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Türkei: Polizei stürmt Gezi-Park

Archivmeldung vom 17.06.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 17.06.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Demonstranten im Gezi-Park am 3. Juni 2013.
Demonstranten im Gezi-Park am 3. Juni 2013.

Foto: VikiPicture
Lizenz: CC-BY-SA-3.0
Die Originaldatei ist hier zu finden.

In Istanbul hat die türkische Polizei am Samstag damit begonnen, den von Protestlern besetzten Gezi-Park zu räumen. Dabei sollen laut Augenzeugen auch Wasserwerfer und Tränengas im Einsatz gewesen sein. Die Barrikaden, die in den vergangenen zwei Wochen von den Demonstranten rund um den Park errichtet worden waren, wurden von der Polizei demnach mit einem Bagger abgetragen.

Gleichzeitig soll es auch eine Offensive am Taksim-Platz gegeben haben. Zuvor hatte Ministerpräsident Erdogan den Protestierenden noch ein Ultimatum bis Sonntag gestellt: "Entweder Sie räumen den Park, oder die Sicherheitskräfte dieses Landes werden wissen, was zu tun ist", sagte Erdogan bei einer Kundgebung vor Zehntausenden Anhängern in Ankara.

Türkische EU-Mitgliedschaft: Seehofer bleibt bei striktem Nein

Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer bleibt bei seinem strikten Nein zu einer Vollmitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union. "Wie die türkische Regierung mit den Protesten umgeht, ist für mich ein starkes Argument gegen einen Beitritt zur EU. Eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU kommt für die CSU ohnehin nicht in Betracht", sagte Seehofer der "Bild-Zeitung".

Die türkischen Sicherheitskräfte hatten am Samstagabend damit begonnen, den von Protestlern besetzten Gezi-Park in Istanbul zu räumen. Dabei sollen laut Augenzeugen auch Wasserwerfer und Tränengas im Einsatz gewesen sein. Hunderte Menschen sollen nach Angaben der Protestbewegung in der Nacht zum Sonntag verletzt worden sein.

Historiker: EU sollte mit Türkei weiter über Beitritt verhandeln

Der britische Historiker Timothy Garton Ash fordert die Europäische Union auf, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei fortzusetzen. Angesichts der Proteste auf dem Taksim-Platz und des teilweise brutalen Vorgehens der Erdogan-Regierung müsse Brüssel jetzt erst recht mit Ankara im Dialog bleiben, sagte Garton Ash dem "Tagesspiegel".

Garton Ash, der sich als Beobachter der friedlichen Revolutionen von 1989 einen Namen gemacht hat, hofft auf Staatspräsident Abdullah Gül als gemäßigten Nachfolger des Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Gül könnte das "türkische Modell" fortsetzen, das "als friedliches Zusammenspiel von Säkularismus, Islam und Demokratie" auch eine Vorbildfunktion für die arabische Welt habe. Erdogan mit seiner "neo-sultanischen Haltung" jedoch werde seinen Ruf in der Welt kaum wieder herstellen können, sagte Garton Ash.

Roth bezeichnet Gewalt-Nacht von Istanbul als "schlimmstes Erlebnis" ihres Lebens

Grünen-Chefin Claudia Roth, die die gewalttätigen Übergriffe der türkischen Sicherheitskräfte in der vergangenen Nacht im Gezi-Park aus nächster Nähe erlebt hat, hat die Geschehnisse als "schlimmstes Erlebnis" in ihrem Leben bezeichnet und die europäischen Staaten aufgefordert, enger an die demokratischen Kräfte in der Türkei heranzurücken.

"Ich habe eine Vorstellung davon bekommen, was Krieg sein kann. Wenn auf Leute geschossen wird, wenn sie gejagt werden, wenn sie mit Chemikalien im Tränengas vergiftet werden, dann hat dies alles zu tun mit einem Krieg gegen die demokratische Türkei", erklärte die Grünen-Vorsitzende im Gespräch mit dem Fernsehsender Phoenix.

Polizeikräfte seien sogar in Hotelräume eingedrungen und hätten Krankenstationen angegriffen. "Einen so gewalttätigen Angriff habe ich noch nie erlebt", so Roth. Niemand der friedlichen Demonstranten habe mit diesem Angriff rechnen können.

Als politische Konsequenz der Geschehnisse verlangte die Grünen-Politikerin eine schärfere Gangart der EU gegen den türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan, warnte aber davor, sich nunmehr von der Türkei abzuwenden. "Erdogan hat die demokratischen Menschen- und Freiheitsrechte mit Tränengas und Wasserwerfern zusammengeschlagen und zusammengeschossen. Aber das ist nicht die Türkei. Die neue Türkei ist die selbstbewusste Zivilgesellschaft", betonte Roth. Diese aufgeschlossenen und demokratischen Kräfte gelte es jetzt nachdrücklich zu unterstützen.

Wenn Europa als Folge Brücken abbaue, schade dies dem Demokratisierungsprozess. Hilfe zu leisten sei auch eine Aufgabe der mehr als 80 deutschen Städte, die Partnerschaften mit türkischen Städten pflegten und zeigen könnten, dass die Menschen dort nicht alleine stünden. Von der Bundesregierung erwartete Roth eine klare Ablehnung der Eskalation Erdogans. "Die Kanzlerin muss noch deutlichere Worte finden. Offenbar strebt der türkische Regierungschef eine gelenkte Demokratie wie sein Freund Putin in Russland an", so Roth.

Proteste in Türkei: SPD fordert Ende der Gewalt

Die SPD hat mit Blick auf die anhaltenden Proteste in der Türkei und die heftigen Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften ein Ende der Gewalt gefordert. "Die Polizei hat teils mit unverhältnismäßiger Gewalt auf die Demonstrationen reagiert - Tausende von Verletzten in den vergangenen zwei Wochen in Istanbul, Ankara und den anderen Städten, mehrere Tausend Verhaftungen, sogar Tote sind zu beklagen. Die Gewalt muss - von allen Beteiligten - beendet werden", heißt es in einer Resolution, die die Sozialdemokraten am Sonntag auf ihrem Parteikonvent in Berlin verabschiedet haben. "Die Polizei und die örtlich Verantwortlichen stehen dabei in einer besonderen Pflicht. Willkürlich Verhaftete müssen unverzüglich frei gelassen werden", fordert die SPD in ihrer Resolution.

Den Demonstrationen dürfe keine Verfolgungs- und Verhaftungswelle folgen. "Was wir zur Zeit in der Türkei beobachten, ist das Entstehen einer breit getragenen, zivilgesellschaftlichen Demokratiebewegung, die für die künftige gesellschaftliche Entwicklung kostbar und zukunftsweisend ist. Dem Wunsch der Bürgerinnen und Bürger nach mehr Mitsprache, mehr Demokratie und gesellschaftlicher Öffnung muss Gehör geschenkt werden", heißt es in der Resolution weiter.

Gewalt und Proteste in der Türkei gehen weiter

Nachdem die türkische Polizei am Samstagabend mit Gewalt den wochenlang besetzten Gezi-Park in Istanbul geräumt und dabei offenbar mehrere Hundert verletzte Demonstranten in Kauf genommen hat gehen die Proteste weiter. Auf der zum Taksim-Platz führenden Einkaufsstraße Istiklal Caddesi setzte die Polizei am Sonntag erneut Tränengas und Wasserwerfer ein, berichteten Augenzeugen.

Zuvor hatte die Polizei angekündigt, jeder Demonstrant, der zum Taksim-Platz gehe, werde als "Terrorist" angesehen. Zahlreiche Menschen setzten sich darüber hinweg, nach Zeugenaussagen sollen Demonstranten auch mit Steinen geworfen haben. Ein Reporter der ARD berichtete, rund um den Taksim-Platz spielten sich "regelrechte Hetzjagden" ab.

Gleichzeitig versammelten sich aber auch Tausende Anhänger von Ministerpräsident Erdogan. Die Türkei erlebt die heftigsten Unruhen seit Jahren. In Berlin gab es unterdessen erneut Solidaritätskundgebungen für die Protestler, die sich insbesondere in Kreuzberg und vor der türkischen Botschaft mit Plakaten wie "Taksim ist überall" versammelten.

Seehofer sieht sich bestätigt: "Türkei gehört nicht in die EU"

Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer bleibt bei seinem strikten Nein zu einer Vollmitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union. Der "Bild-Zeitung" (Montagausgabe) sagte Seehofer: "Wie die türkische Regierung mit den Protesten umgeht, ist für mich ein starkes Argument gegen einen Beitritt zur EU. Eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der EU kommt für die CSU ohnehin nicht in Betracht." Die Türkei erlebt gerade die größten Demonstrationen seit vielen Jahren. Viele Beobachter gehen davon aus, dass diese durch übermäßige Polizeigewalt ausgelöst wurden.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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