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Liebe geht DOCH durch den Magen: Erinnerungsplätzchen

Archivmeldung vom 08.11.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.11.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Grafik: Herbert Jost-Hof
Grafik: Herbert Jost-Hof

Man kann den Vorboten des Weihnachtsfests in den Supermärkten nicht entkommen, ebenso wenig wie manchen Erinnerungen.

In wie viel Wochen ist Weihnachten? – Du weißt es nicht und Du willst es nicht wissen. Dass schon wieder ein Jahr fast vorüber ist, empfindest Du als erschreckend. Das allerdings ist – dessen bist Du Dir sehr wohl bewusst – eine Frage des Alters. Es ist ja nicht so, dass Du Probleme mit dem Altern hättest. Aber das heißt auch nicht, dass es Dir Spaß machen oder leicht fallen muss.

Und davon abgesehen: In den Regalen der Supermärkte ist bereits seit Wochen Weihnachten … Spekulatius, Baum- und Lebkuchen stapeln sich neben Marzipanbroten und Plätzchen.
Plätzchen … Das ist auch so ein Stichwort.

Früher hatte Deine Mutter jedes Jahr zu Weihnachten Plätzchen gebacken. Nichts Aufwendiges, nur Spritzgebäck, in dieser Art, wie Frauen ihrer Generation solche Dinge tun: aus dem Handgelenk, ohne irgendein Maß, aufs Geratewohl. Was dann auch immer wieder das Ende war: ja, es war wohlgeraten, lecker, mit Nüssen und mit Kokosraspeln, mit Schokoladenguss oder auch ohne.

Dann, für einige Zeit, hatte sie ihre Produktion auf das gesamte Jahr ausgedehnt, weil alle in Deinem Büro ihre Plätzchen so geliebt hatten und es immer eine mit ihnen gefüllte Dose auf dem kleinen Besprechungstisch geben musste …
Das ist inzwischen auch fast zwanzig Jahre her.
Ja, da sind wir wieder beim Thema: Wie die Zeit vergeht.

Im Supermarkt stehst Du nun vor einer Tüte mit Spritzgebäck und überlegst, ob Du sie kaufen sollst. Es wird natürlich nicht so gut sein wie das Deiner Mutter. Natürlich nicht.

Es waren die ersten Anzeichen gewesen, die Verdacht erregt hatten, als sie plötzlich ihre Weihnachtsbäckerei eingestellt hatte.
„Ich bin doch die meiste Zeit eh allein“, hatte sie gesagt, „da will ich mir die ganze Arbeit nicht mehr machen. Ich geb‘ Euch Geld, kauft Euch doch welche …“
Darum war es ja gar nicht gegangen. Natürlich nicht. Du hattest ihr ihren Willen gelassen. Schließlich: Es war ihr Leben gewesen und ja, sie hatte darin schon genug gebacken.

Dann, ein Jahr später, hattet ihr telefoniert und sie hatte wissen wollen, ob Du sie zu Weihnachten besuchen würdest. Als Du das bejaht hattest, hatte sie Dich gefragt, was Du Dir als Weihnachtsmahl wünschtest. Das war nicht überraschend gewesen. Jahrzehntelang hatte sie Dich und alle anderen in der Familie stets mit der Frage nach den Wünschen für die jeweils nächste Mahlzeit verfolgt. Nein, das Einzige, was daran überraschend gewesen war, war dass sie nicht automatisch das gleiche Gericht angeboten hatte, dessen Erscheinen auf dem weihnachtlichen Esstisch doch bereits seit vielen Jahren Tradition gewesen war.
Als Du dann sagtest: „Warum nicht dasselbe wie immer?“, wurde Dir durch ihre Reaktion klar, dass sie keine Ahnung hatte, wovon Du sprachst und Du begriffst in diesem Augenblick, warum sie keine Plätzchen mehr backte: Sie wusste nicht mehr, wie.

Da stand für Dich fest, es war Zeit, sich um sie zu kümmern und so arrangiertest Du alles Mögliche und Nötige dafür, nur um festzustellen, es war in mancherlei Hinsicht bereits zu spät: Da waren unzählige Beteiligungen an sinnlosen aber teuren Glücksspielen, die ihr irgendwelche Verbrecher am Telefon aufgeschwatzt hatten. Da lagerten in der Abstellkammer ein professionelles Klimagerät und ein Industriestaubsauger, die ihr ein anderer Verbrecher aufgeschwatzt und für deren Erwerb sie extra einen Kredit bei einer nicht minder verbrecherischen Bank abgeschlossen hatte. Ganz zu schweigen von diversen anderen Leuten, die es sich bereits zur Gewohnheit gemacht hatten, ihre Gutmütigkeit und Vergesslichkeit auszunutzen.

Das war schlimm und es gab völlig sinnlose Diskussionen darüber. Sie verstand es längst nicht mehr und Du konntest nicht verstehen, dass dem so war.
Alles änderte sich, als sie dann im nächsten Winter auf eisglatter Straße stürzte, sich den Oberschenkelhals brach und einige Wochen lang im Krankenhaus bleiben musste.
Ihr Körper erholte sich erstaunlich schnell, allerdings auf Kosten ihres Geistes. Trotzdem war sie natürlich nicht mehr so mobil wie zuvor und diese körperliche Einschränkung ließ sie plötzlich erkennen, dass sie doch auf Dich angewiesen war. Von da an kämpftet ihr nicht mehr gegeneinander, sondern miteinander … für eine kurze Zeit des Friedens und der Eintracht. Bis sie schließlich starb.

Nun stehst Du im Supermarkt vor einer Tüte mit Spritzgebäck und überlegst, ob Du sie kaufen sollst. Es wird nicht so schmecken wie das, das Deine Mutter gebacken hatte, solange sie dazu noch in der Lage gewesen war.
Du brauchst es auch nicht, um Dich ihrer zu erinnern. Du denkst oft genug an sie. Aber dann … Sie hätte es gewollt. Sie hätte Dir sogar Geld angeboten, damit Du die Plätzchen kaufen solltest. Ja, das hätte sie.

Sie hatte Dich immerzu, als sie das noch gekonnt hatte, mit Essen verfolgt und bedrängt. Liebe war bei ihr immer auch und besonders eine Frage der Versorgung mit Essen gewesen. Es hatte Zeiten gegeben, da hatte Dich das genervt. Letzten Endes hatte sie Dich damit aber doch inspiriert …

Du nimmst die Plätzchen und gehst zur Kasse. Weil sie es so gewollt hätte.

Text von Herbert Jost-Hof

Passend zur Kolumne von Herbert Jost-Hof folgen hier nun zwei Rezepte, eines davon vegan.

Spritzgebäck mit Marzipan

Rezept für 1 Portion
Zutaten:

250 g Mehl
100 g Marzipan - Rohmasse
150 g Butter
1 Vanilleschote(n), davon das Mark
2 Eier
100 g Puderzucker
2 EL Zitronensaft

Zubereitung:

Alle Zutaten zu einem Teig verrühren und in einen Spritzbeutel mit mittlerer Sterntülle geben.

Aufs Backblech (Backpapier) S-Formen oder Kreise spritzen und bei 175°C (E-Herd) für 15 Minuten backen. Abkühlen lassen und nach Wunsch halbseitig mit Kuvertüre überziehen. Ergibt ca. 50 Stück.

Arbeitszeit: ca. 20 Min.

Lebkuchen vegan

Rezept für 1 Portion
Zutaten:

240 g Mehl
2 EL Kakaopulver
1 TL Lebkuchengewürz
1 TL Backpulver
220 g Zuckerrübensirup
250 ml Wasser
3 EL Pflanzenöl
25 g Orangeat
25 g Zitronat
25 g Mandel(n), gehackte
250 g Kuvertüre, (Zartbitterkuvertüre) vegan

Zubereitung:

Trockene Zutaten gut mischen. Dann Wasser, Öl und Zuckerrübensirup unterrühren, bis ein glatter Teig entsteht. Schließlich Orangeat und Zitronat unterheben. Den Teig in eine Springform geben und mit den gehackten Mandeln bestreuen. Bei 170°C (Ober-/Unterhitze) ca. 40 min. backen. Abkühlen lassen, in kleine Würfel schneiden und mit der geschmolzenen Kuvertüre überziehen.

Arbeitszeit: ca. 40 Min.

Liebe Freundinnen und Freunde unserer Kolumne „Liebe geht DOCH durch den Magen“,
alles verändert sich, so ist das Leben. Menschen kommen und gehen, Dinge entwickeln sich – und nichts ist im digitalen Zeitalter so schnell in seiner Entwicklung wie die Kommunikationsmedien.
Unsere Kolumne wird in der bisherigen Form zum Ende des Jahres 2014 eingestellt. Aber die Liebe wird auch weiterhin durch den Magen gehen, wenn auch in anderer Gestalt: Wir planen eine interaktive live Spiel-Talk-Kochshow und bitten Sie dabei um Unterstützung auf der Suche nach geeignete Lokalitäten. Wenn Sie ein Lieblingslokal haben mit toller Küche (oder vielleicht selbst Gastronomin oder Gastronom sind), zu dem ein neues und ganz anderes Format gut passen würde, dann melden Sie sich bitte bei uns. Wir freuen uns auf Ihre Ideen!

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