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Mütterliches Umarmen im Aufwachraum senkt Stress

Archivmeldung vom 09.09.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.09.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Bild: Q.pictures / pixelio.de
Bild: Q.pictures / pixelio.de

Etwa 450.000 Kinder im Alter von eins bis 15 Jahren werden in Deutschland jährlich vollstationär operiert [1,2]. Die Zeit direkt vor der Operation inklusive der Narkoseeinleitung bedeutet für sie sowie ihre Eltern bekannterweise Stress [3]. Die meiste Zeit verbringt die Familie am Operationstag jedoch postoperativ am Krankenbett des Kindes. Nach dem Aufwachen sind viele Kinder von der Anästhesie desorientiert, ängstlich und haben Schmerzen [4]. Um den prä- und postoperativen Disstress bei Kindern zu minimieren, haben Kinderanästhesiologen in den letzten Jahren eine Vielzahl von Strategien entwickelt.

Anlässlich des HAI 2015, dem Hauptstadtkongress der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e. V. (DGAI) in Berlin, diskutierten Experten die Erfahrungen und Methoden aus den letzten 50 Jahren Kinderanästhesie. U. a. wird der Anwesenheit der Eltern im prä- und postoperativen Setting zunehmende Bedeutung beigemessen [5]. Eine aktuelle Studie zeigt: Unterstützende Berührungen der Eltern und mütterliche Umarmungen wirken sich positiv auf den Disstress des Kindes im Aufwachraum aus [6].

„Die Kinderanästhesie ist in den letzten 50 Jahren extrem sicher geworden. Dennoch: Für Kinder bedeutet ein operativer Eingriff nach wie vor eine starke psychische Belastung verbunden mit hohem emotionalem Stress“, erklärte Universitätsprofessor Dr. Dr. Kai Zacharowski, Kongresspräsident des HAI, anlässlich des diesjährigen Hauptstadtkongresses. Die Kinderanästhesiologen arbeiten deshalb stetig daran, die Operationsbedingungen für die kleinen Patienten zu optimieren: Neben einer altersgerechten Vorbereitung auf den Eingriff mit einer reduzierten präoperativen Diagnostik und der Verwendung einer Kehlkopf(Larynx)-maske anstatt eines Beatmungsschlauches (Tubus), leistet vor allem die Prämedikation mit einer kinderfreundlicheren Gabe – Zäpfchen und oral anstatt Spritze – einen wichtigen Beitrag. Zudem hat der Ruf nach familienzentrierter Pflege die Aufmerksamkeit auf die Rolle der Eltern im medizinischen Kontext gelenkt [7]. Seit der ersten Untersuchung in den 1960er Jahren [8] wird kontrovers diskutiert, ob Kinder von dem Beisein eines Elternteils profitieren. Studien zum Einfluss des Verhaltens der Eltern auf den Distress der Kinder und die Bewältigung medizinischer Eingriffe führten bereits zu einer Reihe von klinisch relevanten Erkenntnissen [9,10]. Während einige Studien einen positiven Effekt belegen, gibt es ebenso Autoren, die einen negativen Einfluss durch die Anwesenheit der Eltern auf das Kind nachweisen. Diese Forschungsansätze konzentrierten sich jedoch mehrheitlich auf die verbale Interaktion der Eltern [9,10,11,12]. Überraschend wenig erforscht wurde bisher dagegen die elterliche Einflussnahme mit nonverbalen Verhaltensweisen.

Neue Studie: Elterliche Berührungen gegen Stress im Aufwachraum

Eine aktuelle Studie untersuchte in diesem Zusammenhang nun die elterlichen Berührungen des Kindes im Aufwachraum. Unterschieden wurden empathische Berührungen, um zu trösten und zu beruhigen, sowie solche, die mit medizinischen Verfahren verbunden oder der Unterstützung von Bewegungsabläufen dienen. Empathisch bedeutet zum einen umarmende Berührungen, sprich schaukeln, halten oder beim Kind im Bett liegen, und zum anderen tätschelnde/reibende, wie etwa Händchenhalten, tätscheln des Kopfes sowie reiben des Rückens. Das Ergebnis: Mütter umarmen signifikant häufiger als Väter. Die Anzahl der tätschelnden/reibenden und die den Bewegungsablauf bzw. ein medizinisches Vorgehen unterstützenden Berührungen unterschieden sich hingegen nicht. Insgesamt – sprich: egal auf welche Art – berührte der Vater sein Kind jedoch deutlich weniger als die Mutter. Zudem: Positiv auf den Disstress des Kindes wirkten sich nur die umarmenden Berührungen der Mutter sowie die unterstützenden beider Elternteile aus. Ein signifikanter Zusammenhang zwischen den väterlichen Umarmungen oder einem Tätscheln/ Reiben der Eltern konnte nicht festgestellt werden [6]. „Angesicht der Auswirkungen auf Schmerzen und die Erholung ist das Management des postoperativen Disstress von klinischer Wichtigkeit. Die Ergebnisse der Studie repräsentieren ergänzende Maßnahmen, die helfen können, das Setting für Kinder rund um eine Operation weiter zu optimieren“, resümierte Professorin Dr. med. Thea Koch, Präsidentin der DGAI, ergänzend.

Quellen:

[1] Statistisches Bundesamt (Hrsg.). Fallpauschalenbezogene Krankenhausstatistik (DRG-Statistik). Diagnosen, Prozeduren, Fallpauschalen und Case Mix der vollstationären Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern 2012. Fachserie 12, Reihe 6.4. 2013. S.45.

[2] Statistisches Bundesamt (Hrsg.). Fallpauschalenbezogene Krankenhausstatistik (DRG-Statistik). Diagnosen, Prozeduren, Fallpauschalen und Case Mix der vollstationären Patientinnen und Patienten in Krankenhäusern 2013. Fachserie 12, Reihe 6.4. 2014. S.45.

[3] Chorney JM, Kain ZN. Behavioral analysis of children’s response to induction of anesthesia. Anesthesia & Analgesia 2009; 109(5), 1434.

[4] Martin SR, Chorney JM, Cohen LL, Kain ZN. Sequential analysis of mothers’ and fathers’ reassurance and children’s postoperative distress. Journal of Pediatric Psychology 2013; 38, 1121–1129. doi: 10.1093/ jpepsy/jst061.

[5] Kretz FJ. Hauptstadtkongress der DGAI für Anästhesiologie und Intensivtherapie – HAI 2015. Vortrag “50 Jahre Kinderanästhesie – welche Lektionen haben wir gelernt?, 18.09.2015.

[6] Rancourt KM, Chorney JM, Kain Z. Children´s Immendiate Postoperative Distress and Mothers´ and Fathers´ Touch Behaviors. J Pediatr Psychol 2015; 1–8 doi: 10.1093/jpepsy/jsv069.

[7] Piira T et al. The role of parental presence in the context of children’s medical procedures: A systematic review. Child: Care, Health and Development 2005; 31, 233–243. doi: 10.1111/j.1365-2214.2004.00466.x.

[8] Schulman JL, Foley JM, Vernon DT, Allan D. A study of the effect of the mother's presence during anesthesia induction. Pediatrics 1967; 39:111–114.

[9] Chorney JM et al. Healthcare provider and parent behavior and children’s coping and distress at anesthesia induction. Anesthesiology 2009; 111, 1290–1296.

[10] Martin SR, Chorney JM, Cohen LL, Kain ZN. Sequential analysis of mothers’ and fathers’ reassurance and children’s postoperative distress. Journal of Pediatric Psychology 2013; 38, 1121–1129. doi: 10.1093/ jpepsy/jst061.

[11] Blount RL et al. The impact of adult behaviors and vocalizations on infant distress during immunizations. Journal of Pediatric Psychology 2008; 33, 1163–1174. doi: 10.1093/jpepsy/jsn030.

[12] McMurtry CM et al. When “don’t worry” communicates fear: Children’s perceptions of parental reassurance and distraction during a painful medical procedure. Pain 2015; 150, 52– 58. doi: 10.1016/j.pain.2010.02.021.

Quelle:  Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften

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