Union will Gesetz zur Überwachung von Tatverdächtigen
Die Unionsfraktion im Bundestag fordert eine Gesetzesverschärfung zum besseren Schutz von Verfahrensbeteiligten und zur Überwachung von Tatverdächtigen. "Wer in Strafverfahren aussagt oder entscheidet, verdient den bestmöglichen Schutz - gerade im Umfeld organisierter Kriminalität", sagte die rechtspolitische Sprecherin der Fraktion, die CSU-Abgeordnete Susanne Hierl, der "Welt am Sonntag".
Die Union sei offen dafür, einen entsprechenden Gesetzesentwurf im Bundestag einzubringen.
Konkret
geht es um einen Vorschlag des Landes Berlin, der im vergangenen Jahr
als Bundesratsinitiative eingebracht worden war. Der Entwurf sah vor,
Bedrohungen und Einschüchterungsversuche gegen Zeugen, Richter und
andere Verfahrensbeteiligte als besonders schweren Fall der Nötigung zu
definieren. Außerdem sollten Ermittler in solchen Fällen die Möglichkeit
erhalten, Telekommunikations- und Standortdaten von Tatverdächtigen zu
erheben. Der Antrag passierte die Ausschüsse, wurde aber vor der
Abstimmung im Bundesratsplenum zurückgezogen, da sich keine Mehrheit
abzeichnete - insbesondere wegen des Widerstands aus Ländern mit grüner
Regierungsbeteiligung.
Die Unionsfraktion will den Berliner
Vorschlag nun im Bundestag aufgreifen, könnte aber am Koalitionspartner
scheitern. Denn die SPD lehnt die angedachte Ausweitung von
Ermittlungsbefugnissen ab. "Eine Ausweitung von Überwachungsmaßnahmen
wie Telekommunikationsüberwachung oder Verkehrsdatenabfragen ist aus
unserer Sicht nicht tragbar", sagte die rechtspolitische Sprecherin der
SPD-Bundestagsfraktion, Carmen Wegge. "Wer jetzt reflexhaft nach mehr
Überwachung ruft, verkennt die eigentlichen Herausforderungen." Man
brauche vor allem eine bessere Ausstattung der Justiz sowie einen
gestärkten Zeugenschutz. Für eine sachliche Debatte sei die SPD offen.
Auch
die Grünen lehnen den Vorschlag ab. "Bei dem Gesetzesentwurf handelt es
sich offensichtlich um reine Law-and-Order-Symbolpolitik", sagte Lena
Gumnior, Obfrau der Grünen im Rechtsausschuss. Die CDU liefere keine
belastbaren Belege für eine Zunahme entsprechender Straftaten.
Bestehende Vorschriften reichten aus, um Bedrohungen zu ahnden.
Nach
Angaben der Länder ist die Bedrohungslage schwer messbar. Eine
bundesweite Statistik existiert nicht. Niedersachsen registrierte im
Jahr 2024 insgesamt 156 Beleidigungen, 54 Bedrohungen und neun tätliche
Angriffe gegen Justizbedienstete. Baden-Württemberg zählte 195
sicherheitsrelevante Vorkommnisse. Hessen, Sachsen-Anhalt und Thüringen
berichten von zunehmenden Einschüchterungen in der Justiz.
Rheinland-Pfalz verweist auf geringe Fallzahlen, Nordrhein-Westfalen
erhebt entsprechende Daten erst seit April 2024.
Bayern
unterstützt die Berliner Gesetzesinitiative ausdrücklich und verweist
auf einen deutlichen Anstieg gemeldeter Vorfälle: Zwischen Juli 2022 und
Juni 2023 wurden im Geschäftsbereich Justiz 541 Gewaltvorkommnisse
registriert, nach 304 Fällen im Jahr 2020.
Ob es zu einer neuen
Gesetzesinitiative im Bundestag kommt, ist jedoch unklar. "Wir sind
offen dafür, gemeinsam mit dem Koalitionspartner die Berliner Vorschläge
im Bundestag aufzugreifen und in eine eigene Gesetzesinitiative zu
überführen", sagte CSU-Politikerin Hierl. Eine Zustimmung der Länder
wäre in diesem Fall nicht erforderlich.
Quelle: dts Nachrichtenagentur