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Linkspartei hält "Riesenerfolg" gegen die EZB in Karlsruhe für möglich

Archivmeldung vom 10.06.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.06.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Jens Kemle / pixelio.de
Bild: Jens Kemle / pixelio.de

Die Vize-Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sarah Wagenknecht, rechnet sich gute Erfolgsaussichten für die Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts zum Aufkauf der Anleihen kriselnder Eurostaaten durch die Europäische Zentralbank (EZB) aus. "Ich spüre Rückenwind für unsere Klagen. Überall wachsen die Zweifel an der zerstörerischen Idee, erst Banken mit Steuergeld zu retten und dann den Steuerzahlern die Kosten aufzubrummen", sagte Wagenknecht "Handelsblatt-Online".

Wagenknecht nahm dabei Bezug auf die selbstkritische Analyse des Internationalen Währungsfonds (IWF) zur Griechenland-Rettung. "Der IWF hat gerade erst offen gesagt, dass dieser Kurs erstens falsch, zweitens unnötig teuer und drittens niemals alternativlos war, wie (Kanzlerin Angela) Merkel immer behauptet hat." Und selbst der ehemalige Verfassungsrechtler Udo di Fabio habe "substanzielle Zweifel daran, dass die Notenbanken sich im Rahmen des Grundgesetzes bewegen". Es müsse vielmehr ein substanzielles Abweichen von Merkels Kurs geben, "sonst bröckelt der Euro von mehreren Seiten weg, und das zu verhindern wird jeden Tag schwerer". "Es geht in Karlsruhe nicht um Sekt oder Selters", unterstrich Wagenknecht.

"Wir wären schon zufrieden, wenn das Verfassungsgericht demokratische Hürden aufstellt", fügte die Linksfraktionsvize hinzu. "Sollte Karlsruhe festlegen, dass EZB und Bundesbank nur noch unter strenger Kontrolle der Parlamente Wechsel auf Kosten der Steuerzahler ausstellen dürfen, wäre das ein Riesenerfolg."

Am Dienstag und Mittwoch will sich das Verfassungsgericht in einer mündlichen Verhandlung mit der Frage beschäftigen, ob die angekündigten Staatsanleihenkäufe mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Verfassungsrechtler rechnen damit, dass das Gericht dem Anleihenkaufprogramm Grenzen aufzeigen wird.

Gauweiler kritisiert EZB als "unkontrollierte Macht"

Kurz vor der an diesem Dienstag beginnenden Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts hat der Euro-Skeptiker und Beschwerdeführer Peter Gauweiler seine Kritik am Kurs der Europäischen Zentralbank (EZB) und deren Präsidenten Mario Draghi verschärft. In einem Interview mit dem "Handelsblatt" sagte Gauweiler, mit ihrem Programm zum unbegrenzten Aufkauf von Staatsanleihen schwinge sich die EZB zu einer "unkontrollierte Macht" auf. Dafür dürften die Europäer "in der schönen neuen Huxley-Welt der unbegrenzten Kredite leben". In dieser Welt werde Geld "nicht erarbeitet, sondern gedruckt".

Im EZB-Rat würden die Entscheidungen fast immer "gegen den Vertreter der Bundesbank und damit gegen Deutschland fallen", das aber mit 27 Prozent größter Anteilseigner der EZB sei, rügte der CSU-Politiker. Gauweiler sieht für seine Klageerweiterung gegen die Anleihekäufe als Form der "direkten Staatsfinanzierung" gute Chancen. Die EZB habe mit ihrem "Outright Monetary Transactions" Programm (OMT) einen "Super-Rettungsschirm" geschaffen, der "völlig unbeeindruckt vom Verfahren vor dem Verfassungsgericht" sei. Daran zeige sich, "wie losgelöst von der deutschen Verfassung und dem Parlament die Euroretter agieren".

Gauweiler verglich die Beruhigung an den Finanzmärkten durch zusätzliche Gelder der EZB mit dem verhalten von Drogenabhängigen. "Das haben doch Drogensüchtige so an sich, dass sie nach ‚neuem‘ Stoff ruhiger werden. Hauptsache, Griechenland verschuldet sich weiter", sagte er. Die Signale für Anleihekäufe seitens der EZB seien: "Egal, was das Staatspapier real wert ist, wir von der EZB kaufen alles. Und die Eigentümer der EZB haften dafür."

Allerdings erkennt Gauweiler in der Haltung des Karlsruher Verfassungsgerichts bereits eine Veränderung. So folge die "Gliederung für der Tagesordnung der Verhandlung am Dienstag unserer Argumentation". Die Richter hätten den Vortrag der Beschwerdeführer, "dass Anleihekäufe kein Mittel der Geldpolitik sind, sondern der Staatsfinanzierung dienen, aufgenommen". Deshalb würden die Richter jetzt "die Auswirkungen des Programms auf das Budgetrecht und die haushaltspolitische Verantwortung des Bundestags prüfen".

EZB-Präsident Draghi wurde von Gauweiler wegen seines Nichterscheinens vor dem Verfassungsgericht kritisiert: "Herr Draghi drückt mit seiner Abstinenz nicht gerade Respekt vor Deutschland und seinen Institutionen aus."

Gauweiler vermutet, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel "insgeheim um den Nutzen unseres Kampfes vor Gericht weiß". Tatsächlich sei Karlsruhe "die letzte Sicherung, dass unsere Deiche gegen die Schuldenflut nicht brechen". Von daher denke er, "dass Frau Merkel mich in ihre abendlichen Gebete einschließt. Ab und zu wenigstens".

Ökonomen halten EZB-Selbstbeschränkung gegenüber Verfassungsgericht für wenig glaubwürdig

Ökonomen halten die vermeintliche Selbstbeschränkung der Europäischen Zentralbank (EZB) beim Anleihenkaufprogramm OMT für wenig glaubwürdig. Die EZB hatte in ihrer Stellungnahme für das Bundesverfassungsgericht vorgerechnet, dass der Bestand an Anleihen, die für das Programm infrage kommen, begrenzt sei. "OMT scheint hier gezielt kleingeredet zu werden", sagte Jörg Krämer, Chefökonom der Commerzbank, der Tageszeitung "Die Welt". Vielmehr sei das Programm bewusst als unbegrenzt angekündigt worden und auch so zu verstehen. Maximal 143 Milliarden Euro könnte die Zentralbank in spanische Staatsanleihen stecken, heißt es in der EZB-Stellungnahme, im Falle Italiens wären es demnach 343 Milliarden Euro. Die Zahlen ergäben sich aus der Beschränkung von OMT auf Papiere mit ein bis drei Jahren Laufzeit. Volkswirte halten diese Rechnung jedoch für eher irreführend. "Der Verweis auf den Bestand an ein- bis dreijährigen Anleihen ist nicht geeignet, den Eindruck zu erwecken, das OMT-Programm sei nicht groß", sagt Krämer.

Für zutreffend halten die Fachleute dagegen das Verständnis an den Finanzmärkten, wo OMT seit Monaten als unbegrenztes Programm verstanden wird. "Mario Draghi hat vor einem Jahr versprochen, dass die EZB bereit sei, alles zu tun, was nötig ist, um den Euro-Raum zu stützen. Und tatsächlich hat das OMT-Programm de facto kein Limit nach oben", sagt Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank. Das Anleihevolumen, das die EZB in ihrer Stellungnahme nennt, beziehe sich auf bereits aufgelegte Bonds. "Es steht den Euro-Ländern aber jederzeit frei, neue Anleihen mit kurzer Laufzeit auszugeben, die die EZB dann am Sekundärmarkt aufkaufen kann. Die Munition für OMT lässt sich auf diese Weise ganz einfach aufstocken." Zwar versichert die EZB, sie werde den Markt für Staatsanleihen intensiv beobachten und "ihre Strategie anpassen", falls die Länder plötzlich gezielt Kurzläufer auflegen sollten. Dies sei jedoch eine äußerst vage Aussage, bemerkt Commerzbank-Ökonom Krämer.

Dazu kommt ein weiterer denkbarer Weg, um die vermeintlich so fixe Obergrenze für die Anleihenkäufe zu umgehen. "Die EZB hat bei der Vorstellung der Details zum OMT nicht ausgeschlossen, auch Anleihen mit mehr als drei Jahren Restlaufzeit zu kaufen", sagt Krämer. Tatsächlich heißt es in der entsprechenden Erklärung vom September 2012 lediglich, man wolle sich auf die ein- bis dreijährigen Papiere "fokussieren". Das lässt nach Lesart von EZB-Beobachtern durchaus Interpretationsspielraum, falls ein Staat tatsächlich mit dem Rücken zur Wand stehe.

"Das OMT ist bewusst ein bisschen schwammig gehalten, da die größte Wirkung eine psychologische ist und auch immer sein sollte", sagt Carsten Brzeski, Chefökonom von ING-Diba. Er verweist darauf, dass es auch Monate nach dem Beschluss des EZB-Rats noch kein formales Rechtsdokument zu dem Programm gebe, das die Bedingungen detailliert festschreibe. "Die EZB will mit dem OMT der Fantasie der Märkte deutlich keine Grenzen setzen." Unter Investoren haben Äußerungen der EZB über tatsächliche oder vermeintliche Grenzen von OMT bisher nicht für Unruhe gesorgt. Für DZ-Bank-Ökonom Bielmeier ist dieses Verhalten nur logisch: "Wie viel am Ende tatsächlich nötig sein wird, hängt ganz davon ab, welche Länder künftig noch einmal Hilfe benötigen und wie groß die Ansteckungseffekte dann eingeschätzt werden. Zum jetzigen Zeitpunkt interpretieren die Finanzmärkte OMT aber folgerichtig als mächtiges und nahezu unlimitiertes Instrument der EZB", so der Experte. "Die Karlsruher Richter werden das in ihrer Entscheidung sicher berücksichtigen."

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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