Pellmann attackiert Reiche nach Vorstoß zur Lebensarbeitszeit

Foto: Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0
Lizenz: CC BY-SA 4.0
Die Originaldatei ist hier zu finden.
Linksfraktionschef Sören Pellmann hat Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) scharf kritisiert. Anlass sind ihre Äußerungen, die Deutschen müssten "mehr und länger arbeiten". Für Pellmann sind diese Äußerungen "Teil einer immer heftigeren Kampagne von Union und Arbeitgebern gegen die Mehrheit und den Sozialstaat", wie er der "Welt" sagte.
"Der Ministerin geht es nicht um gute Wirtschaftspolitik, sondern
absehbar um Rentenkürzungen, entgrenzte Arbeitszeit, noch mehr
Schufterei und Kürzungen im Sozialen - ganz im Sinne einer 'Agenda Merz
2030'." Kranken- und Rentenversicherung seien "vor allem deswegen
überlastet, weil Union und SPD verhindern, dass Reiche und Vermögende
sich angemessen an deren Finanzierung beteiligen".
Pellmann
forderte: "Statt die Menschen im Land zu belehren, sollte
Wirtschaftsministerin Reiche jene Defizite anpacken, die seit Langem
bekannt sind." Vielen Menschen sei der Zugang zum Arbeitsmarkt mangels
Ausbildung verwehrt, viele Frauen würden wegen fehlender
Kinder-Betreuungsplätze "in Teilzeit gezwungen". Die Ministerin könne
zudem wissen, "dass Beschäftigte in Deutschland vergangenes Jahr circa
1,2 Milliarden Überstunden geleistet haben - mehr als die Hälfte davon
unbezahlt - und dass für viele Menschen schon jetzt nach einem Leben
voller Arbeit Armutsrenten warten".
Für die
arbeitsmarktpolitische Sprecherin der AfD-Fraktion, Gerrit Huy, ist das
größte Problem die "schlechte Entwicklung der Arbeitsproduktivität". Sie
stagniere oder wachse weit unterdurchschnittlich seit gut zehn Jahren.
"Wir haben zu wenig Investitionen in Rationalisierung und Innovation,
die für eine Verbesserung sorgen könnten. Es ist halt nicht mehr
attraktiv, in Deutschland zu investieren." Hierin liege der "wesentliche
Schlüssel für eine Stabilisierung und Verbesserung unserer Renten",
sagte Huy und kritisierte Reiche: "Statt die arbeitende Bevölkerung zu
beschimpfen, soll sie erst einmal zeigen, was sie kann."
Die
AfD-Politikerin sagte zudem, das "mögliche Arbeitsvolumen" werde
erheblich durch fünf Millionen Erwerbsfähige reduziert, die "nicht oder
nicht ihren Lebensunterhalt deckend arbeiten. Vier Millionen von ihnen
sitzen trotz vieler offener Stellen im Bürgergeld." Hinzu komme eine
"sehr hohe Teilzeit-Arbeitsquote, insbesondere bei Frauen". Dies dürfe
nicht einem Mangel an Kita-Plätzen geschuldet sein: "Deshalb fordern wir
auch eine Priorisierung berufstätiger Eltern bei der Platzvergabe." Als
weiteres Problem machte Huy einen späten Berufseintritt aus: "Das liegt
unter anderem daran, dass bei uns das durchschnittliche Alter, in dem
eine Ausbildung begonnen wird, inzwischen bei 20 Jahren liegt."
Die
schwarz-rote Regierung ringt nach dem Vorstoß von Reiche um eine neue
Rentenpolitik. Sebastian Roloff, wirtschaftspolitischer Sprecher der
SPD-Fraktion, hält ihren Ansatz für falsch. "Die Argumentation von Frau
Reiche ist stark verkürzt und wird der Lage nicht gerecht", sagte Roloff
dem "Spiegel".
Es sei zwar korrekt, dass Deutschland mehr
Arbeitskraft benötige, "das kann man aber nicht pauschal über eine
Erhöhung des Renteneintrittsalters erzwingen". Roloff setzt hingegen auf
den Zuzug von Fachkräften und will ältere Erwerbstätige lieber durch
Anreize statt Zwang für längeres Arbeiten begeistern. Möglich seien
Steuererleichterungen und ein flexiblerer Eintritt ins Rentenalter - es
sind Pläne der alten Ampelregierung vom vergangenen Herbst.
Quelle: dts Nachrichtenagentur