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„Zum Kotzen …“ – deutsch-iranischer Konfliktforscher über die „Doppelmoral“ der Bundesregierung

Archivmeldung vom 05.12.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.12.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Anja Schmitt
Mohsen Fachrisadeh (2020)
Mohsen Fachrisadeh (2020)

Lizenz: CC BY 4.0
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Während das iranische Atomabkommen nach dem Anschlag auf den iranischen Atomwissenschaftler Fakhrizadeh-Mahabadi bröckelt, hält sich die Bundesregierung mit der Verurteilung der Tat zurück. Als „typische Doppelmoral“ Berlins bemängelt das der deutsch-iranische Konfliktforscher Mohssen Massarrat im SNA-Interview auf der Webseite des russichen online Magazins "Sputnik".

Weiter heißt es hierzu im Bericht von Paul Linke: "Der Außenbeauftragte der EU-Kommission, Josepp Borell, verurteilte die gewaltsame Tötung des hohen iranischen Regierungsbeamten Mohsen Fakhrizadeh-Mahabadi nahe Teheran vor einer Woche. „Dies ist eine Straftat und widerspricht dem Grundsatz der Achtung der Menschenrechte, für den die EU steht.“ Der Hohe EU-Vertreter sprach den Familienmitgliedern der Getöteten sein Beileid aus.

Auch Deutschland stehe hinter den Äußerungen des EU-Vertreters, sagte in der Bundespresskonferenz am Montag die Sprecherin des Auswärtigen Amts, Maria Adebahr, offenbar ohne die Aussage der Kommission zu kennen (sie bat Regierungssprecher Steffen Seibert um Auskunft – Anm. d. Red.). Während Borrell den Anschlag klar und deutlich verurteilt, hält sich die Bundesregierung in ihren Äußerungen mit einer direkten Verurteilung zurück. Adebahr sagte:

„Wir haben als Bundesregierung im Moment keine eigenen Erkenntnisse zum Hergang dieser Tat. Grundsätzlich lehnen wir gezielte Tötungen ab.“ Das Auswärtige Amt sei über den Anschlag „sehr beunruhigt“.

Gleichzeitig betonte sie: Die Tötung von Fakhrizadeh habe das Potenzial, „die Lage in der Region erneut und gefährlich zuzuspitzen“.

Dem iranischen Atomabkommen droht das Aus

Als Antwort auf die Tötung verabschiedete das Parlament in Teheran ein umstrittenes Gesetz über die künftige Atompolitik des Landes, das der iranischen Regierung nicht wohlbekommt. Irans Präsident Hassan Ruhani hat die Hardliner im Parlament vor einer Einmischung in die Atompolitik des Landes gewarnt. „Unsere Brüder (im Parlament) sollten keine voreiligen Entscheidungen treffen ... lasst doch diejenigen, die was von Diplomatie verstehen, die Angelegenheiten mit der notwendigen Reife, Ruhe und Aufmerksamkeit regeln“, sagte Ruhani am Donnerstag im Staatsfernsehen. Laut Ruhani sollte insbesondere das Wiener Atomabkommen von 2015 nicht Opfer interner Machtkämpfe werden.

Dem Gesetzentwurf zufolge soll die iranische Atomorganisation (AEOI) pro Jahr 120 Kilogramm 20-prozentiges Uran herstellen und lagern. Längerfristig soll dann auch der Vorrat an niedrig angereichertem Uran auf 500 Kilogramm im Monat aufgestockt und zudem sollen schnellere Zentrifugen hergestellt werden. Politisch delikat ist der im Gesetz vorgesehene Ausstieg des Irans aus dem Zusatzprotokoll der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), der dann auch den Zugang von UN-Inspekteuren beschränken oder gar verbieten würde. Bevor das Gesetz endgültig in Kraft tritt, muss Wächterrat diesem zustimmen.

Auf die Frage eines Sputnik-Journalisten an das Auswärtige Amt, welche konkreten Schritte von der Bundesregierung vor dem Hintergrund des Anschlags und dem damit zusammenhängenden neuen iranischen Atomgesetz zu erwarten sind, sagte Adebahr:

„Wir nehmen die Entwicklungen im Iran natürlich zur Kenntnis (…) Für uns, für die Partner im JCPOA (Joint Comprehensive Plan of Action - Der Gemeinsame Umfassende Aktionsplan, allgemein als iranisches Atomabkommen bekannt – Anm. d. Red.) ist es auf der anderen Seite eigentlich klar. Wir sagen von Beginn an, dass der Iran sich vollumfänglich an seine Verpflichtungen aus dem JCPOA halten muss. Und das gilt natürlich auch weiterhin. Von dieser Forderung rücken wir nicht ab und weitere Verletzungen der Wiener-Nuklearvereinbarung sind natürlich inakzeptabel und gerade nicht förderlich mit Blick darauf, dass wir in den USA vielleicht mit der neuen Regierung in eine neue Phase kommen, wo man wieder Gespräche und Dialog führen wird zum Thema Iran und den weiteren Entwicklungen dort. Insofern hoffen wir und möchten zuversichtlich sein, dass man zukünftig über die Zukunft des JCPOA und des Nuklearabkommens wird sprechen dürfen. Aber das ist ganz klar, natürlich muss der Iran seinen Teil dazu beitragen und auch Vertrauen dort aufbauen und eben nicht weiter zerstören“, so die Sprecherin.

Massarrat: „Typisch für die Doppelmoral“

Der deutsch-iranische Konfliktforscher Mohssen Massarrat bemängelt die Haltung Berlins.

„Das muss ich leider so sagen: Es ist zum Kotzen, mit welcher Doppelmoral die Bundesregierung mit diesen Ereignissen umgeht. Ich habe keine Erklärung dafür und verurteile diese Haltung, die ich nicht verstehe.“

Während Berlin massiv gegen die mutmaßliche Vergiftung von dem russischen Blogger Alexej Nawalny vorgehe, obgleich Belege mindestens fragwürdig seien, vermisst der Politologe vergleichbare Reaktionen aus Berlin gegen ein Ereignis, das „völkerrechtswidrig ist, das jede Norm der Humanität verletzt“.

„Ein Wissenschaftler wird ermordet, auch wenn es ein Atomwissenschaftler ist. Ich bin sehr kritisch gegenüber dem iranischen Atomprogramm. Aber wenn ein Mensch, ein Wissenschaftler deswegen ermordet wird, dann müsste jede Regierung mit dem geringsten Anstand sich äußern, Beileidsbekundungen schicken, protestieren, gegen das völkerrechtliche Verhalten einer Regierung, wer auch immer dahintersteckt. Diese muss man ja nicht konkret benennen. Aber man muss das viel deutlicher verurteilen und weitere Schritte einleiten, den UN-Sicherheitsrat bitten, in der Sache tätig zu werden, eine Resolution einbringen.“ All das sei jedoch nicht geschehen, kritisiert der emeritierte Professor für Politik und Wirtschaft der Universität Osnabrück.

Massarrat wurde im Iran geboren und lebt seit 1961 in Deutschland. Seit 2002 ist er Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats von „Attac Deutschland“.

Deutschlands Chance für außenpolitische Selbstständigkeit

Die Bundesregierung und die Europäische Union würden ihre „enormen Möglichkeiten als Vermittler in dem Konflikt“ verkennen, bedauert der 78-Jährige. Deutschland und die EU hätten hier eine weitere Chance, ihre eigene außenpolitische Selbstständigkeit unter beweiszustellen. „Das wäre ein Beweis wenigsten für den Versuch einer Selbständigkeit gegenüber den USA. Und nicht die weitere Aufrüstung und eine weitere Steigerung des Militärhaushalts. Das wäre doch lächerlich, durch Aufrüstung die Selbstständigkeit gegenüber den USA herstellen zu wollen. Dadurch wird die Abhängigkeit noch stärker durch die Importe der Rüstungsgüter aus den USA“, beklagt der Politikwissenschaftler.

Eine vermittelnde Rolle Deutschlands würde seiner Ansicht nach eine Selbstständigkeit demonstrieren in einer Region, die für Europa brandgefährlich, aber auch besonders nützlich sei, „wenn friedliche Beziehungen herrschen“, so Massarrat. „Man würde einen Weg gehen, der ganz und gar im europäischen Interesse ist in Bezug auf Energieversorgung, in Bezug auf Stabilität in der Region und Ausbau des Handels, aber auch in Bezug auf Klimapolitik. Hier wäre die Möglichkeit geboten, dass die EU mit den OPEC-Staaten mit den Mittelost-Staaten in Verhandlungen tritt und miterreicht, dass die Ölstaaten allmählich anfangen, ihre Produktion zu drosseln. Das wäre der eigentliche Weg, umzu erreichen.“

Für Europa stehe eine Menge auf dem Spiel, warnt der Friedensforscher. „Aber die Europäer und die Deutschen sind meiner Ansicht nach so verblendet und im Zugzwang innerhalb der transatlantischen Beziehungen, dass sie nicht in der Lage sind, ihre Interessen, die auf dem Spiel stehen, in Bezug auf den Mittleren- und Nahen Osten zu erkennen.“

Die Ermordung

Der bekannte iranische Atomphysiker und Raketenexperte Mohsen Fakhrizadeh-Mahabadi war am Freitag infolge eines Anschlags nahe der Hauptstadt Teheran ums Leben gekommen. Der 63-jährige Wissenschaftler war der Leiter der Forschungs- und Innovationsabteilung des iranischen Verteidigungsministeriums. Ihm wird auch eine zentrale Rolle in dem 2003 eingestellten Atomwaffenprogramm der Islamischen Republik nachgesagt.

Das iranische Verteidigungsministerium bezeichnete den Angriff auf Fakhrizadeh-Mahabadi als Terrorakt. Der iranische Außenminister, Mohammed Dschawad Sarif, machte Israel mitverantwortlich für die Tat. "

Quelle: Sputnik Deutschland

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