Pistorius will auf Wehrpflicht-Automatismus verzichten
In der Bundesregierung verschärft sich der Konflikt um die Frage, ob der neue Wehrdienst bei Bedarf ein Pflichtelement enthalten soll. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat nach Informationen des "Redaktionsnetzwerks Deutschland" zwar am Donnerstag bei einer Digitalschalte führende Vertreter der Koalitionsfraktionen über die Eckpunkte seines Gesetzes informiert.
Demnach plane er bereits 2026 mit der Rekrutierung von 15.000 neuen
Wehrdienstleistenden, und bis 2029 dann mit circa 114.000. Allerdings
habe er weder eine Zahl, noch einen Zeitpunkt genannt, an dem das Ziel
überprüft und junge Männer bei Bedarf zwangsverpflichtet werden sollen.
Zudem
will Pistorius in das Gesetz keinen Automatismus aufnehmen, wonach das
Pflichtelement dann automatisch greifen würde. Stattdessen schwebt
Pistorius nach RND-Informationen vor, dass er als Minister selbst
definiert, ab wann der Personalbedarf der Bundeswehr als nicht gedeckt
gilt. In diesem Fall würde er einen zweiten Gesetzentwurf vorlegen, der
die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht zum Inhalt hätte und anschließend
vom Kabinett und der Mehrheit des Bundestages beschlossen werden müsste.
CDU/CSU-Fraktionsvize
Norbert Röttgen kritisierte die Pläne. "Der Verteidigungsminister hat
wiederholt und glaubhaft dargelegt, dass Russland in vier bis fünf
Jahren militärisch in der Lage sein wird, in Europa großräumig Krieg zu
führen", sagte er dem RND. "Darüber hinaus kann keiner ausschließen,
dass Putin auch schon früher versucht, die Glaubwürdigkeit von Artikel 5
des Nato-Vertrages zu testen." Diese Bedrohungslage sei der einzige
relevante Maßstab, an dem die Pläne für den Wehrdienst zu messen seien.
Deutschland
dürfe nicht erneut sehenden Auges und unvorbereitet in ein gefährliches
Risiko laufen, sagte Röttgen. "Dieser Kernanforderung werden die Pläne
von Pistorius - neben vielen guten einzelnen Ideen - leider noch nicht
gerecht." Entscheidend sei in erster Linie eine Zahl, so Röttgen: "der
Aufwuchs der stehenden Streitkräfte von jetzt in Wahrheit 170.000 statt
der angeblichen 182.000 auf 260.000 bis 2035, wie Deutschland es der
Nato gerade zugesagt hat."
Die Frage, wie und wann die für die
Verteidigung entscheidende Zahl der Zeit- und Berufssoldaten erreicht
werden soll, bleibe jedoch offen: "Darum müssen im Gesetzentwurf ein
Zeitpunkt und eine Zielgröße für den in diesem Zeitraum zu erreichenden
Aufwuchs der aktiven Soldatinnen und Soldaten festgelegt werden",
forderte Röttgen. "Wird diese Zielgröße im definierten Zeitraum nicht
erreicht, muss automatisch der Wechsel vom Modell der Freiwilligkeit zur
Wehrpflicht erfolgen."
Der Verteidigungsminister will den
Eckpunkten zufolge alle jungen Männer und Frauen eines Jahrgangs
anschreiben und um Auskunft zu ihren Fähigkeiten sowie zur Bereitschaft
bitten, Wehrdienst zu leisten. Die Männer müssten antworten und zur
Musterung erscheinen. Eine Wiedereinsetzung der Wehrpflicht will
Pistorius umgehen, indem er den Wehrdienst möglichst attraktiv
gestaltet. Experten bezweifeln, dass das ausreicht. Der Gesetzentwurf
soll Ende August vom Kabinett verabschiedet und anschließend vom
Bundestag beraten werden.
Quelle: dts Nachrichtenagentur