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Web-Gemeinde zwingt Google zu Chrome-Korrekturen

Archivmeldung vom 04.09.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.09.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Oliver Randak

Noch nie hat sich ein Browser so rasant verbreitet, doch nach der ersten Euphorie mehrt sich die Kritik an Chrome. IT-Experten spüren Sicherheitslücken auf, die Nutzungsbedingungen und Googles unersättlicher Datenhunger irritieren die Nutzer. Der Suchkonzern muss nachbessern.

Googles Chrome ist aus dem Nichts in die Top drei der meistverbreiteten Browser hochgeschossen. Doch am neuen Browser scheiden sich die Geister. Manche beklagen den Mangel an Features, andere loben ihn. Vor allem aber rückt nun wieder in den Mittelpunkt, was Google schon seit Jahren vorgeworfen wird: der unersättliche Datenhunger.

Ein Auszug aus den Datenschutzbestimmungen zu Chrome: "Ihre Kopie von Google Chrome enthält mindestens eine eindeutige Anwendungsnummer. Diese Nummern ... (werden) bei der erstmaligen Installation und Verwendung der Anwendung und bei der automatischen Update-Prüfung von Google Chrome an Google gesendet." Und weiter: "Falls Sie Nutzungsstatistiken und Ausfallberichte an Google senden, werden uns diese Informationen sowie eine eindeutige Anwendungsnummer vom Browser übermittelt."

Im Klartext: Wer nicht widerspricht, gibt Google komplette Verfügungsgewalt über seine persönlichen Surf-Daten.

Wer nicht möchte, dass Google Informationen über die eigene Nutzung zugeschickt werden, sollte also bei der Installation von Chrome tunlichst auf "nein" klicken, wenn danach gefragt wird.

Einen regelrechten Aufschrei der Empörung gab es auch, als der elfte Punkt in den Nutzungsbedingungen von Chrome auffiel: Das sogenannte Eula (End User License Agreement) forderte ursprünglich vom Nutzer die Abtretung aller Verwertungsrechte an allen von ihm über Chrome erarbeiteten und veröffentlichten Werke ein.

Der Fehler, sagt Google, sei dadurch entstanden, dass Google diese Passagen des Eula einfach aus den Nutzungsbedingungen eines anderen Produktes übernommen habe. Google entschuldigte sich öffentlich, änderte die Nutzungsbestimmungen - und entließ angeblich die Kanzlei, die das Eula erarbeitet hatte, aus ihrem Vertrag.

Die neue Version des beanstandeten Paragraphen lautet nun: "Sie behalten die Verwertungsrechte und alle anderen Rechte, über die sie bereits verfügen, an allen Inhalten, die sie an den Dienst weitergeben, senden oder über den Dienst zeigen." (Übersetzung der Redaktion)

Doch damit ist das Thema Datenschutz und Verwertungsrechte noch lange nicht erschöpft.

"Ein riesiges Förderband für private Daten"

Kritischer ist, dass Chromes "Omnibox" getaufte Adress- und Suchzeile munter Daten an Google verschickt, während man sie benutzt. Das ist notwendig, um ihre Funktion zu gewährleisten - nur wenn die Box an Google rückmeldet, was der Nutzer gerade in sie eintippt, kann sie auch Vorschläge unterbreiten, was der Nutzer womöglich gerade sucht oder sehen will.

Die US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation schlägt deshalb bereits Alarm: "Wir machen uns Sorgen, dass Chrome ein weiteres riesiges Förderband sein wird, das private Informationen über unsere Web-Nutzung in Googles Datenspeicher befördert", sagte Peter Eckersley von der EFF dem IT-Dienst Cnet News. Google wisse bereits jetzt "viel zu viel darüber, was jedermann zu einem bestimmten Zeitpunkt gerade denkt".

Ein Google-Sprecher gab Cnet gegenüber zu, man wolle "etwa zwei Prozent" der über die Omnibox anfallenden Daten speichern - und zwar in Verknüpfung mit der IP-Adresse des jeweils benutzten Computers. Das heißt konkret: Selbst was ein Nutzer nur eingetippt, aber nicht durch Druck auf die Enter-Taste hinaus ins Web geschickt hat, kann auf den Google-Servern landen. Es war von Anfang an klar, dass die Funktion der Omnibox nur auf diese Weise realisierbar ist - nun aber wächst die Kritik.

Es gibt allerdings einfache Möglichkeiten, sich dem allsehenden Auge zu entziehen und trotzdem Chrome zu nutzen: Nach Googles Angaben wird nichts übertragen, wenn

 

  • der Nutzer die "Auto-Suggest", also die Vorschlagsfunktion übers Menü, abschaltet
  • wenn eine andere Suchmaschine als Google als Standardsuchmaschine eingestellt wird
  • oder wenn der Nutzer im "Incognito"-Modus unterwegs ist (ein Incognito-Surf-Fenster lässt sich ebenfalls über das Menü öffnen), denn dann werden überhaupt keine Nutzungsdaten erfasst und auch keine Cookies gespeichert.

 

Das allerdings macht eine der in den Augen vieler Beobachter nützlichsten Funktionen von Chrome zunichte. Jeder potentielle Nutzer wird entscheiden müssen, was ihm wichtiger ist - Privatsphäre oder Surf-Komfort.

Sicherheitslücke wegen veralteter Basis

Auch an der Sicherheit von Chrome gibt es bereits seit Mittwoch erste Zweifel. Der IT-Sicherheitsexperte Aviv Raff hat zwei bekannte Sicherheitslücken miteinander kombiniert und so eine Möglichkeit demonstriert, Chrome-Nutzer hereinzulegen. Mit zwei Klicks könnten sie versehentlich eine Anwendung von einer Web-Seite aus zur Ausführung bringen. Raffs Demonstration ruft nur ein harmloses Dokument auf - aber auf dem gleichen Wege ließe sich auch ein Schadcode einschleusen.

Die Lücke hängt damit zusammen, dass Google für Chrome eine ältere Version von Apples Entwicklungswerkzeug Webkit benutzt hat. In der aktuellen Version von Apples Safari-Browser ist die Lücke gestopft. Alle Beobachter erwarten zwar, dass Google diese Lücke sehr viel schneller als Apple schließen wird - doch zeigt der Vorfall, dass Googles Browser keineswegs unverwundbar ist.

Das dokumentiert auch eine zweite, zwar harmlose, aber immer noch peinliche Lücke, die ebenfalls bereits am Mittwoch aufgespürt wurde: Mit Hilfe eines einfachen präparierten Links lässt sich Chrome gezielt zum Absturz bringen. Damit sind zwei der zahlreichen Werbe-Claims von Google bereits am dritten Tag nach Veröffentlichung des Browsers diskreditiert: Der Anspruch erhöhter Sicherheit und außerordentlicher Stabilität. Im Chrom sind bereits jetzt Kratzer.

Der Run geht weiter

Der generellen Begeisterung über Chrome tut all dies bisher allerdings keinen Abbruch. Schätzungen zufolge nutzen zurzeit etwa 1,3 Milliarden Menschen weltweit das Internet. Wenn die Statistiken von Net Applications stimmen und repräsentativ sind, dann nutzten bereits 14 Stunden nach Veröffentlichung von Chrome 1,48 Prozent dieser Menschen Googles Browser.

Natürlich ist das nicht so, denn selbstverständlich sind nicht alle Web-Surfer ständig online. Doch es macht es wahrscheinlich, dass Chrome schon Stunden nach seiner Veröffentlichung jeden bisherigen Download-Rekord geschlagen hat. Chromes derzeitiger Marktanteil am Browser-Weltmarkt liegt bei circa einem Prozent, wahrscheinlich also in der Region von über zehn Millionen Nutzern, die ihn in diesem Augenblick ausprobieren. Wie viele Downloads es gegeben hat, ist bisher nicht bekannt, aber die Zahl dürfte mindestens im satt zweistelligen Millionenbereich liegen.

Kein Wunder, bewirbt Google Chrome doch weltweit über seine Homepage. Direkt unter der Google-Sucheingabe prangt der Download-Link und sorgt dafür, dass derzeit kein netzaffiner Mensch an diesem Thema vorbeikommt. Chrome hat einen schmucklosen, aber den wohl weltweit meistgesehen Werbeplatz.

Jetzt beeilt sich Google, die steigende Zahl bekannter Bugs auszubessern. Ganz oben auf der Prioritätenliste auch: die Programmierung einer Mac- und Linuxversion.

Widersprüchliche Prognosen

Nachlegen muss Google jedenfalls. Zwar bewegt sich der Marktanteil von Chrome schon jetzt über dem des vorzüglichen Opera-Browsers, das aber dürfte vor allem der ersten Neugier geschuldet sein. Wie viele Menschen dann wirklich dabei bleiben, wird man erst in Monaten sehen.

Zu wessen Schaden wird sich Chrome am Markt einnisten? Die Experten streiten: Einerseits ist der schlanke, minimalistische Browser wie für die Internet-Explorer-Nutzerschaft gemacht, die sich mit Browsern an sich gemeinhin nicht viel beschäftigt. Andererseits sind es gerade die Nutzer von Firefox, die als experimentierfreudig gelten und von denen man annimmt, dass bei ihnen die Bereitschaft zu Produktwechseln am Größten sei.

Firefox-Fans sind allerdings auch Netznutzer, die die zahlreichen Features ihres Browsers wirklich zu schätzen wissen. Sie sind Browser-Tuner, die ihre Programme aus eigenem Antrieb gern sogar um weitere Möglichkeiten erweitern - das ist das Gegenteil von Minimalismus.

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