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DIW-Experte: Instrumente zur EFSF-Hebelung gefährden Deutschlands Top-Bonität

Archivmeldung vom 29.10.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.10.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Wilhelmine Wulff / pixelio.de
Bild: Wilhelmine Wulff / pixelio.de

Der Inhaber des Lehrstuhls für Makroökonomik an der Universität Duisburg-Essen und Forschungsdirektor Internationale Makroökonomie am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Ansgar Belke, sieht in den neuen Instrumenten zur Hebelung des Euro-Rettungsschirms EFSF eine Gefahr für Deutschlands Top-Bonität. Mit den auf dem jüngsten EU-Gipfel beschlossenen Modellen steige das Verlustrisiko trotz gleich bleibendem Haftungsanteils Deutschlands durch die Hebelwirkung, sagte er im Interview mit "Handelsblatt-Online".

"Denn die Hebelung dient ja letztlich dem Zweck, mit dem bestehenden Kapital- und Bürgschaftsrahmen ein Mehrfaches an Nominalvolumen absichern zu können. Damit geht aber auch einher, dass das damit zu übernehmende Risiko für die Garantiegeber vervielfacht wird", sagte Belke. "Das würde den Risikogehalt der jetzt zur Abstimmung stehenden erhöhten deutschen Beteiligung am EFSF massiv erhöhen und kann letztlich die Bonität Deutschlands und die Feuerkraft sowie Existenz der EFSF insgesamt gefährden."

Belke warnte, je mehr der EFSF ausgedehnt werde, desto größer sei das Risiko für die Länder, die für den EFSF garantieren. "Die auf den ersten Blick so charmante und harmlos verklausulierte Idee der EFSF-Hebelung läuft damit den Interessen Deutschlands und der Stabilisierung der Euro-Zone zuwider", sagte der Ökonom und fügte hinzu: "Der Hilfsfonds wäre außerdem ein Endlager für riskante Anleihen." Denn während private Investoren bei einer möglichen Staatspleite immer einen Teil ihres Geldes zurückerhielten, würden die Bürger immer zur Kasse gebeten. "Die Gefahr dabei ist, dass die Anleihen hoch verschuldeter Staaten durch die EFSF-Absicherung attraktiver werden", gab Belke zu bedenken. Das helfe zwar kurzfristig. Auf lange Sicht weckt es aber Begehrlichkeiten. "Die klammen Euro-Staaten werden Druck aufbauen, diese Einrichtung zur Dauerlösung zu machen", so Belke. "Der Hebel droht, zum Einstieg in die endgültige Vergemeinschaftung der Staatsschulden in Europa zu werden."

Wirtschaftsforscher: Schlüssel zur Stabilität des Euros liegt in Italien

Nach Einschätzung von Ansgar Belke ist auch nach dem EU-Gipfel zur Schulden- und Bankenkrise ein Kollaps Italiens nicht ausgeschlossen. Dass sich Italien zu weiteren Reformen bereit erklärt habe, werde die Märkte "nicht durchweg" überzeugen, selbst dann nicht, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) weiter uneingeschränkt für Staatsanleihekäufe bereitstehen sollte, sagte er dem "Handelsblatt-Online". "Schließlich ist fraglich, ob eine mögliche neue Regierung in Italien den Selbstverpflichtungen der Berlusconi-Regierung überhaupt glaubwürdig nachkommen wird", sagte Belke.

Italien sei zwar wie Spanien ein Land mit ordentlichen Fundamentaldaten. Die dortigen Reformbemühungen wirkten jedoch insgesamt "glaubwürdiger". Belke misst daher dem Abbau der horrenden Staatsverschuldung Italiens große Bedeutung auch für die Zukunft der Euro-Zone bei. "Der Schlüssel zur Stabilität des Euros liegt gegenwärtig in der Fähigkeit Italiens, die versprochenen Reformen auch durchzusetzen und zu implementieren", sagte der Ökonom.

Mit Blick auf die Rolle der EU-Kommission fügte Belke kritisch hinzu: "Ob dies jedoch gerade die EU-Kommission sein muss, die diesen Prozess intensiv überwachen soll, ist zumindest aus Sicht der Triple-A bewerteten Länder Deutschland, Niederlande, Finnland und Österreich wegen der vermuteten zunehmenden Verzerrung der Präferenzen der Kommission in Richtung der Südländer zweifelhaft."

Bundesregierung geht nicht von Haushaltsbelastung durch griechischen Schuldenschnitt aus

Der beim Euro-Gipfel beschlossene Schuldenerlass für Griechenland wird sich 2012/13 nicht im Bundeshaushalt niederschlagen. Das ergeben nach "Bild"-Informationen interne Berechnungen des Finanzministeriums. Demnach sind die über die staatseigene KfW-Bank Griechenland gewährten deutschen Hilfs-Kredite, etwa 13,5 Milliarden Euro, von dem Schuldenschnitt nicht betroffen. Die staatseigenen "bad banks", unter anderem der HRE, sind zwar potentiell betroffen, weil sie mehrere Milliarden an griechische Anleihen halten. Mögliche Verluste dieser Gesellschaften werden aber erst 2030 abgerechnet und dann bei Bund und Ländern zu Buche schlagen.

Politiker von Union und FDP für Euro-Austritt Griechenlands

Nach dem angekündigten Schuldenschnitt für Griechenland werden die Rufe nach einem Austritt des Landes aus der Währungsunion immer lauter. In der "Bild"-Zeitung verlangten mehrere Politiker von Union und FDP, Griechenland solle die Gemeinschaftswährung verlassen. Der FDP-Bundestagsabgeordnete und Finanzexperte Frank Schäffler sagte der Zeitung: "Der Schuldenschnitt löst das Problem nicht. Ohne einen Euro-Austritt hat Griechenland keine Chance, die Krise zu meistern."

Fraktionskollegin Sylvia Canel erklärt, es sei nicht der Kernpunkt, ob in Griechenland mit Drachme oder Euro gezahlt werde. Auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler forderte die griechische Regierung zum Austritt aus der Währungsunion auf. "Griechenland schadet das Verbleiben im Euro immer mehr. Mit dem Euro am Hals werden die Griechen kaputt gespart", sagte Gauweiler der Zeitung.

Ähnlich äußerte sich der CDU-Bundestagsabgeordnete und Haushaltsexperte Alexander Funk. "Griechenland kommt nur auf die Beine, wenn sie Löhne und Preise um 40 Prozent kürzen oder aus der Eurozone ausscheiden. Im eigenen Interesse sollten sie freiwillig ausscheiden", sagte Funk der Online-Ausgabe der "Bild"-Zeitung.

EZB-Präsident Trichet fordert schnelle Umsetzung von EU-Gipfel Beschlüssen

Auch nach dem erfolgreichen Euro-Krisengipfel in dieser Woche hält der scheidende Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet, eine Entwarnung für verfrüht und fordert eine schnelle Umsetzung der EU-Gipfel Beschlüsse. "Die Krise ist nicht vorbei", sagte Trichet in einem Interview mit "Bild am Sonntag". "Nach den Beschlüssen dieser Woche bin ich aber zuversichtlich, dass es den Regierungen gelingen wird, die Finanzstabilität wiederherzustellen." Voraussetzung dafür ist nach den Worten Trichets, "dass die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes in umfassender Weise verschärft und durchgesetzt werden".

Der EZB-Präsident weiter: "Die auf dem Gipfel getroffenen Entscheidungen bedürfen einer sehr präzisen und schnellen Umsetzung. Die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone haben ein Programm, jetzt wartet auf die Regierungen und die Europäische Kommission harte Arbeit. Die schnelle und vollständige Umsetzung der Entscheidungen ist jetzt absolut entscheidend." Diesen Prozess werde die EZB sehr genau beobachten. "Jetzt sind Taten gefragt."

Trichet schloss in dem Interview nicht aus, dass die EZB Sondermaßnahmen wie den Erwerb von Staatsanleihen kriselnder Euro-Staaten oder die Versorgung von Banken zu festgelegten Zinssätzen auch in Zukunft noch anwenden könnte: "Derartige Maßnahmen sind nur in der Ausnahmesituation einer globalen Krise größten Ausmaßes zu rechtfertigen. Sobald die Regierungen über die neuen Instrumente verfügen, mit denen sie die Finanzstabilität wiederherstellen können, und diese einsatzbereit sind, gibt es für uns keinen Grund, an diesen Sondermaßnahmen festzuhalten."

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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