommenden Montag beraten die Euro-Finanzminister, mit welchen Maßnahmen die Lücke im laufenden zweiten Hilfsprogramm für Griechenland geschlossen werden soll.

Ein Schuldenschnitt wird auf Grund des Widerstands der Europäer wohl nicht dazugehören. Ob die Bundesregierung sich eine solche Maßnahme im Jahr 2015 vorstellen kann, ist unklar. Nach Angaben aus Teilnehmerkreisen soll sich Schäuble in Paris dafür offen gezeigt haben. Das wird in Berlin bestritten. Ein Verzicht der öffentlichen Gläubiger stehe weiterhin nicht zur Debatte, hieß es.

Asmussen lehnt Schuldenschnitt für Griechenland ab

EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen hat einem Schuldenschnitt für Griechenland eine klare Absage erteilt. In einem Interview mit der "Bild-Zeitung" sagte Asmussen: "Zur Schließung der Finanzlücke brauchen wir ein Maßnahmenpaket, das unter anderen eine deutliche Senkung der Zinsen der Hilfskredite und einen Schuldenrückkauf durch Griechenland umfassen wird. Ein Schuldenschnitt gehört nicht dazu."

Asmussen mahnte zugleich eine rasche Entscheidung der Euro-Finanzminister an, die nächste Kredtittranche an Athen freizugeben. "Ich hoffe sehr, dass die Eurogruppe am Montag einen politischen Beschluss fassen wird, die nächste Kreditrate aus dem Hilfspaket freizugeben. Dazu muss die Finanzierungslücke für die nächsten beiden Jahre durch die anderen Länder der Eurozone geschlossen werden. Damit das gelingt, müssen sich alle bewegen", sagte Asmussen der "Bild-Zeitung". Griechenland benötige die nächste Kreditrate dringend. Es gehe um die Zukunft des Landes in der Eurozone.

Brüderle: Griechenland nicht zu viel Zeit geben

Unmittelbar vor dem Treffen der europäischen Finanzminister hat FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle davor gewarnt, Griechenland zu weit entgegenzukommen. "Ich bin immer noch der Auffassung, dass man die Zeitachse nicht beliebig dehnen darf", sagte Brüderle der "Welt am Sonntag". Er wünsche sich, dass Griechenland für die vereinbarten Reformanstrengungen "nicht die zwei Jahre länger braucht, die jetzt im Gespräch sind". Der Fraktionschef bekräftigte: "Ohne echte Fortschritte bei den Reformen darf es keine weiteren Hilfen für Athen geben." Für ein drittes Hilfspaket gebe es im Bundestag keine Mehrheit, sagte Brüderle. "Vorstellbar sind allenfalls Maßnahmen im Rahmen der beschlossenen Pakete. Damit könnten wir die Schuldentragfähigkeit Griechenlands verbessern."

Für die Beschlüsse der europäischen Finanzminister erwartet Brüderle keine Kanzlermehrheit im Bundestag: "Ich gehe davon aus, dass es eine Mehrheit sein wird wie bei den vergangenen Abstimmungen über europäische Rettungspakete. Eine Kanzlerinmehrheit haben wir bei der Wahl der Kanzlerin."

Wie teuer die Rettung Griechenlands für Deutschland werde, könne derzeit niemand seriös sagen, so Brüderle. Allerdings sollten sich die Deutschen nichts vormachen. Mittelfristig werde dies "finanzielle Konsequenzen für Deutschland haben".

Einen Austritt Griechenlands schloss der Fraktionsvorsitzende nicht aus: "Griechenland entscheidet selbst, ob es in der Währungsunion bleibt oder nicht."

Die Entwicklung in Frankreich sehe er "mit großer Sorge - zumal die neue sozialistische Regierung die Weichen falsch stellt", sagte Brüderle. "Steuererhöhungen und die Rücknahme von Sozialreformen sind keine Beiträge zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit." Es sei "ein Alarmsignal", dass zwei Ratingagenturen das Land herabgestuft hätten.

Griechenland-Rettung: Schäffler fordert von Kanzlerin Ehrlichkeit

Der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler hat Bundeskanzlerin Angela Merkel zu mehr Ehrlichkeit in der Griechenland-Politik aufgerufen. "Als Politiker sollten wir unsere Wähler nicht unterschätzen oder für naiv halten", schreibt Schäffler in einem offenen Brief an die CDU-Vorsitzende in der Tageszeitung "Die Welt".

Viele Bürger spürten genau, in welch großer Gefahr sich "die demokratischen Institutionen, unser Ansehen und unser Geld befinden. Wahlerfolg muss nicht darauf beruhen, diese Sorgen in paternalistischer Art zu beschwichtigen und Informationen zurückzuhalten", mahnt Schäffler und fordert von der Kanzlerin: "Wähler vertragen klare Worte. Sie dürsten geradezu nach offenen Worten."

Konkret verlangte er das Eingeständnis, dass die Rettungspolitik in letzter Konsequenz zu einer europäischen Transfer- und Schuldenunion führen werde. Für die Bürger bedeute das: "Unsere Sparvermögen sind heute bereits massiv gefährdet! Die Renten sind nicht länger sicher!"

Die deutsche Griechenland-Politik sei gescheitert. Bei der Sanierung des griechischen Haushalts habe es keinen Erfolg gegeben. "Das Haushaltsdefizit lag 2009 bei 15,6 Prozent und soll 2012 auf knapp 7 Prozent sinken. Nicht annähernd ist Griechenland in die Nähe der Maastricht-Kriterien gerückt. Privatisiert wurde fast gar nichts", führt der FDP-Politiker aus.

Außerdem breche die Wirtschaft ein, die griechische Arbeitslosenrate steige pro Monat um einen Prozentpunkt, trotz des Schuldenschnitts im März reichten die Griechenland zugesagten Gelder nicht. Merkels Rettungsansatz leidet nach Ansicht des Liberalen an dem "fundamentalen Fehler, den unbestechlichen Konsolidierungsanreiz hoher Zinsen durch politische Vereinbarungen ersetzen zu wollen". Die Durchsetzung dieser politischen Vereinbarungen gebe der einen Partei die Rolle des Aufsehers und der anderen die des unwilligen Zöglings. "Die Kreditvergabe macht so aus guten Nachbarn Gläubiger und Schuldner. Das führt zu gegenseitigem Misstrauen", schreibt Schäffler.

Noch nie sei nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa so schlecht übereinander gesprochen worden wie seit dem Beginn der Troika-Missionen. Besonders Deutschland müsse das besorgt stimmen. "Wir werden nicht wahrgenommen als freundlicher Helfer in der Not, sondern als die treibende Kraft, die den Schuldenstaaten zum eigenen Vorteil schaden will", so Schäffler.

Sein Fazit: "Wir belügen uns also selbst, wenn wir meinen, durch Kreditvergabe zu Wohltätern zu werden." Das Gegenteil sei der Fall. "Zum Zuckerbrot verbilligter Kredite knallt die Troika-Peitsche, mit der wir zur Umsetzung der Anpassungsprogramme drängen. Diese Politik ist eine Politik der Demütigung", mahnt der FDP-Politiker. Als Alternative schlägt er der "sehr geehrten Frau Bundeskanzlerin"vor, Griechenland den Austritt aus der Euro-Zone zu "erlauben".

CDU-Finanzexperte: Troika greift massiv in Souveränität Griechenlands ein

Europa stellt Griechenland unter Kuratel. "Es wird massiv in die Souveränität des Staates eingegriffen", sagte der Finanzexperte der CDU im Europäischen Parlament, Burkhard Balz, dem Nachrichtenmagazin "Focus". Neue Vereinbarungen mit der Troika sehen vor, dass ein externer Kommissar die Kreditvergabe der griechischen Banken überwacht.

Auch soll die "Task Force" aus EU-Experten künftig mehr Kompetenzen bekommen. Balz warnte davor, den Stolz der Griechen außer Acht zu lassen: "Das kann zu einer Verschärfung der Lage führen. Von daher muss man aufpassen." Es gebe jedoch ein berechtigtes Interesse daran, den ordnungsgemäßen Einsatz gewährter Mittel zu überprüfen.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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