Waldinger-Thiering: Weiterbildungsangebote sind Daseinsfürsorge
Jette Waldinger-Thiering zu TOP 45 - Weiterbildungsstrategie Schleswig-Holstein (Drs. 20/3261): „In welche Richtung wird denn angepasst, wenn keine Kohle da ist? Unterrichtsvolumen oder bestimmte Aspekte der Weiterbildung im ländlichen Raum sowie Bevölkerungsdichte sollen hierbei herangezogen werden. Hier sehe ich große Gefahr, dass gerade im nördlichen Landesteil gekürzt wird und Angebote künftig wegfallen. Wieder eine Benachteiligung des Nordens; nicht mit uns.“
Waldinger-Thiering weiter: "Die Weiterbildung war und ist für den SSW schon immer ein elementarer
Baustein des lebenslangen Lernens – in den unterschiedlichsten
Bereichen und Facetten. Und nicht erst heute wird deutlich, wie wichtig
und notwendig Weiterbildung für die Menschen bei uns im Land aber auch
für unsere Unternehmen ist. Ja, es ist ein Schlüssel zum Erfolg für die
Beschäftigten, um sich neue berufliche Erkenntnisse und Fähigkeiten
anzueignen. Und ja, es ist wichtig, dass Unternehmen eben dies erkennen
und dieses Instrument für ihre Betriebe wertschätzen und vor allem auch
nutzen. Gerade vor dem Hintergrund des steigenden Fachkräftemangels, der
Digitalisierung oder des demografischen Wandels steigt die Bedeutung
der Weiterbildung. Nicht nur für die eigenen Angestellten, sondern auch,
um fachfremden Mitarbeitenden den Einstieg ins Unternehmen zu
erleichtern.
Weiterbildung ist aber mehr als berufliche und
berufsbezogene Weiterbildung. So ist mehr denn je die allgemeine,
kulturelle und politische Weiterbildung ein zentraler Punkt, um
Bürgerinnen und Bürgern die mündige Teilhabe an demokratischen Prozessen
und gesellschaftlichem Engagement zu ermöglichen. Angesichts einer
weiter steigenden Demokratiefeindlichkeit ist es umso wichtiger,
demokratische Werte und Ziele zu verteidigen. Der Zugang zur politischen
Weiterbildung muss daher so niedrigschwellig wie möglich gestaltet
werden. Nur so ermöglichen wir den Menschen die Möglichkeit
demokratiefeindlichen Einstellungen entgegenzutreten.
Im
beruflichen, privaten und sozialen Bereich besteht Handlungsbedarf, die
Weiterbildung zu stärken und weiterzuentwickeln. Wir müssen sie an die
Herausforderungen anpassen. Ich danke daher allen Akteuren; den
beteiligten Ministerien und Institutionen, die diese Strategie
erarbeitet haben.
Gleichwohl wundert es mich doch, dass im Kreis der
genannten Akteure keine Kulturvertreter aufgeführt sind. Wie soll die
kulturelle Weiterbildung gestärkt werden, wenn die Fachexpertise nicht
eingebunden ist. Ich hätte erwartet, dass beispielsweise der
Landeskulturverband dabei ist. Was ist mit den regionalen Minderheiten,
was ist mit Plattdeutsch? Fehlanzeige. Auch hier hätte ich erwartet,
dass entsprechende Organisationen oder Institutionen eingebunden werden.
Wir haben seinerzeit in der Küstenkoalition die Kulturelle Bildung
explizit ins Weiterbildungsgesetz aufgenommen, denn so sagt § 2 Absatz 3
Satz 3 des Weiterbildungsgesetzes: „Sie umfasst gleichrangig die
Bereiche der allgemeinen, der politischen, der kulturellen und der
beruflichen Weiterbildung sowie die Qualifizierung für ehrenamtliches
und zivilgesellschaftliches Engagement.“ Kulturelle Weiterbildung ist
also nicht nur „nice to have“, sondern gleichrangig zu betrachten und
trägt auch zur Stärkung des ehrenamtlichen und zivilgesellschaftlichen
Engagements bei. Das brauchen wir heute dringender denn je.
Aus meiner Sicht fehlen auch die Bibliotheken als Dritter Ort.
Aufmerksam
wird man beim Lesen neuer Strategien immer, wenn es um die Fördermittel
geht und was gegebenenfalls auf den Prüfstand kommt. Hier sehe ich ein
Fragezeichen, wenn es um den Europäischen Sozialfonds Plus geht. Die
Förderperiode geht noch bis 2027, aber was passiert danach? Hier müssen
wir alles daransetzen, dass die Förderkulisse für ESF plus mindestens
fortgeführt wird.
Kritisch gelesen habe ich den Handlungsbedarf
bezüglich der Bildungseinrichtungen der Grundversorgung. Wir haben
insgesamt 140 VHSen und Bildungsstätten an 200 Standorten. Und auch dort
ist der demografische Wandel insofern spürbar, dass dort ein
allgemeiner Rückgang des freiwilligen Engagements zu verzeichnen ist.
Daher sieht die Landesregierung die Sicherung des Angebots in Gefahr. Um
die Trägerstrukturen zu stärken, soll das Weiterbildungsgesetz SH
geändert werden. So weit so gut. Dafür sollen Förderinstrumente geprüft
und gegebenenfalls angepasst werden. In welche Richtung wird denn
angepasst, wenn keine Kohle da ist? Unterrichtsvolumen oder bestimmte
Aspekte der Weiterbildung im ländlichen Raum sowie Bevölkerungsdichte
sollen hierbei herangezogen werden. Hier sehe ich große Gefahr, dass
gerade im nördlichen Landesteil gekürzt wird und Angebote künftig
wegfallen. Wieder eine Benachteiligung des Nordens; nicht mit uns.
Unter der Prämisse klingt es wie Hohn, wenn zu lesen ist, dass alle Bürgerinnen und Bürger Zugang zu Weiterbildungsangeboten haben sollen, unabhängig von ihrem Wohnort oder Hintergrund. Mittels Kürzungen uns Streichungen ermöglichen sie das auf jeden Fall nicht."
Quelle: SSW