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Litsch: Spahn ist auf dem ordnungspolitischen Holzweg

Archivmeldung vom 16.04.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.04.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Martin Litsch
Martin Litsch

Von AOK-Bundesverband - AOK-Bundesverband, CC BY-SA 3.0 de, Link

Die AOK-Gemeinschaft bekräftigt in ihrer heute vorgelegten Stellungnahme zum Referentenentwurf des sogenannten "Faire-Kassenwahl-Gesetzes" (GKV-FKG) ihre Kritik an den Plänen des Bundesgesundheitsministers: "Herr Spahn ist auf dem ordnungspolitischen Holzweg", sagt Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, aus Anlass der Vorstellung des Papiers.

Das Vorhaben, die regionalen Krankenkassen zu einer bundesweiten Öffnung zu zwingen, mache die Kassenwahl nicht fairer, sondern führe zu einem falschen Kassenwettbewerb: "Gute und passgenaue Versorgungsverträge entstehen vor allem dort, wo Ortskenntnis, hoher Marktanteil und regionales Engagement vorhanden sind. Nur dann stehen sowohl genügend personelle Ressourcen als auch finanzielle Mittel zur Verfügung, um innovative Versorgungsformen ins Leben zu rufen und voranzubringen", so Litsch. Eine Öffnung der regionalen Kassen für Versicherte aus anderen Regionen werde daher nicht zu einer besseren Versorgung führen, sondern zu einem einseitigen Fokus auf den Preiswettbewerb. Daher sei das Gesetz eine Mogelpackung.

Zentralisierung und Vereinheitlichung statt Versorgungswettbewerb

Der Wettbewerb um den günstigsten Beitragssatz, der mit dem GKV-FKG gefördert wird, interessiere "vor allem junge und gesunde Versicherte", so Litsch. Für Versichertengruppen wie chronisch Kranke, die auf qualitativ hochwertige Versorgungsangebote der Krankenkasse vor Ort angewiesen sind, habe das Ganze dagegen keinen Mehrwert. Aufgrund der spezifischen Strukturen der Leistungserbringer in den einzelnen Regionen könne nicht jeder erfolgreiche Vertrag einfach von einer Region in die andere übertragen werden. So habe zum Beispiel das Hausarztmodell der AOK Baden-Württemberg für einen Versicherten, der ihm in Hamburg beitritt, keinen Sinn. "Das ordnungspolitische Ziel der Öffnung bleibt völlig unklar", kritisiert Litsch. Statt die Gestaltungsspielräume der Kassen vor Ort zu erweitern, setze das Gesetz auf Zentralisierung und Vereinheitlichung von Versorgungsstrukturen. Aktuell können die elf AOKs zahlreiche innovative und regionalspezifische Versorgungsverträge und über 1.200 Geschäftsstellen vorweisen, während sich viele bundesweit konkurrierende Kassen aus der Versorgungssteuerung und aus der Fläche zurückgezogen hätten.

Juristen sehen Zustimmungsplicht der Länder

Der AOK-Vorstand weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die organisationsrechtlichen Änderungen des Gesetzes aus Sicht der Rechtsexperten der AOK die Zustimmung der Bundesländer benötigen: "Sowohl das Grundgesetz als auch die sozialrechtlichen Regelungen sehen grundsätzlich eine Trennung der Kassenstrukturen und der Aufsichten auf Bundes- und Landesebene vor", so Litsch. Die unmittelbare gesetzliche Einführung einer einheitlichen Rechtsaufsicht erfordere daher eine Änderung des Grundgesetzes. Der vom GKV-FKG stattdessen eingeschlagene Weg einer mittelbaren Kompetenzverlagerung durch eine Entregionalisierung mache allerdings verwaltungsrechtliche Folge-Regelungen mit Wirkung für die Länder erforderlich: "Die bestehenden Verwaltungsstrukturen auf Landesebene sind mit der Neuregelung der Kassenorganisation nicht mehr vereinbar." Die notwendige Neuregelung zur künftigen Verfasstheit und Aufgabenwahrnehmung der Kranken- und Pflegekassen im vertraglichen Versorgungsgeschehen auf Landesebene fehle im Gesetzesentwurf schlichtweg.

RSA-Teil: Für jeden etwas dabei

Die im Referentenentwurf enthaltenen Pläne zur Weiterentwicklung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA) zwischen den Krankenkassen sieht die AOK differenziert: Die vorgesehene Einführung eines Krankheits-Vollmodells sowie von Altersinteraktionstermen seien stringent, sagt der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Jens Martin Hoyer: "Alle Experten sind sich einig, diese Maßnahmen zu einer deutlichen Verbesserung der Zielgenauigkeit bei kranken und gesunden Versicherten führen." Die vorgeschlagene Nicht-Berücksichtigung der Erwerbsminderungsrentner widerspreche dagegen den Empfehlungen der Experten aus dem Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesversicherungsamt. "Das ist ordnungspolitisch fatal und setzt eine besonders schutzbedürftige Versichertengruppe massiven Anreizen zur Risikoselektion aus", so Hoyer. Die Einführung einer sogenannten Regionalkomponente erweise sich bei näherem Hinsehen als "getarnter Metropolenzuschlag". Eine solche Maßnahme leite finanzielle Mittel aus strukturschwachen, oft ländlichen Regionen in überversorgte städtische Gebiete.

Der ebenfalls vorgesehene Risikopool für kostenintensive Krankheiten ist aus Sicht der AOK nicht zielführend. "Das Vollmodell soll dafür sorgen, dass künftig alle ausgabenintensiven Krankheiten mit Zuschlägen bedacht werden. Bevor man also einen zusätzlichen Risikopool schafft, sollte erst einmal die Wirkung des Vollmodells beobachtet und dann in der Logik des RSA nach Ansätzen zum Abbau der gegebenenfalls verbleibenden Unterdeckungen gesucht werden. Ein Ist-Kosten-Ausgleich setzt dagegen falsche Anreize, zumal ein Risikopool mit hohem Verwaltungs- und Prüfaufwand verbunden wäre."

Zielgenaue Versorgungsverträge gefährdet

Die AOK begrüßt außerdem Maßnahmen zur Stärkung der Manipulationsresistenz in den Datengrundlagen für den RSA. Diese müssten allerdings kalkulierbar sein und Rechtsicherheit schaffen. Zudem dürften sie nicht zielgenaue Versorgungsverträge inklusive der Vergütung medizinischer Leistungen konterkarieren. "Wir unterstützen das bereits bestehende Verbot der Vergütung von Diagnosekodierungen und die Einführung von ambulanten Kodierrichtlinien", so Hoyer. Aus Sicht der AOK-Gemeinschaft besteht aber die Gefahr, dass das Gesetz übers Ziel hinausschießt: So soll die Vergütung von Leistungen, die aus medizinischen Gründen ganz gezielt besonderen Patientengruppen mit bestimmten Krankheiten angeboten werden, nur noch unter Rekurs auf einen "allgemein Krankheitsbegriff" erlaubt sein. "Das wäre ein K.-o.-Kriterium für viele Versorgungsverträge für spezifische Patientengruppen", kritisiert Jens Martin Hoyer.

Die gesamte Stellungnahme des AOK-Bundesverbandes zur Fachanhörung im Bundesgesundheitsministerium am 6. Mai steht im Internetauftritt des Verbandes zum Download bereit: https://www.aok-bv.de/positionen/stellungnahmen/

Scharfe Kritik der Selbstverwaltung

Bereits am Freitag (12. April) hatte der Aufsichtsrat des AOK-Bundesverbandes eine Resolution zum Referentenentwurf für das GKV-FKG verabschiedet. Darin betont das Gremium den Stellenwert der sozialen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen, lehnt die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn geplante bundesweite Öffnung der AOKs strikt ab und kritisiert scharf "die Politik eines zunehmend ministeriell gelenkten Gesundheitswesens". Die Resolution steht ebenfalls zum Download bereit: https://www.aok-bv.de/presse/pressemitteilungen/2019/index_22007.html

Quelle: AOK-Bundesverband (ots)

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