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Wie Südtirol fast österreichisch wurde und eine Falschmeldung für diplomatische Verwirrung sorgte

Archivmeldung vom 28.07.2018

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.07.2018 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Historisches Tirol: Nord- und Osttirol (Österreich); Südtirol und Welschtirol (Italien)
Historisches Tirol: Nord- und Osttirol (Österreich); Südtirol und Welschtirol (Italien)

Lizenz: Public domain
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Eine Falschmeldung der Tiroler Tageszeitung über einen Gesetzentwurf zu Doppelstaatsbürgerschaften für Südtiroler hat am vergangenen Wochenende für Verstimmung im österreichisch-italienischen Verhältnis gesorgt. Inzwischen hat die österreichische Regierung dementiert, berichtet das russische online Magazin "Sputnik". Doch was steckt wirklich dahinter? Und wem würde ein solches Gesetz nützen?

Dazu schreibt die deutsche Ausgabe des Magazins weiter: "Am Samstag berichtete die Tiroler Tageszeitung, sie wolle aus Regierungskreisen erfahren haben, dass in Österreich an einem Gesetzesentwurf gefeilt werde, wie die Doppelstaatsbürgerschaft für Südtirol umgesetzt werden kann. Die Zeitung nannte auch einen Termin: Bis zum 7. September sollte demnach an dem Entwurf gearbeitet werden. Anschließend sollte die Arbeitsgruppe zum dritten Mal zusammenkommen. Gegenstand sei die im Regierungsvertrag festgeschriebene Forderung der FPÖ, den Südtirolern mit deutscher oder ladinischer Muttersprache die Möglichkeit zu eröffnen, zusätzlich die österreichische Staatsbürgerschaft zu bekommen.

Diverse Zeitungen griffen die Meldung auf. In Italien meldeten sich führende Politiker zu Wort. So hieß es am Sonntag in einer Pressemitteilung des italienischen Außenministeriums, Außenminister Enzo Moavero Milanesi habe den italienischen Botschafter in Wien, Sergio Barbanti, aufgerufen, sich bei der Regierung in Wien nach den Plänen zum Doppelpass zu erkundigen. Wenn die Meldung der Tiroler Tageszeitung korrekt sei, handle es sich bei dem Gesetzesentwurf um eine „unangebrachte und grundsätzlich feindliche Initiative“, hieß es in dem Schreiben.

Die oppositionelle italienische Rechtspolitikerin Giorga Meloni, Chefin der Partei Fratelli d’Italia, soll laut „heute.at“ der eigenen Regierung vorgeworfen haben, den „diplomatischen Aggressionen“ des Nachbarlandes nicht entschieden genug zu begegnen. Dadurch werde der Weg zur Abspaltung Südtirols bereitet. Die Politikerin versprach, sich dafür einzusetzen, dass in Italien die doppelte Staatsbürgerschaft abgeschafft wird, sollte Österreich tatsächlich die Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler einführen.

Braut sich da gerade ein handfester Konflikt im Herzen Europas zusammen? Arbeitet Österreich etwa wirklich auf die Abspaltung Südtirols von Italien hin? – Nein! Noch gibt es keinen Gesetzentwurf zur Doppelstaatsbürgerschaft. Die österreichische Regierung hat dementiert, dass bis zum 7. September einer vorgelegt werden soll. Nach Einschätzung des Experten Franz Fischler, Präsident des Europäischen Alpbach-Forums, wird es einen solchen Entwurf, wenn überhaupt, frühestens nächstes Jahr geben.

„Die Verwirrung ist durch einen Bericht in der Tiroler Tageszeitung entstanden. Dieser Bericht wurde zurückgenommen, und die österreichische Regierung hat dementiert. Jetzt ist die Frage, ob überhaupt, und wenn ja, wann ein Vorschlag auf den Tisch kommt. Darüber hinaus ist ganz klar, dass die Bereitschaft, einer solchen Lösung zuzustimmen, auf italienischer Seite de facto nicht vorhanden ist. Auf der anderen Seite hat die österreichische Außenministerin erklärt, dass sie nur eine Lösung machen will im Einvernehmen mit Italien. Das heißt im Klartext: Wenn Italien nicht zustimmt, dann gibt es keine Doppelstaatsbürgerschaft.“

Doch gehen wir einen Schritt zurück: Was haben sich die Befürworter der Doppelstaatsbürgerschaft eigentlich versprochen? Was würde eine solche Regelung Österreich bringen? Und wie ist die Idee umsetzbar?

„Das, was man sich davon verspricht, ist sehr unterschiedlich. In den Regierungsvertrag ist diese Bestimmung hineingekommen auf Verlangen der Freiheitlichen Partei Österreichs. Diese wiederum hat das im Wahlkampf und bei verschiedenen Auftritten in Südtirol versprochen. Es ist auch in Südtirol so, dass diese Frage fast ausschließlich von den Südtiroler Rechtsparteien und Schützen betrieben wird. Es gibt auch in Südtirol sehr viele Leute, die dieser Sache sehr skeptisch gegenüberstehen.“, so Fischler.

Eine der Konsequenzen, die so eine Doppelstaatsbürgerschaft für einen Südtiroler hätte, wäre die Wehrpflicht. Während diese in Italien nicht gilt, könnte ein männlicher Südtiroler, wenn er österreichischer Staatsbürger wäre, zum österreichischen Bundesheer eingezogen werden. Franz Fischler bezweifelt, dass das den Südtirolern gefallen würde und sagt, es sei zum jetzigen Zeitpunkt völlig unklar, welche Vorteile eine Doppelstaatsbürgerschaft überhaupt hätte.

„Noch dazu, wo es doch die europäische Zusammenarbeit gibt und wo sich Österreich verpflichtet hat, mit Doppelstaatsbürgerschaften sehr vorsichtig umzugehen. Die Übereinkunft, die es hier gibt, müsste sogar teilweise aufgekündigt werden. Es sind also zehnmal mehr Fragen im Raum, als es mögliche Antworten gibt.“

Unklar sei neben vielen anderen offenen Rechtsfragen, wer überhaupt Anspruch auf eine österreichische Staatsbürgerschaft hätte, gibt der Experte zu bedenken.

In Italien seien es vor allem rechte Parteien, die das Thema der Doppelstaatsbürgerschaft instrumentalisieren.

„Man muss wissen: Es gibt im Oktober in Südtirol Landtagswahlen. Die Rechtsparteien Südtirols haben eigentlich in ihrem Wahlprogramm die Doppelstaatsbürgerschaft als ihren einzigen Wahlschlager. Wenn der zusammenbricht, dann sind die Aussichten bei der Wahl sehr schlecht. Daher kommt auch auf der rechten Seite eine gewisse Aufregung.“

Trotz Österreichs Dementi habe die Meldung über den angeblich in Vorbereitung befindlichen Gesetzentwurf in Italien für einige Irritation gesorgt. Das österreichisch-italienische Verhältnis sehe er dadurch aber nicht nachhaltig beschädigt, so Fischler. Dennoch sollte Österreich, gerade auch im Hinblick auf seine EU-Ratspräsidentschaft, das Thema nicht forcieren und auf Dialog setzen.

„Ich möchte die Klugheit und die Weitsicht der österreichischen Politik in dieser Frage jetzt nicht bewerten. Eines ist aber ganz offenkundig: Im Zusammenhang mit der Präsidentschaft sollte man dieses Thema nicht bringen. Man sollte es raushalten und möglichst auf kleiner Flamme spielen bzw. wieder an den Gesprächstisch zurückkehren und die Dinge ausdiskutieren.“

Das komplette Interview mit Franz Fischler zum Nachhören gibt es hier: https://soundcloud.com/sna-radio/fischler-viele-schwierige-rechtsfragen-um-doppelstaatsburgerschaft

Quelle: Sputnik (Deutschland)

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