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Hungerstreik im ALG II-Bezug

Archivmeldung vom 06.07.2005

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.07.2005 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Michael Dahlke

Der Sprecher der Erwerbsloseninitative in Offenburg gibt bekannt, ab Mittwoch, 06.07.2005 in den unbefristeten Hungerstreik zu treten. Dazu verfasste er folgende Erklärung:

Liebe Mitstreiterinnen, Mitstreiter

Liebe Kolleginnen, Kollegen,

Artikel 1 Absatz 1 des deutschen Grundgesetzes formuliert: Die Würde des Menschen ist untastbar. Aber die hehren Worte unserer Verfassung sind zumindest seit Hartz IV ein Stück Makulatur. Dieser Staat und seine rot-grüne Regierung ersetzte mit der Agenda 2010, die Begriffe Würde und Mensch durch die Begriffe Besitz und Reiche. Diese Feststellung ist keine billige Polemik, sie ist Erfahrung und Empfinden von Millionen Menschen in dieser Gesellschaft, die nicht mehr wissen, wovon sie leben sollen. Seit den Anfängen dieser Gesellschaftsordnung war der Begriff der Würde immer eng verknüpft mit der Anzahl der Dukaten, Louidor und Goldtaler im eigenen Geldsäckel. Über die Jahrhunderte hinweg gab es immer wieder mehr oder weniger erfolgreiche Versuche, den Status des Geldes durch den Status der gleichen und freien Bürgerrechte zu ersetzen. Unsere badische Geschichte kann darüber vielfältig Zeugnis ablegen. Bis heute ist es nicht gelungen, die Frage zu lösen, wie die Verpflichtung der Reichen, zum gesellschaftlichen Allgemeinwohl beizutragen, zu realisieren sei. Der Ausgleich zwischen Kapital und Arbeit wie ihn Artikel 13 der Badischen Verfassung von 1848 forderte, sah selten glückliche Phasen seiner Verwirklichung in der Geschichte unseres Landes. Heute, zu Zeiten der strukturellen Krise des Kapitals, in der es nicht mehr gelingt, die gesellschaftlichen Rahmenverhältnisse solchen verfassungsmäßigen Idealen anzunähern, zeigt sich deutlich, dass sie nicht durch Verfassungstexte und gefällige politische Programme bestimmt werden, sondern durch nackte ökonomische Machtverhältnisse. Der Staat steht plötzlich nicht mehr als abstraktes ausgleichendes Prinzip über den gesellschaftlichen Interessen, er färbt sich immer mehr zum Wahrer und Hüter des Interesses der Kapitaleigner.

Millionen spüren dies tagtäglich am eigenen Leib, indem sie nur noch ums nackte Überleben kämpfen. Demgegenüber steht der krasse Widerspruch des immensen Reichtums eines Landes, der nach außen wie nach innen nur noch seiner eigenen Vermehrung dienen soll. Er hat den Geruch der Rechtlosigkeit, wo er besticht, korrumpiert und Politiker kauft; den Geruch von Gewalt, wo er Menschen ihrer Arbeit und somit ihrer Existenzgrundlage beraubt; den Geruch von Willkür, wo der diese der staatlichen Wohlfahrt und ihrer Bürokratien überantwortet. Kein Gesetz wird derzeit willkürlicher, und je nach individuellem Ermessen lokaler Bürokratien, interpretiert als Hartz IV. In meinem Fall wurde die Bearbeitung des Folgeantrags auf ALG II und damit die Auszahlung der Arbeitslosenhilfe davon abhängig gemacht, trotz bereits erfolgter Bedürfnisprüfung, weitere Unterlagen vorzulegen. Zum einen, handelt es sich um eine Überzahlung, einen Betrag von 60 Euro in sechs Monaten, der jederzeit mit dem derzeitigen ALG II-Bezug aufzurechnen gewesen wäre, zum anderen um die Vorlage meiner Girokontobewegungen der letzten drei Monate. Dagegen habe ich bereits beim ersten ALG II - Bescheid Widerspruch eingelegt. Ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums weist eindeutig darauf hin, dass ALG II – Bezieher im Regelfall einer solchen Kontenabfrage nicht unterzogen werden können. Bis heute hat die lokale Bürokratie auf meinen Widerspruch nicht reagiert. Stattdessen stürzt sie mich und meine noch schulpflichtige Tochter in eine Situation der völligen existentiellen Unsicherheit und nicht nur mehr der relativen Armut. Eine Fahrt nach Freiburg, um evtl. beim Sozialgericht eine einstweilige Anordnung zur Weiterzahlung der Bezüge zu erwirken, kann ich mir nicht leisten. Ich bin aber auch, nach Jahrzehnten Arbeitsleben, die immer von ehrenamtlichem Engagement für diese Gesellschaft begleitet war, dieser Behandlung und unwürdigen Situation – wie viele andere auch – überdrüssig und trete deshalb ab morgen, Mittwoch 6.7.2005, in den unbefristeten Hungerstreik. Am gleichen Tag werde ich mich um 10 Uhr zum Sozialamt in der Langestr.51 begeben, um dort meine Kontoauszüge zu präsentieren, welche die Nichteinlösung von Zahlungsverpflichtungen wie Miete, Strom, Telefon etc. durch die Volksbank Offenburg dokumentieren. Eine Beendigung des Hungerstreiks kommt erst dann in Frage, wenn die Zahlung der ALG II – Bezüge eingegangen ist. Gleichzeitig suche ich um ein Gespräch zwischen Vertretern der Erwerbslosenintiative und der Oberbürgermeisterin nach, um solche unwürdigen Situationen für Offenburger Mitbürgerinnen und Mitbürger in Zukunft zu vermeiden. Ich möchte alle Gegner von Hartz IV einladen, am kommenden Montag um 17 Uhr 30 am Rathausplatz am Protest gegen den Sozialabbau durch Rot-Grün teilzunehmen.

Günter Melle
Sprecher Erwerbsloseninitiative Offenburg

Pressemeldung: Erwerbsloseninitiative Offenburg


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