Nachhaltiges Regieren: Deutschland muss Großbaustellen angehen

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Deutschlands Ausgangsposition für nachhaltiges Regieren ist gut: Im OECD-Ländervergleich zu den Voraussetzungen langfristorientierter Politikgestaltung landet Deutschland auf Platz 5. Besser schneiden nur Dänemark, Finnland, Schweden und Norwegen ab.
Doch die Sustainable Governance Indicators (SGI) der Bertelsmann Stiftung mit ihren 144 Indikatoren zeigen auch: Ohne gezielte Anstrengungen bei der Stärkung seiner Demokratie, der Transformation der Wirtschaft und der Modernisierung des Sozialstaats könnte Deutschland seine gute Position verlieren.
Im internationalen Vergleich verfügt Deutschland über zahlreiche Trümpfe. Die Demokratie ist robuster als in vielen anderen EU- oder OECD-Staaten, seine Beschäftigungs- und Sozialpolitik ist sehr umfassend aufgestellt. Auch die Evidenzbasierung der Politik oder die Voraussetzungen für den Umbau zu einer nachhaltigen Wirtschaft können sich sehen lassen. "Diese gute Ausgangsposition darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bei Deutschlands Dauerbaustellen zuletzt nur wenig Fortschritte gab. Seit 2010 hat es keine große Strukturreform mehr gegeben. Weder beim Föderalismus, der Staatsmodernisierung, dem Arbeitsmarkt, in der Sozialpolitik oder in der Steuerpolitik", sagt Christof Schiller, Experte der Bertelsmann Stiftung für nachhaltige Politikgestaltung.
Dabei spielt die Stärkung der Demokratie eine zentrale Rolle. Zwar scheint das demokratische System in Deutschland widerstandsfähiger zu sein als anderswo. Doch im Innenleben der Demokratie ist das Bild durchwachsen. Bei der interministeriellen Koordination liegt Deutschland nur auf einem 18. Platz. Nachholbedarf gibt es bei Krisenvorsorge und zielgenauer Gesetzgebung. "Wie wichtig es ist, auch den Maschinenraum der Demokratie - also etwa Parlament und Verwaltung - zu stärken, sehen wir derzeit in gleich mehreren Industriestaaten ", sagt Schiller.
Grundlage des Rankings sind die Sustainable Governance Indicators, mit denen sich Fortschritte hin zu einer nachhaltigen Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik vergleichen lassen. Die Indikatoren erlauben auch Aussagen über den Zustand der Demokratie und das Regierungssystem.
Wichtig ist die Umsetzung von Klimaneutralität und zirkulärer Wirtschaft voranzutreiben. Hier rangiert Deutschland auf dem siebten Platz. Beim Thema "Modernisierung der kritischen Infrastruktur" reicht es nur zu einem neunten Platz, noch schlechter sieht es bei der Beschleunigung der Energiewende aus (Rang 15).
Die Studie zeigt, dass die Stärkung der Bildungsqualität und -gerechtigkeit ganz weit oben auf die Aufgabenliste gehört (Rang 17). Dringenden Handlungsbedarf gibt es bei der nachhaltigen Integration von Migrant:innen (Rang 20). Bei der Aufgabe, die Rente "demografiefest" zu machen liegt Deutschland nur auf Rang 21.
Die Ansätze für Reformen muss Deutschland nicht eigens erfinden. Die SGI-Daten zeigen, wie gut es Norwegen gelungen ist, politische Extreme einzuhegen. Die Schweiz ist vorbildlich dabei vorgegangen, seine kritische Infrastruktur zu schützen. "Und Dänemark hat sein Rentensystem demografie- und armutsfest ausgestaltet und viel für die Stärkung der Familie getan," sagt Thorsten Hellmann, Wirtschaftsexperte der Bertelsmann Stiftung.
Quelle: Bertelsmann Stiftung (ots)