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Kanzlerin Merkel verschenkt Friedenslösung im Ukraine-Konflikt

Archivmeldung vom 13.01.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.01.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Ukraine: Damaged building in Torez, 6 August 2014
Ukraine: Damaged building in Torez, 6 August 2014

Foto: Natuur12
Lizenz: CC-BY-3.0
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„Bundeskanzlerin Angela Merkel fordert die Umsetzung des Minsker Abkommens, bevor eine Aufhebung der Russland-Sanktionen möglich ist…“ So lauten die aktuellen Presseverlautbarungen für Deutschland, Europa und die Welt. Gleichzeitig sagt Frau Merkel frische Milliarden Finanzhilfe für die Ukraine zu. Die freie Journalistin Beate Taufer fragt in ihrem Bericht: Was bedeutet diese deutsche Außenpolitik im Klartext? – Die deutschen und europäischen Steuerzahler müssen einen Krieg finanzieren, der in jeder Hinsicht ungerechtfertigt ist.

Julia Timoschenko und Angela Merkel (2011)
Julia Timoschenko und Angela Merkel (2011)

Foto: Flickr upload bot
Lizenz: CC-BY-2.0
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Taufer weiter: "Während überall in Europa Sozialprogramme zusammengestrichen werden, macht man weitere Milliarden für die Ukraine locker. Der Krieg hat das marode Land bislang über 5 Milliarden Dollar gekostet; davon sind etwa 20% durch Korruption im ukrainischen Verteidigungsministerium abhanden gekommen. Wer zahlt das? (1)

Präsident Poroschenko verfügt über ein persönliches Vermögen von rund. fünf Milliarden Dollar, weitere Oligarchen weisen einen noch höheren Kontostand auf.(2) Würden sie zusammenlegen, wäre das Defizit der ukrainischen Staatskasse weitgehend behoben. Doch niemand fordert die Herren auf, ihr außer Landes gebrachtes, geraubtes Geld wieder zurückzugeben. (An dieser Stelle sollten wir der ukrainischen Beauftragten zur Korruptionsbekämpfung gedenken, die im Mai 2014 nach Presseberichten „Selbstmord“ beging.)

Die schlimmste Botschaft lautet: Der Krieg soll nicht beendet werden!

Als Bedingung für weitere Milliardengaben nach Kiew könnte die Kanzlerin den sofortigen Rückzug der ukrainischen Truppen in die Kasernen fordern – und auch durchsetzen. Wenn diese Truppen heimkehren, ist der Krieg zu Ende. Alle Seiten würden die Waffen niederlegen. Wozu dann noch weiterkämpfen? Warum wirft Frau Merkel nicht ihr ganzes politisches Gewicht in die Waagschale, um das Töten in der Ostukraine zu beenden?

Dabei liegt ein realistisches Lösungskonzept, das in den Verhandlungen von Minsk weitgehend entwickelt wurde, bereits auf dem Tisch. Warum wird die Einhaltung dieser Vereinbarung nur einseitig von Russland gefordert? Es geht unter anderem um einen Sonderstatus des Donbass: Einen Autonomiestatus unter Sicherheitsgarantien für die gesamte Bevölkerung, die Respektierung der russischen Sprache.... – doch alles im Rahmen des Staatsgebietes der Ukraine.(3) Die Separatisten wollten einen unabhängigen Staat, mussten sich in Minsk jedoch dem Druck Russlands fügen. Warum konnte das Parlament in Kiew dann den Sonderstatus nicht definitiv akzeptieren, anstatt ihn auf drei Jahre zu befristen? Damit wurde die Minsker Vereinbarung als dauerhafte Lösung von vorn herein abgelehnt. Hier hätten die europäischen Regierungschefs – allen voran Kanzlerin Merkel – Kritik anbringen müssen. Nichts dergleichen ist geschehen.

Der Gewöhnungseffekt reduzierter politischer Vorgaben

Stattdessen will man uns Glauben machen, dass ein provisorischer und äußerst fragiler Waffenstillstand entlang einer Demarkationslinie das Höchste an vorstellbaren Friedenslösungen sein soll. Bei weiterer Truppenpräsenz, bei Aufrechterhaltung eines Belagerungsgürtels um die Ost-Region, unter Beibehaltung einer Unsicherheits- und Spannungssituation, die unkalkulierbar und höchst gefährlich ist für den Weltfrieden. Seit Oktober wird auch der Einsatz der Bundeswehr in der Ukraine geprüft – zur „Unterstützung“ der OSZE-Überwachung. Eine weitere Eskalationsstufe.(4) Das alles wäre überflüssig, wenn die Truppen in ihre Kasernen zurückkehren würden.

Nach meinem Dafürhalten handelt Frau Merkel inzwischen nicht mehr aus kluger Abwägung oder taktischer Ambivalenz, sondern dezidiert im Sinne der Militarisierung. Das müssen wir begreifen. Dem Handlungsspielraum von Außenminister Steinmeier, der Hoffnung auf eine Rückkehr zur Politik des „gerechten Interessenausgleichs“ zwischen Ost und West, geht, objektiv betrachtet, die Luft aus.

Wozu noch eine weitere Truppenpräsenz?

Warum also wird nicht der definitive Rückzug der ukrainischen Truppen in ihre Kasernen gefordert? Haben wir uns inzwischen schon an den Gedanken gewöhnt, dass es normal sein soll, wenn eine Regierung ihre eigenen Bürger zu Tausenden umbringen lässt? Seit dem ersten in Minsk vereinbarten Waffenstillstand stieg nach UNO-Berichten die Zahl der ermordeten Zivilisten von etwa 3.500 auf 4.700. Dies konnte nur durch Bombardierung und Artilleriebeschuss von Wohngebieten geschehen, die übrigens auch in den OSZE-Tagesberichten registriert sind. (5) Haben Kanzlerin Merkel und die anderen europäischen Regierungschefs jemals Herrn Poroschenko öffentlich aufgefordert, den Minsker Waffenstillstand einzuhalten? Sie wäre dazu verpflichtet.

Was würde denn passieren, wenn sich die Truppen zurückziehen? Würde der russische Bär Kiew überfallen? Nein, das ist lächerlich. Man kann doch nicht allen ernstes behaupten, dass die im Grunde kriegsmüden und schlecht ausgerüsteten ukrainischen Soldaten ein Bollwerk gegen die russische Armee darstellen – falls Russland diese Absicht hätte. Was ist also der Grund der weiteren Truppenpräsenz? Was ist noch ihre Funktion? Etwa die Befürchtung, die Separatisten würden vorrücken und Landstriche des Donbass „besetzen“, um ihre autonome Zone zu erweitern? Nein, im Rahmen eines Friedensabkommens wären solche Überlegungen völlig unnötig!

Wer Frieden will, muss ohne Für und Wider dafür einstehen

Die Grenzlinien dieses „autonomen Bundeslandes“ müssen bereits in der Verhandlungslösung definiert werden – allerdings unter demografischen, wirtschaftlichen oder infrastrukturellen Gesichtspunkten und nicht unter militärstrategischen. Das Konzept eines Autonomiestatus für eine Region beinhaltet, dass diese überlebensfähig sein muss und in freiem Austausch bestmöglich mit den anderen Regionen des Landes zusammenarbeiten kann, zum Wohle der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung des gesamten Staates. Letztlich in der Hoffnung, dass ein andauernder Friede die Wunden heilt und die Trennungen mit der Zeit überwunden werden. Auf der Grundlage einer dergestalt grundlegenden Umorientierung ist keine Truppenpräsenz mehr notwendig, sondern nur hinderlich. Hier zeigt sich, wer wirklich willens und in der Lage ist, eine solche Friedenslösung zu akzeptieren – oder wer nach wie vor unter rein militärischem Denken um jeden Fußbreit Boden ringt.

Wir haben es also mit zwei völlig verschiedene Konzepten zu tun, die ein gänzlich unterschiedliches Denken erfordern. Das weiß natürlich auch Frau Merkel, und wenn sie von der ukrainischen Regierung keine solche Friedenslösung einfordert, heißt das, dass sie selbst die Fortsetzung des Krieges will – oder wollen muss. Hier müsste sie endlich klar Stellung beziehen und damit aufhören, zusammen mit Herrn Poroschenko auf immer neuen Gipfeltreffen eine politische Lösung scheitern zu lassen, um den Anschein zu erwecken, als ob alleine Russland daran die Schuld zu tragen hätte. Es ist unseriös, Dialogbereitschaft zu proklamieren, solange echter Friedenswille nur vorgetäuscht wird. Das derzeitige Verhalten des Westens im Ukraine-Konflikt lässt nicht erkennen, dass von dieser Seite eine schnelle und dauerhafte Lösung der Probleme angestrebt wird. Die Mächtigen in Europa – und damit in vorderster Linie natürlich die deutsche Kanzlerin – müssen ihre Bürger fragen, ob sie diesen Krieg wollen. Das Ergebnis einer solchen Befragung dürfte eindeutig sein.

Schwerer Verstoß gegen die KSZE-Schlussakte von 1975

Zum Schluss der Hinweis, dass die Entsendung von Truppen in die Ost-Ukraine seitens der Regierung von Kiew ein schwerer Verstoß der KSZE Schlussakte von 1975 darstellt. Dieser Verstoß – mit tausendfacher Todesfolge von Zivilisten – besteht in der Missachtung des Gewaltverzichts, den die Schlussakte auch bei innerstaatlichen Konflikten fordert. Vor dem Einsatz militärischer Gewalt muss eine Etappe der Verhandlungslösung eingehalten werden. Anstatt zuerst einen Verhandlungstisch einzuberufen und eine Kompromisslösung zu suchen, entsandte die ukrainische Regierungsie sofort nach der Volksabstimmung im Donbass Panzer und schwerbewaffnete Truppen in die Unabhängigkeitsregion. Eine Woche später wurden Städte bombardiert. (6)

War das notwendig? Die Antwort ist: Nein! Die Verhandlungslösung der Minsker Abkommen hätte am Anfang einer militärischen Etappe stehen müssen und nicht an deren Ende. Zufall?"

Datenbasis:

(1) http://www.tagesschau.de/ausland/ukraine-unter-kleptokratie-verdacht-101.html ; „Günstlingswirtschaft in der Ukraine – Die Macht der Oligarchen.“

(2) http://www.zeit.de/wirtschaft/2014-02/ukraine-janukowitsch-oligarchen-reiche ZEIT-online: „Oligarchen, die heimlichen Herrscher der Ukraine.“

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/clan-um-janukowitsch-der-geheime-reichtum-der-ukrainischen-oligarchen

(3) http://www.tagesschau.de/ausland/minsk-abkommen-103.html 

Das Abkommen von Minsk, 13.11.2014

(4) http://de.reuters.com/article/idDEKCN0HT0F120141004 

Regierungskreise - Deutschland prüft Bundeswehreinsatz in Ukraine

( 5) http://www.osce.org/ukraine-smm/daily-updates

(6) http://www.bpb.de/internationales/europa/ukraine/196781/dokumentation-regierung-verantwortlich-fuer-streubomben-angriffe

Quelle: Textbeitrag von Beate Taufer

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