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Afghanistan: Auch politische und wirtschaftliche Situation des Landes ist desaströs

Archivmeldung vom 01.12.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.12.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Ein alter Mann verkauft Mantu, tortelliniartige Teigtaschen auf dem Bazar in Baharak. Bild: Bundeswehr/Stollberg/Martin Stollberg
Ein alter Mann verkauft Mantu, tortelliniartige Teigtaschen auf dem Bazar in Baharak. Bild: Bundeswehr/Stollberg/Martin Stollberg

Neben der fragilen militärischen Lage ist auch die politische und wirtschaftliche Situation in Afghanistan geradezu desaströs. Die herrschende Elite des Landes ist nicht in der Lage, die Situation aus eigenen Kräften zu verbessern und auch die Trends in den Nachbarstaaten sind anhaltend negativ. Zu dieser Einschätzung kommt der aktuelle Bertelsmann Transformation Index (BTI), eine Vergleichsuntersuchung von weltweit 128 Transformationsstaa­ten, der in dieser Woche veröffentlicht worden ist.

Danach ist Afghanistan bei der Bewertung sei­ner politischen und wirtschaftlichen Entwicklung auf Rang 124 zurückgefallen. Im Management-Index, der die jeweiligen Regierungsleistungen misst, stürzte das Land im Vergleich zum BTI 2006 um 44 Plätze auf Rang 105 ab.

Während die Weltöffentlichkeit heute Nacht die Pläne von Präsident Obama über die Aufstockung von Truppen und Abzugspläne verfolgen wird, verweisen die gestern veröffentlichten Zahlen der Bertelsmann Stiftung vor allem auch auf die prekäre Situation der Zivilgesellschaft des Landes und in den Nachbarstaaten. Danach ist die Funktionsfähigkeit der demokratischen Institutionen nach wie vor durch die gravierenden Probleme bei der Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols des afghanischen Staates stark eingeschränkt. Armee und Polizei sind nicht in der Lage, den Re­gierungsanspruch der staatlichen Organe im ganzen Land durchzusetzen. Trotz der massiven Präsenz ausländischer Soldaten im Rahmen der Internationalen Schutztruppe für Afghanistan (ISAF) hat sich die Sicherheitslage in den letzten Jahren verschlechtert. Noch gravierender sind jedoch die Rückschritte im Bereich der politischen Beteiligung, der Rechtsstaatlichkeit sowie der politischen und sozialen Integration der Bevölkerung.

"Bei der Suche einer erfolgreichen Strategie für Afghanistan darf nicht länger vorrangig die militäri­sche Situation im Fokus stehen", sagte Dr. Gunter Thielen, Vorstandsvorsitzender der Bertels­mann Stiftung. "Auch die Situation in der gesamten Region muss berücksichtigt werden. Bei der bevorstehenden Afghanistan-Konferenz in London sollten alle Fakten und Zahlen auf den Tisch. Die Daten, die der BTI dafür bietet, sind allerdings bislang wenig ermutigend."

Wie das detaillierte BTI-Ländergutachten für Afghanistan ausführt, konnten sich die nach dem Sturz der Talibanregierung eingeführten demokratischen Institutionen in den letzten Jahren nicht festigen. Sie wurden durch die zweifelhafte Qualität der diesjährigen Präsidentschaftswahlen noch weiter geschwächt. Die Unfähigkeit zur Sicherung der öffentlichen Ordnung, schlechte Regie­rungsführung und Korruption führen zu einer zunehmenden Frustration in der Bevölkerung und verringern das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Staates. Mittlerweile werden die Taliban vor dem Hintergrund dieses Regierungsversagens von Teilen der Bevölkerung als Befreier gegen Be­satzungsmächte angesehen. Hier macht sich besonders empfindlich bemerkbar, dass funktionsfä­hige Vermittlungsmechanismen zwischen Gesellschaft und Politik fehlen, denn Parteien und zivil­gesellschaftliche Organisationen sind schwach.

Nach Jahrzehnten von Krieg, militärischer Intervention und Bürgerkrieg bleibt auch die afghanische Wirtschaft stark unterentwickelt. Armut und Not sind für einen großen Teil der Bevölkerung noch immer alltäglich. Ungeachtet der enormen ausländischen Hilfszahlungen leidet der Staat weiterhin unter drastischer Ressourcenarmut. Weiterhin wird ein Großteil der Wirtschaftsleistung im so ge­nannten informellen Sektor erbracht und trägt somit nichts zum staatlichen Steueraufkommen bei. Dagegen stammen rund 90 Prozent des weltweit produzierten Heroins aus Afghanistan. Niedrige Lohn- und Qualifizierungsniveaus befördern die Korruption auf allen Ebenen von Politik und Ver­waltung. Bestehende Gesetze gegen Amtsmissbrauch und Vorteilsnahme sowie die Einrichtung einer Kommission zur Korruptionsbekämpfung sind bislang praktisch bedeutungslos.

Ein düsteres Bild zeigt auch ein Blick des Bertelsmann Transformation Index auf die Situation in die Nachbarländer Afghanistans. Dabei wird deutlich, dass der Trend in Afghanistan als regionales Phänomen gesehen werden muss. Für die ohnehin fragile Region verzeichnet der Index in den vergangenen Jahren weitere Rückschritte. So wurden auch die unmittelbar angrenzenden zentral­asiatischen Staaten sehr schlecht bewertet: Turkmenistan auf Rang 115, Tadschikistan auf Platz 118 und Usbekistan auf Rang 120. Der benachbarte Iran erreichte im Index gerade einmal Rang 111 und auch Pakistan trotz einigen Verbesserungen lediglich Rang 106. In allen diesen Staaten haben sich die Menschenrechtslage sowie die Möglichkeiten der Bevölkerung zur politischen und wirtschaftlichen Teilhabe weiter verschlechtert. Eine klanbasierte Regierungsführung, grassierende Korruption und ethnische Zerklüftung sorgen für wachsende Unzufriedenheit innerhalb der Bevöl­kerung, der die politischen Eliten mit zunehmenden Repressionen begegnen. Die gesamte Region bleibt in der Bewertung des Bertelsmann Transformation Index ein Herd der Instabilität, der weit über Afghanistan hinausgeht.

Quelle: Bertelsmann Stiftung

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