Abschiebungen: Juristen werten AfD-Vorschlag als verfassungswidrig
Die Forderung des AfD-Fraktionsvorsitzenden in Mecklenburg-Vorpommern, Nikolaus Kramer, nach einer Abschiebung von "straffällig gewordenen Mehrstaatlern", wird von Staatsrechtlern als verfassungswidrig bewertet. "Eine solche Forderung ist mit den Vorgaben des Grundgesetzes unvereinbar", sagte der Rechtsprofessor Markus Ogorek, Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Verwaltungslehre der Universität zu Köln, der "Welt"
Volker Boehme-Neßler, Professor für Öffentliches Recht an der
Universität Oldenburg, stimmt ihm zu. "Der Vorschlag des AfD-Politikers
ist klar verfassungswidrig", sagte er.
Kramer hatte am Sonntag
mit Bezug auf den von einem Deutsch-Türken getöteten Polizisten im
saarländischen Völklingen dem Bericht zufolge mitgeteilt: "Dieser Fall
ist ein trauriger Beleg dafür, dass wir es uns nicht länger leisten
können, diese straffällig gewordenen Mehrstaatler hier im Land zu
dulden. Wer unsere Sicherheitskräfte angreift, verwirkt jedes Recht,
weiterhin in Deutschland zu leben. Solche Täter gehören in ihr zweites
Heimatland abgeschoben - ohne Wenn und Aber."
Nach einer Anfrage
der Zeitung rudert der mecklenburg-vorpommerische AfD-Fraktionschef
Kramer zurück. Es gehe darum, den Entzug der Staatsangehörigkeit bei
Doppelstaatlern "auf weitere besonders schwere Straftaten - darunter
Angriffe auf Sicherheitskräfte - auszudehnen", so Kramer. "Wer eine
doppelte Staatsangehörigkeit besitzt und durch Gewalttaten gegen
Polizisten unser Recht und unsere Sicherheit mit Füßen tritt, muss
künftig damit rechnen, dass ihm die deutsche Staatsangehörigkeit
entzogen und er in sein anderes Heimatland abgeschoben wird."
Der
AfD-Fraktionschef hebe damit "nicht nur auf schwerste Kapitaldelikte
ab, sondern auch etwa auf den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte beim
Wegtragen von Demonstranten oder einfache körperliche Gewalt gegen
Ordnungskräfte", sagte Verfassungsrechtler Ogorek. "Es liegt auf der
Hand, dass der Passentzug bei Doppelstaatlern unter derart weiten
Voraussetzungen verfassungswidrig wäre."
Verfassungsrechtler
Boehme-Neßler sagte, wenn straffälligen Doppelstaatlern die
Staatsbürgerschaft entzogen werden könnte, gäbe es eine
"Staatsbürgerschaft zweiter Klasse", die das Grundgesetz nicht kenne.
Der
ehemalige Bundesverfassungsrichter Peter Michael Huber, Inhaber des
Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Staatsphilosophie an der
Ludwig-Maximilians-Universität München, sagte der "Welt" zum Verlust der
Staatsangehörigkeit, man könne im Staatsangehörigkeitsrecht ergänzen,
dass Doppelstaatler auch bei der Begehung von Kapitaldelikten die
Staatsbürgerschaft verlieren könnten. "Ein Angriff auf Sicherheitskräfte
reicht in dieser Allgemeinheit nicht. Das ist zu unbestimmt und würde
auch Bagatellen umfassen."
Quelle: dts Nachrichtenagentur