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Es geht gar nicht um Rassismus - Die Entfernung einer farbigen Krippenfigur aus dem Ulmer Münster löst nicht die erste Debatte um die Frage aus, was heute rassistisch ist

Archivmeldung vom 12.10.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 12.10.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Anja Schmitt
Plakat gegen Rassismus
Plakat gegen Rassismus

Bild:Foto von Mat Reding von Pexels

Sie hatten sicher hehre Absichten, doch der Schuss ging massiv nach hinten los. Die Evangelische Kirchengemeinde im Ulmer Münster, mit 161,53 Metern Kirchturm die höchste Kirche der Welt, hat die Krippe aus der Kirche geworfen.

Schuld ist der sogenannte Brezelkönig, die Darstellung des schwarzen Königs Melchior. Die Figur entstand in den 1920er Jahren und sieht nicht so aus, wie man Menschen mit dunkler Hautfarbe heute darstellen würde. Mit schwulstigen Lippen und riesigen Ohrringen wurde die Figur vom Künstler geformt, kurzum: Sie ist unansehnlich. Viele fassten sich aber an den Kopf und fragten sich: Wo soll das noch enden? Darf man keine schwarzen Krippenfiguren mehr aufstellen?

Dabei ist die Debatte um den Ulmer Mohr bei Weitem nicht die erste, die sich um die Frage dreht, was rassistisch ist und was nicht. Auch in Regensburg gab es bereits viele solcher historischer Debatten. Manche endeten mit der Umbenennung einer Straße. Die nach dem NS-Schriftsteller Florian Seidl benannte Straße heißt heute anders, weil es viele Menschen zurecht unerträglich fanden, dass Seidl in seinen Büchern für Euthanasie warb - und in der Straße ein Behindertenheim untergebracht ist.

Natürlich können sich Menschen jüdischen Glaubens verletzt fühlen, wenn sie am Relief der sogenannten "Judensau" am Dom vorbeigehen. Doch statt dem Ausmerzen einer historischen Skulptur, die aus heutiger Sicht schwer erträglich ist und schon zur Entstehungszeit einen widerlichen Antisemitismus ausdrückte, plädierte die jüdische Gemeinde dafür, das Relief als Mahnmal zu belassen. Natürlich müssen und werden weitere Erklärungen nun den historischen Kontext erläutern. Auch eine Debatte um die Drei-Mohren-Straße wurde kürzlich geführt, doch sie ist ein Beispiel dafür, wie man den historischen Kontext verfälschen kann. Straßen, aber auch Gasthäuser und Apotheken wurden eben nicht despektierlich nach dem Mohren benannt. Häufig, wie etwa im Stadtwappen Coburgs, drückte der Mohr Wertschätzung aus. Es ist kein Wunder, dass die Figur ausgerechnet während der NS-Zeit aus dem Stadtwappen verschwand: Den Nazis war der Coburger Mohr nämlich sogar zu positiv dargestellt. Allzuschnell wird heutzutage aus voreilig angestoßenen Debatten eine Kontroverse, die nur die Extreme stärkt.

Die Debatte um den Mohren im Ulmer Münster wurde umgehend von rechtskonservativen Kreisen genutzt, um die These in den Raum zu stellen, man wolle das christliche Abendland endgültig abschaffen. Ähnlich heiß gelaufene Debatten erlebt man regelmäßig, wenn in Kindergärten der Martinsumzug auf den Namen Lichterfest umgetauft werden soll. Dabei wäre es wichtig, die Schubladen zu schließen. Eine Drei-Mohren-Straße ist kein Ausdruck von Fremdenfeindlichkeit. Sie umzubenennen, ist schlicht Geschichtsklitterung. Der historische Kontext muss natürlich in Betracht gezogen werden, wenn man Darstellungen von Minderheiten, Menschen anderer Hautfarbe oder Sexualität betrachtet. In der Krippe steht Melchior dafür, dass alle Menschen zur Gemeinschaft der Christen gehören.

Zurecht gibt es Tabus, die in unserer Gesellschaft gelten und deren Verletzung nicht die Meinungsfreiheit berühren. So ist beispielsweise Sexualität mit Kindern ein Tabu. Das ist auch richtig und gut so. Dennoch würde niemand auf die Idee kommen, aus barocken Schlössern plötzlich die nackten Engel zu entfernen, weil deren Nacktheit eine Anspielung auf Pädophilie sein könnte. Oder kommt das noch?

Rassismus bekämpft man nicht damit, dass man einen Mohren aus der Krippe nimmt. Rassismus und seine Begleiterscheinungen bekämpft man , indem man aufsteht, wenn man merkt, dass ein Mensch diskriminiert wird wegen seiner Hautfarbe, seiner Herkunft, aber auch seiner sexuellen Identität oder seinem Aussehen. Die Debatte um die Mohren sind Grabenkämpfe, die keine Lösungen bringen. Es wäre deshalb mal ganz gut, wenn man ohne Shitstorm auskäme. Auch an der Weihnachtskrippe.

Quelle: Mittelbayerische Zeitung (ots)

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