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Brüderle stellt EU-Beitrittsverhandlungen mit Türkei in Frage

Archivmeldung vom 12.06.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 12.06.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Rainer Brüderle Bild: fdp-bundestagsfraktion
Rainer Brüderle Bild: fdp-bundestagsfraktion

Angesichts der andauernden Proteste in der Türkei hat FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle die Beitrittsverhandlungen des Landes mit der EU in Frage gestellt. "Ministerpräsident Erdogan schlägt einen Weg ein, der von der EU wegführt. Das passt nicht zur Eröffnung des nächsten Kapitels der Beitrittsverhandlungen", sagte Brüderle dem "Handelsblatt" (Donnerstagausgabe).

Erdogan müsse klar sein, dass die Welt sein Agieren ganz genau beobachte. Die EU will die seit Jahren stockenden Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wieder in Schwung bringen. Die EU-Außenminister werden voraussichtlich am 26. Juni ein neues Verhandlungskapitel mit der Türkei aufschlagen - zum ersten Mal seit fast drei Jahren.

Laut Brüderle gehörten aber Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit zu den unverzichtbaren Bestandteilen der Rechtsordnung der EU. "Die Menschen vor Ort zeigen mit ihren Demonstrationen, dass sie eine modernere Türkei wollen", sagte Brüderle.

CDU-Europapolitiker Brok: Erdogan "überschreitet eine Linie"

Der CDU-Europapolitiker Elmar Brok fürchtet, dass der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan mit seinem Vorgehen gegen Demonstranten in Istanbul eine "Linie" überschritten hat. Im Deutschlandfunk erklärte der 67-Jährige, dass der demokratische Prozess in der Türkei durch Erdogans Umgang mit den Protesten gefährdet sei. "Es ist eine Frage von zu langer Regierungszeit und überbordendem Selbstbewusstsein."

Auch würde der türkische Premier trotz Reformmaßnahmen nun sehen, "dass die Bürger eine Entwicklung zu einer islamischen Türkei nicht mittragen." Es sei wichtig, die Türkei im westlichen Lager zu halten, eine Mitgliedschaft in der EU könne er aber nicht unterstützen. "Die Türkei wird am Ende des Tages, was wir mit Grundrechten, Religionsfreiheit und vieles andere ansprechen, nicht erfüllen."

SPD-Politiker Kahrs äußert scharfe Kritik an Merkels Türkei-Politik

Der Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentariergruppe des Bundestages, Johannes Kahrs (SPD), hat vor dem Hintergrund der gewaltsamen Zusammenstöße zwischen der Polizei und Gegnern der islamisch-konservativen Regierung in der Türkei scharfe Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geäußert. "Der faktische Abbruch der EU-Beitrittsgespräche vor einigen Jahren durch Angela Merkel und Nicolas Sarkozy hat dazu geführt, dass sich die Türkei anders orientiert hat", sagte Kahrs dem "Handelsblatt".

Dadurch seien die deutschen Einflussmöglichkeiten im Rahmen eines laufenden Beitrittsprozesses erheblich geschwunden. Dabei sei Deutschland immer der Anwalt der Türkei in Europa gewesen, Merkel habe das jedoch nach ihren Vorgängern Helmut Kohl und Gerhard Schröder beendet. "Die EU ist aber kein Christenclub sondern eine Wertegemeinschaft", sagte Kahrs. "Diese Werte werden durch ein laufendes EU-Beitrittsverfahren gestärkt und können von der türkischen Regierung eingefordert werden."

Der früheren Regierung Kohl wird aus dem Jahr 1997 der Satz zugeschrieben: "Die Türkei hat die Perspektive der Mitgliedschaft in der EU." Später relativiert Kohl diese Position wieder. Schröder hatte die Bindung der Türkei an die Europäische Union 2003 als im nationalen Interesse Deutschlands bezeichnet, die außerdem in der "absoluten Kontinuität" der deutschen Politik der vergangenen 40 Jahre stehe.

Kahrs zeigte sich überzeugt, dass auf "lange Sicht" dieses Verfahren die "beste Möglichkeit sei, denen zu helfen, die heute in der Türkei demonstrieren. "Niemand will die jetzige Türkei in der EU", betonte der SPD-Politiker. Kahrs sagte aber auch: "Eine Türkei, die das Beitrittsverfahren erfolgreich durchlaufen hat, wäre ein Gewinn für die EU." Die derzeitigen Proteste in Istanbul zeigten, dass das Land "vielfältiger und westlicher ist, als das viele geglaubt haben". Da kämpften viele für Demonstrationsfreiheit, Pressefreiheit und Toleranz.

Sellering: Ostdeutsche begegnen Türken unvoreingenommener

Nach einer Türkeireise hat Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschef Erwin Sellering (SPD) die Gemeinsamkeiten zwischen Ostdeutschen und Türken hervorgehoben. Ostdeutsche würden den Türken "unvoreingenommener" als Westdeutsche begegnen, sagte Sellering der Wochenzeitung "Die Zeit".

"In den westdeutschen Ländern ist das Bild der Türkei geprägt von Millionen Gastarbeitern, die dort seit Jahrzehnten leben. Das gibt es im Osten nicht", so Sellering. "Ich glaube, dass wir deshalb unbefangener sind und kein vorgefertigtes Bild von der Türkei haben. Die Ostdeutschen sind empfänglicher für das neue, enorm große Potenzial der Türkei."

Ostdeutsche und die Türken hätten jeweils Erfahrungen damit, anderen gegenüber wirtschaftlich aufschließen zu müssen. "Wir holen seit 20 Jahren auf! Das bedeutet, dass wir reden können, die Ostdeutschen und die Türken", ergänzte der 63-Jährige. "Wir verstehen uns, sehen beide unsere Aufstiegsgeschichten. Wir haben das gleiche Grundgefühl."

Auf die Frage, ob es den Ost-Ländern gut täte, wenn dort mehr Migranten lebten, sagte Sellering: "Ja! Die leider bestehenden Ressentiments mancher Leute gegenüber Ausländern rühren schlicht daher, dass sie einfach keine kennen. Das Beste, das man tun kann, ist: Mit großer Selbstverständlichkeit Menschen zusammenbringen. Ich wäre zum Beispiel froh, wenn viele Mecklenburger und Vorpommern die Möglichkeit hätten, türkische Arbeitgeber kennenzulernen. Deshalb werbe ich ja in der Türkei um Investoren."

Sellering war am 4. Juni mit einer Wirtschaftsdelegation in die Türkei gereist. Über die dortigen Demonstrationen sagte er: "Mich fasziniert, mit wie viel Ernsthaftigkeit und mit wie viel Enthusiasmus die Proteste ablaufen. Ich hoffe, dass es gelingt, die Konflikte friedlich zu lösen."

Türkischer Sozialwissenschaftler: Türkei erlebt ihre eigene 68er-Rebellion

Die Türkei erlebt nach Meinung des Sozialwissenschaftlers Serhat Karakayali derzeit ihre eigene "68er-Rebellion". Im Interview mit der Tageszeitung "Neues Deutschland" (Donnerstagausgabe) bezeichnet er die derzeitigen Proteste in Istanbul und anderen türkischen Großstädten als eine "demokratische Neuerfindung des Landes".

Die Bürger seien "nicht mehr Anhängsel des Staatsapparats". Dies erkläre auch die Heftigkeit der Proteste, die sich an geplanten Bauprojekten oder strengeren Regeln zum Verkauf von Alkohol entzündeten. Damit, so der in Duisburg geborene Wissenschaftler, habe die regierende AKP mit Premierminister Recep Tayyip Erdogan in die "Vielfalt von Lebensweisen, die sich vor allem im urbanen Raum entwickelt haben", massiv eingegriffen. Dass das in der Türkei stets mit viel Macht und Einfluss ausgestattete Militär in den aktuellen Konflikt eingreifen könnte, hält Karakayali, der sich in jüngster Zeit in Istanbul aufgehalten hat, für ausgeschlossen.

Erdogan und die AKP hätten das Militär faktisch entmachtet. Auch das symbolisiere die Dialektik der augenblicklichen Entwicklung in der Türkei. Erdogan habe mit seiner Politik zwar einerseits die Gefahr einer konservativ, islamisch geprägten Einschränkung von persönlichen Freiheiten hervorgerufen, gleichzeitig aber mit der wirtschaftlichen Liberalisierung und der Abkehr von der autoritären Staatsdoktrin des Gründers der modernen Türkei, Mustafa Kemal Atatürk, die Grundlagen für eine "nachholende Demokratisierung" der Gesellschaft geschaffen.

Westerwelle kritisiert Vorgehen der Sicherheitskräfte in Istanbul

Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat das massive Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte gegen Demonstranten auf dem Taksim-Platz in Istanbul kritisiert. Er erwarte, "dass Ministerpräsident Erdogan im Geiste europäischer Werte deeskaliert und einen konstruktiven Austausch und friedlichen Dialog einleitet", erklärte Westerwelle am Mittwoch in Berlin.

Die türkische Regierung sende mit ihrer bisherigen Reaktion auf die Proteste das falsche Signal, ins eigene Land und auch nach Europa, so der Außenminister weiter. "Die Bilder vom Taksim-Platz sind verstörend", erklärte Westerwelle. Versammlungsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung seien unveräußerliche Grundrechte in jeder Demokratie. Die Regierung in Ankara müsse alles unternehmen, damit ihre Bürger diese Rechte auch wahrnehmen können, forderte der Bundesaußenmister.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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