Ökonom Südekum fordert andere regionale Industriepolitik
Der Wandel zu grünen Technologien wirkt sich in verschiedenen Regionen Deutschlands sehr unterschiedlich aus. Das ergab eine Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung, über die der "Spiegel" berichtet.
Die Bundesregierung müsse die Kriterien der regionalen Förderpolitik
deshalb dringend überarbeiten. Aktuell bedroht demnach die
Transformation vor allem Industriearbeitsplätze in wirtschaftlich gut
laufenden Regionen wie dem VW-Hauptsitz Wolfsburg, dem Süden
Baden-Württembergs oder dem Hochsauerlandkreis. Der Grund: Dort sitzen
Unternehmen, die hohe Treibhausgasemissionen verursachen. Gewaltige
Investitionen sind nötig, um den Technologiewandel zu stemmen.
Im
wichtigsten staatlichen Förderinstrument, der Gemeinschaftsaufgabe
regionale Wirtschaftsstruktur (GRW), werden jedoch Regionen erst zum
Fördergebiet, wenn sie bei Arbeitslosigkeit oder Bruttoinlandsprodukt
pro Beschäftigten unter den nationalen Schnitt gefallen sind. Obwohl
2022 der Abbau von CO2-Emissionen als gleichrangiges Ziel eingeführt
wurde, spielt er in der Realität bislang keine Rolle.
Bis 2027,
so die Studie, liegen die Fördergebiete mit den höchsten
Investitionskostenzuschüssen fast ausschließlich in Ostdeutschland. Die
meisten Gebiete, die besonders unter Transformationsdruck stehen, gehen
leer aus. Künftig sei eine "proaktive Industriepolitik" notwendig, die
"den Wandel in besonders betroffenen Regionen aktiv unterstützt", sagte
der Ökonom Jens Südekum, einer der beiden Autoren. Er schlägt vor, "den
erwartbaren regionalen Transformationsstress künftig als Kriterium im
Verteilungsschlüssel zu verankern". So lasse sich das Investitionsbudget
aus dem neuen Sondervermögen gezielter auf besonders betroffene
Regionen verteilen.
Die Regionalpolitik habe zudem Einfluss
darauf, ob die Gesellschaft die Dekarbonisierung akzeptiere. "Wenn sich
die Herausforderungen der Transformation regional stark konzentrieren,
untergräbt das nicht nur die Zustimmung zur Klimapolitik, sondern
fördert tendenziell auch die politische Polarisierung an der Wahlurne",
sagte Bertelsmann-Ökonom Daniel Posch. Eine Studie von 2024 zeige: Die
AfD legte in Regionen mit hohem Transformationsstress bei
Bundestagswahlen besonders stark zu.
Quelle: dts Nachrichtenagentur