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In der Euro-Zone wird es neue Probleme geben

Archivmeldung vom 18.10.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.10.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Gerd Altmann / pixelio.de
Bild: Gerd Altmann / pixelio.de

Laut Angaben des Internationalen Währungsfonds sind rund 40 Prozent der spanischen Firmen am Rande des Bankrotts. In vielen anderen Staaten der Euro-Zone ist die Situation ähnlich, und sie kann sich noch verschlechtern, warnt der IWF. Radio "Stimme Russlands" Kommentator Pjotr Iskenderow setzt das Thema fort.

In seinem Beitrag heißt es weiter: "Die Prognosen bezüglich der künftigen Entwicklung der Euro-Zone, die heute besonders aktuell sind, wurden am 16. Oktober in einem Bericht des IWF veröffentlicht. Experten analysierten den Verlauf der strukturellen Reformen in den Staaten der Euro-Zone im Rahmen des Prozesses der „Haushaltskonsolidierung“. Es gibt zwei Hauptschlussfolgerungen, sie flößen keinen besonderen Optimismus ein.

Erstens stellten die Analytiker des IWF fest, dass die Kluft zwischen dem sogenannten Kern der Euro-Zone - den wirtschaftlich besonders entwickelten Staaten mit Deutschland an der Spitze - und der problematischen „Peripherie“ schon jetzt viel größer ist als viele sich das vorstellen. Zweitens kann man in den nächsten Jahren nicht von einer Änderung der Situation sprechen. Vielleicht wird es innerhalb von einigen Jahren nur gelingen, die Wirtschaften der „problematischen Staaten“ auf das Niveau, das es vor der Krise gab, zurückzubringen. Aber nur wenn diese Staaten die härtesten strukturellen Reformen strikt weiter realisieren werden. Aber sogar die harten Maßnahmen gegenüber den problematischen Staaten helfen durchaus nicht, die Situation zu verbessern. „Jedenfalls begannen Experten der EU und des IWF in Bezug auf Griechenland wieder darüber zu sprechen, dass eine große Abschreibung der Schulden notwendig ist – das kann seinerseits einen neuen gefährlichen Präzedenzfall schaffen“, sagte der Leiter der analytischen Abteilung der russischen Investitionsfirma „Grandis Capital“, Denis Barabanow, in einem Gespräch mit STIMME RUSSLANDS.

„Es ist nicht ausgeschlossen, dass im nächsten Jahr die Probleme sich in anderen Ländern vergrößern werden – hier meint man in erster Linie Spanien oder Italien. Auch anderen Ländern kann einfach eine solche Methodik gefallen. Man braucht sich ja keine besonderen Sorgen um die Reduzierung des Haushaltsdefizits zu machen. Man kann einfach die Abschreibung durchführen und somit die Schuldenlast wesentlich verringern.“

Die EU hat noch einen Antikrisenmechanismus, der berufen ist, der „problematischen Peripherie“ zu helfen. Das ist der Europäische Stabilisationsmechanismus. Aber hier entsteht ein anderes Problem – es ist notwendig, sein ursprüngliches Volumen, das in Höhe von 500 Milliarden Euro festgelegt wurde, wesentlich zu vergrößern. „Gerade dieses Geld kann ja in vielem die entscheidende Rolle bei der Überwindung der Krise der Euro-Zone spielen“, sagte der Chefwirtschaftswissenschaftler der russischen Firma AFK „Sistema“, Jewgeni Nadorschin, in einem Gespräch mit STIMME RUSSLANDS.

„Gerade seine Ressourcen wird man hauptsächlich für die Lösung aller Hauptprobleme der Euro-Zone nutzen, die heute aktiv erörtert werden. Ich meine die Rettung dieser oder jener souveräner Staaten vor ihren Problemen mit den Schulden.“

Die Lösung der europäischen finanziellen Probleme wird durch noch einen Umstand objektiv erschwert – das ist die enge Abhängigkeit des Kontinents von den Prozessen, die außerhalb des Kontinents verlaufen. Also wird der Kampf gegen die Finanzkrise in Europa andauern – ebenso wie die Krise selbst.

Der Mittelmeerraum büßt selbst seine Schattenwirtschaft ein

Die Krise des Euroraums hat nicht nur dem legalen Produktions- und Finanzbereich, sondern auch dem, was man so den „Schwarzmarkt“ von Produkten und Dienstleistungen nennt, hart zugesetzt. Sein Umfang ist zusehends geschrumpft, insbesondere in Griechenland, Spanien und Portugal. Dabei werden diese Länder durch die von ihren Regierungen geplanten neuen Etatkürzungen in die soziale und wirtschaftliche Sackgasse getrieben.

Es sei gleich am Anfang präzisiert: mit der „Schattenwirtschaft“ sind in diesem Fall weder klassische Geldwäsche noch illegale Barzahlungen oder Steuerhinterziehung gemeint. Es geht dabei um Beschäftigungen, denen viele Bewohner der Mittelmeerländer aus historischen Gründen nachgehen, wobei sie sich an reichen Touristen sowie an eigenen, weniger bemittelten Landsleuten orientieren: Haushandwerke und Kochkunst, Handel mit anspruchslosen Familienantiquitäten (gebrauchte Kleidung, Geschirr, alte Elektrogeräte), Wohnungsreinigung. Diese Tätigkeitssphäre wird traditionsgemäß in den Übersichten des offiziellen EU-Statistikamtes Eurostat nicht erfasst. Jedoch wird sie von vielen Volkswirten genau untersucht, weil sie meinen, dieser Bereich sei ein sehr anschaulicher Indikator der sozialen und wirtschaftlichen Lage im jeweiligen Lande.

Zu diesen Experten, die sich auf die Erforschung der Schattenwirtschaft spezialisieren, gehört Friedrich Schneider, Professor an der Johannes Kepler Universität im österreichischen Linz. Ihm zufolge waren gerade die jahrelangen Rezession, extreme Arbeitslosigkeit und drastische Sparmaßnahmen im Süden Europas die Ursache dafür, dass dort die Nachfrage selbst nach bereits gebrauchten Waren und nicht qualifizierter Arbeit „geschrumpft“ ist. Der Trend ist alles andere als harmlos. Er widerspiegelt allgemeinere Vorgänge, insbesondere den Rückgang der Geschäftstätigkeit. Dabei ist gerade die Förderung des Unternehmertums als das wichtigste Anti-Krisen-Rezept für die europäischen Wirtschaften zu betrachten, bemerkte im Gespräch mit der Stimme Russlands Wladislaw Below, Experte vom Institut für Europa bei der Russischen Akademie der Wissenschaften:

„Die Grundwahrheit einer jeden Marktwirtschaft lautet, dass gerade im freien Funktionieren dieses Segments, des Unternehmertums, höchstwahrscheinlich der Erfolg liegt. Mal sehen, wie es der Euroraum fertigbringt, den südeuropäischen Ländern zu helfen, insbesondere was die Beratung angeht. Jedenfalls hat die Wirtschaft nichts anderes erfunden, als die Gewerbefreiheit, die Freiheit für die KMU, die, wie man so sagt, die zentrale Stütze eine jeden Wirtschaftssystems ausmachen.“

Natürlich wirkt die Schrumpfung der Schattenwirtschaft prozentuell nicht beeindruckend. So hat sie sich in Portugal im laufenden Jahr gegenüber 2012 um 0,4 Prozent des BIP gemindert, und war von 19,4 auf 19 Prozent gesunken. Ein ähnlicher Rückgang wird auch in Griechenland verzeichnet.

Zum Vergleich: In Deutschland beträgt der Anteil der Schattenwirtschaft weniger als in den Mittelmeerländern, die sich vom Fremdenverkehr ernähren. Aber auch in der wirtschaftlichen „Lokomotive“ der Europäischen Union deutet sich ein ähnlicher Rückgang der Nachfrage und des Angebots von billigeren Produkten und Dienstleistungen des Sekundärmarktes ab: von 13,3 Prozent des BIP 2012 auf 13 Prozent im laufenden Jahr.

Natürlich ist diese Entwicklung durch „solidere“ wirtschaftliche Kennziffern zu ergänzen, um ein umfassenderes Bild zu gewinnen. Erst dann sieht man das Problem klar. Das Nachlassen der Nachfrage nach den Waren des Sekundärmarktes und den „häuslichen“ Dienstleistungen läuft parallel zur Einführung drastischer Anti-Krisen-Maßnahmen, zum Aufwärtstrend der Arbeitslosigkeit und zur Einkommensminderung weiter Bevölkerungskreise. Im oben erwähnten Portugal sieht der Haushaltsentwurf für 2014 eine Ausgabenkürzung von drei Milliarden Euro vor. Dabei wird die Nationalwirtschaft bereits im dritten Jahr nacheinander einen Abschwung aufweisen: Im laufenden Jahr wird er voraussichtlich 1,8 Prozent betragen. Und obwohl sich im Euroraum die panischen Gespräche von seinem unvermeidlichen Zerfall derzeit etwas gelegt haben, wäre es verfrüht, sich zu beruhigen. Diese Meinung äußerte im Gespräch mit der Stimme Russlands Alexander Nekipelow, Leiter der Moskauer Hochschule für Wirtschaft der Lomonossow-Universität und Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften:

„Es gelingt, die Situation aufrechtzuerhalten, aber die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat meines Erachtens eindeutig recht, wenn sie sagt, dass es noch bevorsteht, die Hauptprobleme zu lösen. Vorläufig hat man zwar eine Atempause eingelegt. Damit meine ich nicht eine Pause zur Erholung, sondern eine, um Sanierungsmaßnahmen zu entwickeln, zu vereinbaren und zu implementieren. Aber der Prozess wird sicher sehr lange und sehr schwer sein, auch sind Rückfälle möglich. Das steht außer Zweifel.“

Die Finanz-Nachrichtenagentur Bloomberg führt die vielsagende Äußerung eines Händlers vom berühmten Lissaboner Flohmarkt Feira da Ladra an: „Einmal habe ich auf diesem Markt ein Auto verkauft. Jetzt kann ich nicht einmal ein gebrauchtes Fahrrad loswerden." Laut Experten, die sich mit diesem Problem auseinandersetzen, verzichten in den von der Krise betroffenen Ländern immer mehr Menschen auf Einkäufe und gehen zum Warenumtausch über. Mit anderen Worten, zum berüchtigten Tauschhandel – dem Fluch einer jeden Marktwirtschaft."

Die Europäische Kommission hat die EU-Erweiterung erlaubt

Die EU-Kommission beschloss Albanien den Status eines offiziellen Kandidaten für den Beitritt zur EU zu gewähren und die Verhandlungen mit der Türkei fortzusetzen. Dieser Beschluss soll die Treue Brüssels zur europäischen Integration demonstrieren. Aber er kann nicht die inneren Widersprüche in der EU nicht regeln, meint Radio "Stimme Russlands" Kommentator Pjotr Iskenderow.

Der Hauptgrund der Entscheidung Tirana den langerwarteten Status eines offiziellen Kandidaten für den Beitritt zur EU zu gewähren waren beifällige Äußerungen über die allgemeinen Wahlen, die in diesem Staat im vergangenen Sommer durchgeführt wurden. Auch der Rücktritt des ehemaligen Ministerpräsidenten Sali Berisha, der als proamerikanisch galt, spielte bei der Milderung der Position Brüssels nicht die letzte Rolle. Dazu ist es ein offenes Geheimnis, dass es in der EU keine solchen überzeugten Gegner Albaniens wie Frankreich und insbesondere Deutschland in der Situation mit der Türkei sind, gibt.

Dennoch heben Experten die Inkonsequenz der Politik der EU gegenüber Albanien hervor. Der Politologe Sijad Becirovic aus dem Internationalen Institut für Nahost- und Balkan-Forschungen (IFIMES) im slowenischen Ljubljana sagte:

„Die Politik der EU ist überhaupt ziemlich inkonsequent, insbesondere wenn es sich um die neue Erweiterung handelt. Zum Beispiel drückte man in Brüssel in der Situation mit Rumänien und Bulgarien ein Auge zu, obwohl diese Staaten nach vielen Kriterien den EU-Standards nicht entsprachen. Aber sie wurden aus geopolitischen Überlegungen in die EU aufgenommen.“

Albanien erfüllte natürlich viele Bedingungen der EU nicht, es hat große innerpolitische Probleme. Aber in diesem Staat leben drei Millionen Menschen. Obwohl Albanien ein armer Staat ist, wird es keine große Wirtschaftslast für die EU mit 500 Millionen Einwohnern sein. Albanien kann die Beziehungen in der EU kaum verschlechtern, es wird keine neue Krise hervorrufen. Dazu ist es bekannt, dass die albanische Bevölkerung in Mazedonien und Kosovo lebt. Man muss Tirana mit euroatlantischen Integrationen disziplinieren, damit es sich in die inneren Angelegenheiten der Nachbarstaaten nicht einmischt.“

Die Tatsache, dass die EU-Kommission die Verhandlungen über die Aufnahme in die EU fortsetzte, sieht als ein interessanter geopolitischer Kompromiss mit einem breiteren regionalen Charakter aus. Damit verfolgt man unter anderem das Ziel den weiteren Verzicht Ankaras auf die Ideale des europäischen Atlantismus, insbesondere im Kontext der Instabilität in der Region des Nahen Ostens, darunter auch um Syriens, nicht zuzulassen. Dabei ruft der Bericht einerseits den EU-Rat auf „die eingefrorenen Verhandlungen über den Beitritt der Türkei in die EU wieder aufzunehmen“. Andererseits stellt er an die Behörden Ankaras neue ernste Forderungen. Dazu befürchten viele in Europa eine übermäßige geopolitische Aktivität Ankaras in Südosteuropa und auf der Balkanhalbinsel, die schon heute registriert wird. Eine ausdrucksvolle Äußerung des türkischen Außenministers Ahmet Davutoglu, die man noch 2010 hörte, ist bekannt. Als westliche diplomatische Vertreter auf der Balkanhalbinsel sagten, dass die Türken wieder wie mit einem Fallschirm auf der regionalen politischen Bühne landen, sagte er: „Wir trafen dort zum ersten Mal vor vielen Jahrhunderten auf Pferden ein. Wenn es erforderlich sein wird, dann werden wir morgen wieder kommen.“

Man kann die europäische Integration Albaniens und der Türkei jedenfalls dennoch ohne den Beitritt der beiden Staaten zu der Euro-Währungsunion kaum für vollberechtigt halten. „Es ist unter den gegenwärtigen Bedingungen der europäischen Krise recht schwer darüber zu sprechen“, sagte der Professor der russischen Finanzakademie Boris Rubzow in seinem Gespräch mit STIMME RUSSLANDS.

„Die Frage darüber, wann die Erweiterung der Euro-Zone stattfinden wird und ob sie überhaupt stattfindet, ist jetzt wahrscheinlich nicht sehr aktuell. Jedenfalls äußert eine Reihe von osteuropäischen Staaten in dieser Etappe keinen Wunsch der Zone der einheitlichen Währung beizutreten.“

Vorläufig sind alle Experten der Meinung, dass eine neue EU-Erweiterung im nächsten Jahrzehnt nicht bevorsteht."

Quelle: Text Pjotr Iskenderow - „Stimme Russlands"

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