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Umfrage: Mehrheit sieht Meinungsfreiheit in Gefahr

Archivmeldung vom 24.06.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.06.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Zensur
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Bild: Gettyimmages

Im 30. Jahr des Mauerfalls hat das Meinungsforschungsinstitut Allensbach ein zweifelhaftes Geschenk für die Republik. Demoskopen ermittelten, dass fast zwei Drittel der Deutschen glaubt, man müsse bei gewissen Themen „sehr aufpassen“, was man in der Öffentlichkeit sage. Die meisten Medien reagierten darauf mit eisigem Schweigen, berichtet das russische online Magazin "Sputnik".

Weiter heißt es hierzu auf der deutschen Webseite: "Das Institut für Demoskopie in Allensbach (IfD) ist Deutschlands älteste Umfrageeinrichtung und besser in seiner verknappten Form als Allensbach-Institut bekannt. Die Einrichtung hat bis heute ein Alleinstellungsmerkmal, was allerdings nur bedingt mit der dort angewandten Methodik zu tun hat. Während die anderen Meinungsforschungsinstitute überwiegend Telefoninterviews führen, setzt Allensbach immer noch auf so genannte Face-to-Face-Interviews als bevorzugte Befragungsmethode. Interviewer des Institutes befragen ihre Gesprächspartner also von Angesicht zu Angesicht. Dabei wird die so genannte Grundgesamtheit der Befragtengruppe nicht durch das „Zufallsstichprobenverfahren“, sondern durch das „Quotenverfahren“ gebildet. Das bedeutet, die Gruppe der Zubefragenden wird genau ausbalanciert nach Alter, Geschlecht, Beruf, Religionszugehörigkeit und anderen Kriterien.

In Allensbach glaubt man, das führe zu authentischeren Ergebnissen. Was die Vorwahlumfragen betrifft, die als „Sonntagsfrage“ bekannt sind, stimmt das nicht. Aber das Institut sticht auch dadurch heraus, dass es bis heute Vorwahlumfragen im Dezimalstellenbereich herausgibt, was eigentlich mit Befragungsergebnissen nur bedingt bis gar nicht abzubilden ist. Entsprechend groß sind die Fehlermargen. Und entsprechend häufig wurde das Institut auch für seine Wahlprognosen kritisiert. Nicht zu vergessen, die immer wiederkehrenden Vorwürfe zu Lebzeiten der Institutsgründerin Elisabeth Noelle-Neumann, sie hätte eine zu große Nähe zu Helmut Kohl und den Unionsparteien gezeigt, was insofern interessant ist, als die SPD-Mitgliedschaft des Forsa-Gründers, Manfred Güllner, erst in den letzten Jahren im Zusammenhang mit Veröffentlichungen dieses Institutes erwähnt wird.

„Immer mehr Tabuthemen“

Aber das alles sei nur im Vorfeld erwähnt und soll zur besseren Einordnung einer der aktuellsten Untersuchungen des Allensbach-Institutes dienen. Denn am 22. Mai veröffentlichte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) in ihrem Bezahlteil einen Artikel der Allensbach-Chefin Renate Köcher unter der Überschrift „Immer mehr Tabuthemen“. Köcher, die noch zu Lebzeiten der Institutsgründerin zusammen mit ihr das Gesicht dieser Einrichtung war, bezieht sich in ihrem Artikel auf eine Umfrage, die ihr Institut im Mai 2019 unter mehr als 1200 Probanden durchführte. Bereits im ersten Absatz ihres Artikels trifft Köcher eine bemerkenswerte Aussage: „Annähernd zwei Drittel der Bürger sind überzeugt, man müsse heute ‚sehr aufpassen, zu welchen Themen man sich wie äußert‘, denn es gäbe viele ungeschriebene Gesetze, welche Meinungen akzeptabel und zulässig sind.“

Die Abstufung dieser Tabuthemen überrascht vielleicht einige, aber sicherlich nicht alle. Die deutliche Mehrheit sieht sich bei den Themen „Flüchtlinge“ (mit 71 Prozent der Nennungen Spitzenreiter), „Muslime und Islam“ sowie „Nazizeit und Juden“ in ihrer Meinungsfreiheit deutlich eingeschränkt. Eine knappe Mehrheit hat diesen Eindruck beim Thema „Rechtsextremismus und AfD“. Und „weite Bevölkerungskreise“, wie Köcher im Artikel formuliert, empfinden die Themen „Patriotismus“, „Homosexualität“ und „drittes Geschlecht“ als stark tabubehaftet. Bei den Themen „Klimaschutz“, „Gleichberechtigung“, „Arbeitslosigkeit“ und „Kindererziehung“ hat eine Mehrheit dagegen das Gefühl, frei und ohne Tabus öffentlich diskutieren zu können.

Akzeptierte und nicht akzeptierte Normierungen

Renate Köcher stellt in ihrem Artikel klar, dass offenbar den meisten Befragten bewusst ist, dass die Normierungen durch das Grundgesetz zu einer weithin akzeptierten Tabuisierung von Verharmlosung oder gar Verherrlichung der Nazizeit oder des Holocaust geführt hat. So hätten 76 Prozent der Befragten die umstrittene „Vogelschiss“-Äußerung des AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland als „völlig inakzeptabel“ bewertet.

Dieses Grundverständnis fehlt beim als Tabuthema Nummer 1 empfundenen Komplex Flüchtlinge und Migration, so die Schlussfolgerung von Renate Köcher aus den Ergebnissen ihrer Umfrage. Auch wenn sich die Aufregung der Jahre 2015 und 2016 gelegt habe, schreibt Köcher mahnend in Richtung Politik und Funktionseliten: „Geblieben ist der Eindruck, dass die Eliten die Sorgen der Bevölkerung nicht ausreichend ernst nehmen und sogar unter Verdacht stellen.“

Bürger fürchten, zu Unrecht als „rechts“ abgestempelt zu werden

Das gelte auch für die Themen „Islam“ und „Vaterlandsliebe/Patriotismus“, schreibt Köcher. Sie belegt das mit Zahlen. Noch 1996 hätten nur 16 Prozent der seinerzeit Befragten das Thema „Patriotismus“ als „heikel“ in der öffentlichen Debatte empfunden. Inzwischen sind es 41 Prozent. Köcher in ihrem Artikel weiter: „Auch hier ist sich die Bevölkerung jedoch nicht mehr so sicher, ob die Eliten mit ihrer überzeugten Unterstützung der europäischen Integration und in einer globalisierten Weltwirtschaft die Nation noch hochhalten. (…) Mit dem Aufkommen nationalistischer und gleichzeitig europakritischer Gruppierungen wurde Patriotismus immer mehr zu einem aufgeladenen, kontroversen Thema – auch weil Bürger zunehmend fürchten, als rechtsaußen zu gelten, wenn sie sich als Patrioten outen.“

58 Prozent trauen sich nicht mehr, sich in der Öffentlichkeit frei zu äußern

Als geradezu alarmierend muss ein anderer Befund von Renate Köcher gewertet werden. Nur ganze 18 Prozent der Befragten finden, dass sie unbefangen im öffentlichen Raum ihre Meinung sagen können. 58 Prozent sind dagegen der Ansicht, dass sie sich „bei einigen Themen“ in der Öffentlichkeit „vorsichtig“ äußern. 20 Prozent gehen sogar „bei vielen Themen“ auf diese Weise vor. Demgegenüber fühlen sich 59 Prozent der Befragten nur unter Freunden und Bekannten frei, ihre wahre Meinung zu sagen. Noch gravierender bewerten die Befragten dem Artikel von Renate Köcher zufolge die empfundene Meinungsfreiheit im Internet. Nur ganze 17 Prozent sind der Ansicht, dass sie sich im Netz frei äußern könnten. 27 Prozent glauben, dass bei einigen Themen Zurückhaltung angesagt sei. Und weitere 36 Prozent sind der Ansicht, dass dies für viele Themen gelte.

Vor diesem Hintergrund ist vielleicht von Interesse, dass bereits einige Medien die Kommentarfunktionen in ihren Internetauftritten eingeschränkt oder gar völlig abgeschaltet haben. Begründung beinahe immer, die angebliche oder tatsächliche Übermacht von so genannten Trollen oder Bots, die eine Diskussion unmöglich machen würden. Allerdings gibt es auch Kritiker, die argwöhnen, in Wahrheit sei das Einschränken beziehungsweise Abschalten von Kommentarfunktionen, mit denen Nutzer in Echtzeit auf Inhalte reagieren können, nur eine Reaktion von Medien, um wieder die Deutungshoheit über ihre Inhalte zurückzuerlangen oder aber schlichte Kostenreduzierung, denn eine verantwortungsvolle Moderation von Diskussionen im Internet erfordert einigen personellen Aufwand.

Mehrheit der Deutschen hat das Gefühl einer übertriebenen Political Correctness

Die Meinungsforscher des Allensbach-Institutes haben auch einen anderen besorgniserregenden Befund ermittelt. Demnach empfindet eine Mehrheit von 41 Prozent der Befragten die so genannte Political Correctness als „übertrieben“. 35 Prozent haben für sich die Entscheidung getroffen, sich nur noch im Privatbereich wirklich frei zu äußern. Als besonders unangenehm werden dabei immer rigorosere Sprachregelungen empfunden. Sage und schreibe zwei Drittel der Befragten findet es übertrieben, für den Begriff Ausländer Begrifflichkeiten wie Menschen mit Migrationshintergrund verwenden zu sollen, was nicht als Alltagssprache angesehen wird.

Komplette Ablehnung erfahren Bemühungen, alte Texte politisch korrekt umschreiben zu wollen, weil sie Begriffe enthalten, die als beleidigend oder diskriminierend empfunden werden könnten. Hierzu hat nicht nur eine übergroße Mehrheit von 75 Prozent die unmissverständliche Haltung, dass alte Texte im Original beibehalten werden sollten. Diese Mehrheit ist nach Beobachtung der Allensbacher Meinungsforscher in den letzten Jahren sogar noch größer geworden. Renate Köcher fand dafür in der FAZ die Formulierung, dass es immer mehr Menschen „auf die Nerven” gehe, „dass einem immer mehr vorgeschrieben wird, was man sagen darf und wie man sich zu verhalten hat.“ Diese Meinung trafen die Demoskopen des IfD vor allem in den ostdeutschen Bundesländern an, was sie als klaren Protest der dortigen Bevölkerung interpretierten, die sich nur 30 Jahren nach dem Ende der DDR nicht erneut den Mund verbieten lassen wollten.

Die meisten Medien ignorieren die Umfrage oder denunzieren sie

Bemerkenswert ist, dass außer konservativ ausgerichteten Medien wie „Welt“ oder „Cicero“ nur die als eher linksliberal geltende „Zeit“ sich ausführlich mit der Allensbach-Umfrage auseinandergesetzt haben. Die beiden großen öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF haben die brisante Allensbach-Umfrage zur Meinungsfreiheit bis heute komplett ignoriert. Gibt man auf der Internetseite der „Tagesschau“ den Suchbegriff „Allensbach“ ein, erhält man derzeit 17 Treffer, von denen der aktuellste von September 2018 stammt. Auf der Seite des ZDF-Nachrichten-Flaggschiffs „Heute“ sind es acht Treffer, mit dem aktuellsten Artikel aus dem Januar 2019.

Die „Zeit“ wiederum bekam wohl Angst vor der eigenen Courage. Denn nach einem sehr sachlichen, aber kurzen Artikel vom 23. Mai 2019 („Mehrheit vermeidet öffentliche Aussagen zu vermeintlichen Tabuthemen“), der lediglich Material von Nachrichtenagenturen zusammenfasste, schickte die Hamburger Wochenzeitung vier Tage später einen wütenden Kommentar ihres Ressortleiters „Geschichte“ hinterher. Der empörte sich unter der Überschrift „Erst denken, dann meinen“, die Allensbach-Umfrage bediene „rechte Ressentiments“ und meinte damit beispielsweise die Tatsache, dass die Demoskopen den Begriff Political Correctness nicht in Anführungszeichen gesetzt haben.

Möglicherweise sind es gerade solche als belehrend und denunzierend empfundene Reaktionen, die von immer mehr Menschen als Anmaßung verstanden werden. Der Zeit-Ressortleiter hatte den entsprechenden Schlüsselsatz aus dem Artikel der Allensbach-Chefin selbst zitiert, aber offenbar anders verstanden. Renate Köcher zieht in ihrem FAZ-Artikel das Fazit: „Viele Bürger vermissen in dem Sinne Respekt, dass sie mit ihren Sorgen und Positionen ernst genommen werden wollen, dass über wesentliche Entwicklungen offen diskutiert wird und sie von erzieherischem Furor verschont bleiben.“

Der pauschale denunzierende Vorwurf, die Umfrage würde „rechte Ressentiments“ bedienen, gehört sicher in diese Kategorie."

Quelle: Sputnik (Deutschland)


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