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Sozial-Experte kritisiert 3G für Obdachlose in Berlin: „Das ist Drangsalierung“

Archivmeldung vom 29.12.2021

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.12.2021 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Anja Schmitt
Obdachlose
Obdachlose

Bild: © CC0 / useche70 / Pixabay

Wer aktuell in Berlins Bahnhöfen ohne negativen Corona-Test, Geimpften- oder Genesenen-Nachweis erwischt wird, dem drohen Konsequenzen in Form von Bußgeldern. Betroffen sind nicht nur alle Fahrgäste, sondern auch alle Obdachlosen. „Die Politik will wohnungslose Menschen nicht in der Stadt haben“, kritisiert Sozial-Referent Robert Trettin.

Die deutsche Ausgabe des russischen online Magazins "SNA News" schreibt weiter: "Seit dem achten Dezember können sich in Berlin wohnungslose und obdachlose Menschen behördlichen Ärger und Strafen einhandeln, wenn sie unter gewissen Umständen auf Bahnhöfen angetroffen werden.

Der Berliner Senat hatte damals zur Eindämmung der Corona-Neuinfektionen die 3G-Regel auf alle Fahrgäste im öffentlichen Personennahverkehr sowie Obdachlose an Bahnsteigen ausgeweitet. Die Sozialverwaltung versucht laut Medien seitdem, die geschätzt 10.000 wohnungslosen Menschen in Berlin mit Impfungen und Covid-Tests zu versorgen.

„Wo sollen sie dann hin?“

In einem Video-Interview mit SNA News kurz vor Weihnachten kritisierte der Berliner Referent für Gesundheits- und Sozialpolitik und frühere Vize der „Nationalen Armutskonferenz“ (NAK), Robert Trettin, die 3G-Maßnahme für Obdachlose an Bahnsteigen mit drastischen Worten.

Was die 3G-Regel für Obdachlose anbelangt: Das ist eine weitere Drangsalierung. Man will ja (als Politik, Anm. d. Red.) die Obdachlosen eben nicht auf den Bahnhöfen oder in der Stadt haben. Nur ein Hinweis: Die Stadtmöbel wie Parkbänke werden so gebaut, dass sich Obdachlose darauf nicht hinlegen können. Anstatt jetzt zu sagen, Obdachlose gehören zum Stadtbild dazu, will man sie weg haben. Deshalb auch die Räumungen einiger Plätze. Beispielsweise dieser Platz am Bahnhof Lichtenberg, wo die Obdachlosen dann verdrängt werden. Wo sollen sie dann hin? Unter die Brücke? Dann müssen sie auch wieder aufpassen, dass sie dort nicht belangt werden, weil sie wild campen. Das ist die ganze Misere.“Robert Trettin ehemaliger Vize-Sprecher der NAK

„Kampf gegen Obdachlosigkeit Sache der Bundespolitik“

Im Februar räumte die Stadt durch Polizeikräfte eine sogenannte „Zeltstadt“ wohnungsloser Menschen in der Rummelsburger Bucht im östlichen Berlin. „Das Obdachlosencamp an der Rummelsburger Bucht wurde geräumt“, berichtete damals die Zeitung „Taz“. Linke und Grüne hatten demnach „die Situation unterschiedlich bewertet“. Ein linker Kommunalpolitiker in Berlin-Lichtenberg bezeichnete das Vorgehen als Hilfsaktion, von „einer Räumung“ wollte er nicht sprechen. Andere Beobachter kritisierten, die Aktion hätte „zu spontan, ohne Dolmetscher:innen und mitten in der Nacht“ die obdachlosen Menschen unvorbereitet getroffen.

„Ich denke, da muss dringend etwas getan werden“, appellierte SNA-Interviewpartner Trettin an politische Entscheidungsträger in Berlin und im Bund. Schon seit Jahrzehnten kämpft der in Ost-Berlin lebende Referent für Sozialpolitik gegen Obdachlosigkeit und engagiert sich für Menschen ohne festen Wohnsitz.

„Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit darf nicht länger in kommunaler Hand bleiben“, forderte der ex-NAK-Sprecher und benannte strukturelle Probleme. „Sondern das ist eine Bundesangelegenheit. Das Problem haben wir ja mittlerweile nicht nur in Berlin, sondern auch in vielen Kleinstädten und auf den Dörfern, dass Menschen obdachlos sind.“

Kann Berlin flächendeckend 3G kontrollieren?

„Durch die 3G-Regel im öffentlichen Nahverkehr trifft der kalte Winter vulnerable Personengruppen dieses Jahr mit zusätzlicher Härte“, kritisiert die „Berliner Obdachlosenhilfe“ in einer aktuellen Petition, die die Hilfsorganisation auf den Weg bringen will. „Der #Öffibann schränkt den Zugang zum öffentlichen Leben fundamental ein und verwehrt Obdach- und Wohnungslosen (...) den Zugang zu lebensnotwendiger Mobilität und wärmenden Zufluchtsorten.“ Daher fordert sie, auch angesichts drohender Kältetote, von der Politik:

„Herr Verkehrsminister Volker Wissing, Herr Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Herr Sozialminister Hubertus Heil, wir fordern eine bundesweite 3G-Ausnahmeregelung für Obdachlose, Wohnungslose (...) mit sofortiger Gültigkeit! (...) Für Berlin fordern wir die frisch ernannten Senatorinnen Bettina Jarasch für Verkehr, Ulrike Gote für Gesundheit und Katja Kipping für Soziales dazu auf, die 3G-Regelung am Bahnsteig sofort abzuschaffen!“

„3G in Berlin: Senat verbannt Obdachlose von Bahnsteigen“ berichtete die „Berliner Zeitung“ Anfang Dezember. „Obdachlose ohne 3G-Nachweis dürfen nicht mehr vor der Kälte auf Bahnsteigen Zuflucht suchen. Der Senat bedauert die Entscheidung, bleibt aber hart.“

Allerdings muss mit Blick auf den öffentlichen Nahverkehr in der Hauptstadt auch gesagt werden: Wer aktuell mit offenen Augen beispielsweise als Fahrgast das Berliner U-Bahnnetz nutzt, der sieht an der einen oder anderen Haltestelle durchaus noch Ansammlungen von augenscheinlich obdachlosen Menschen, die im Winter der Kälte im warmen Inneren der U-Bahnhöfe entfliehen.

Demzufolge bleibt es fraglich, ob Stadt und städtische Verkehrsbetriebe personell und organisatorisch überhaupt in der Lage sind, flächendeckend und rund um die Uhr an den über 7000 Haltestellen und Bahnsteigen Berlins 3G kontrollieren zu können."

Quelle: SNA News (Deutschland)

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