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Corona-Krise: Was gegen Angst und Panikattacken hilft

Archivmeldung vom 01.04.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.04.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Angst. Bild: pixelio.de, G. Altmann
Angst. Bild: pixelio.de, G. Altmann

Kurzarbeit, Umsatzeinbrüche, Insolvenzen - die Coronakrise ist ein Stresstest für die Psyche von Angestellten, Führungskräften, und Freiberuflern. Viele kämpfen mit Angst und Panikattacken. Doch es gibt Strategien und Ratschläge dagegen.

"Viele Menschen stehen derzeit vor der möglicherweise größten Herausforderung ihres Lebens", sagt Dr. Christian Graz, Chefarzt der Psychosomatik der Max Grundig Klinik. Die Coronakrise bringt sie an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit. Trotz des enormen Drucks dürfen Regungen wie Wut, Ohnmacht, Hoffnungs- und Ratlosigkeit aber nicht überhandnehmen.

Um gesund durch die Coronakrise zu kommen, gehört gerade jetzt ein hohes Maß an Disziplin und Resilienz. Wer sich subjektiv "nicht in den Griff bekommt", wird möglicherweise falsche Entscheidungen treffen und die ohnehin schwierige Situation noch verschlimmern. Es geht darum, nicht in einen Teufelskreislauf von katastrophisierenden Gedanken, unangenehmen physiologischen Erregungen, verzerrender Wahrnehmung mit in der Folge Angstreaktionen, Schlaflosigkeit und Grübelschleifen bis hin zu Panikattacken zu geraten.

Strategien gegen die Angst

Deshalb rät Dr. Christan Graz: "Gegen Angstzustände in der aktuellen Ausnahmesituation gehört der Aufbau eines persönlichen Krisenmanagements." Dinge müssen zunächst priorisiert werden: Was ist derzeit am wichtigsten? Welche Rolle will ich dabei einnehmen? Wie bleibe ich körperlich, emotional und sozial gesund? Wie schütze ich meinen engsten Kreis an Personen?

Punkt zwei ist eine realistische Situationsanalyse. "Mir berichten derzeit viele Menschen, dass sie Horrorszenarien durchleben und zum Beispiel Bilder der großen Depression Anfang der 30er Jahre im Kopf haben: Hunger, Armut, Elend," so Graz weiter. Der Rat lautet: Es ist an der Zeit, sich mit der deutschen Geschichte auseinanderzusetzen und daraus zu lernen, dass unsere heutige Wohlstandsgesellschaft auch in der Krise funktionieren wird. Niemand wird ohne Dach über dem Kopf dastehen, im Winter frieren oder nicht genügend zu essen haben. Solche Rationalisierungen können helfen, die Angst in den Griff zu bekommen.

Wer seine Angst bekämpfen will, sollte sich zunächst gut informieren und allgemeine Aspekte einer Angst verstehen:

Angst ist zunächst einmal ein natürlicher und lebenswichtiger Schutzmechanismus, der zur Vorsicht mahnt. Angstreaktionen sind damit ein sinnvolles biologisches Muster, das der Lebenserhaltung dient. Wird der Mensch mit real belastenden und existentiell bedrohlichen Ereignissen wie in Zeiten der Coronakrise konfrontiert, reagiert er zunächst mit einer allgemeinen Überforderung. Dabei zeigt sich die Angst auf 4 verschiedenen Ebenen: Im Denken (z.B. "Ich werde schwer erkranken", "ich kann meinen beruflichen Rollen nicht mehr gerecht werden"), auf körperlicher Ebene (z.B. Herzrasen, Atemnot, Schwitzen, Magenbeschwerden), im Bereich von Gefühlen (z.B. "Ich fühle mich verzweifelt, ratlos, insuffizient) und letztlich auf Verhaltensebene (z.B. flüchten, vermeiden, Fehlentscheidungen treffen etc.).

Im Teufelskreislauf gefangen, erwarten wir dann subjektiv die "reale" Katastrophe und überbewerten Negatives. Aus ängstlichen Katrastrophengedanken werden quasi Fakten gemacht.

In diesem inneren Überlebenskampf schüttet die Nebenniere Stresshormone (Katecholamine und Glukokortikoide) aus, Energiereserven werden so freigesetzt, um sich auf den "Kampf" vorzubereiten. Über weitere Regelkreisläufe kommt es dabei auch zur Aktivierung des Sympathikus mit subjektiv spürbaren körperlichen Symptomen wie einer erhöhten Herz- oder Atemfrequenz. Wir bewerten dann im nächsten Schritt diese Körperreaktion als real bedrohliche Situation. Übertragen aus dem Tierreich: das Coronavirus ist die Raubkatze, wir Menschen die gejagte Antilope.

Dr. Christian Graz erläutert: "Dieser Stress-Zustand ist wiederum ein gefährlicher Nährboden für somatische Erkrankungen, insbesondere aber das Auslösen psychischer Störungen." Um die hohe Stresskurve zuverlässig nach unten zu bringen, helfen Schlafhygiene, Bewegungseinheiten wie beispielsweise längere Spaziergänge, Entspannungsübungen wie Atemübungen, Yoga, Meditation oder progressive Muskelrelaxation.

Hat die Angst Krankheitswert sollte immer der Experte aufgesucht werden. In der kognitiven Verhaltenstherapie werden dann gemeinsam mit dem Patienten die verzerrten Grundannahmen und Denkfehler aufgedeckt und durch entkatastrophisierende Alternativgedanken ersetzt; hierbei werden beispielsweise Pro- und Contra-Argumente herausgearbeitet.

In zwischenmenschlichen Bereichen reagieren Menschen unter Stress häufig reizbar, ungehalten und unfair. Um solche Verhaltensweisen zu kontrollieren, kann die einfache "VW-Regel" helfen: Statt Vorwürfe sollte man Wünsche artikulieren. In der Quarantäne-Situation zu Hause können psychosoziale Alltagsspannungen auch vermieden werden, in dem gemeinsam ein Plan gegen die Langeweile entwickelt wird.

Negative Gefühle sind im Krisenfall ganz normal

Aber auch Folgendes müssen Menschen jetzt verstehen, die unter Verlust- und Existenzängsten leiden: Wenn uns das Leben vor schreckliche und völlig ungewohnte Situationen stellt, sind "gesunde" Ängste verständliche, nachvollziehbare und natürliche (Schutz-) Reaktionen von Körper und Geist. Der Chefarzt der Psychosomatik der Max Grundig Klinik abschließend: "Entsprechende Gefühle dürfen jetzt auch zugelassen werden. Wichtig ist lediglich, einen Weg heraus aus dem Teufelskreis der Angst zu finden und sich immer wieder zu stabilisieren."

Quelle: Max Grundig Klinik Bühlerhöhe (ots)


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