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Keine Medikamente in Drogerien, Parfümerien oder im Lebensmittelhandel

Archivmeldung vom 16.12.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.12.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Oliver Randak

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat den Drogeriemärkten, Parfümerien und den Lebensmittelläden eine klare Absage für den Verkauf von Medikamenten erteilt. In Europa soll gelten: Nur ein Pharmazeut darf eine Apotheke führen und Medikamente verkaufen.

 

Von außen sieht der Schlecker aus wie jeder andere. Nur das kleine grüne Kreuz über dem Eingang verrät, dass es hier Medikamente zu kaufen gibt. Das ist in Tschechien Alltag, in Deutschland aber verboten. Arzneimittel in der Drogerie, im Lebensmittelmarkt, selbst in Parfümerien wie Douglas. So sollte der neue „Apothekenmarkt“ in Deutschland aussehen. Doch nun kommt alles anders.

Denn Apotheken dürfen nach Ansicht des Generalanwaltes beim EuGH auch weiterhin in Deutschland nur von zugelassenen Apothekern geführt werden. Das gelte sowohl für den Besitz als auch für den Betrieb von Apotheken, erklärte Generalanwalt Yves Bot am Dienstag in Luxemburg. Die entsprechenden Rechtsvorschriften in Deutschland und Italien seien gerechtfertigt. Die Ansicht des Generalanwalt ist für das Gericht nicht bindend, wird aber meistens befolgt. Die meisten Experten hatten damit gerechnet, dass Bot für einen Wegfall des Fremd- und Mehrbesitzverbotes plädieren würde.

Die Aktie des Pharmahändlers Celesio büßte nach der Einlassung aus Luxemburg mehr als 13 Prozent ein und war größter Verlierer im Nebenwerteindex MDax. Fritz Oesterle, Vorsitzender des Vorstands der Celesio AG, sieht positiv, dass die Unsicherheiten nun bald beendet sein dürften: "Für uns wird mit dem Urteil des EuGH endgültig Klarheit über die weitere Entwicklung des deutschen Apothekenmarktes herrschen".

"Das Thema Apothekenketten in Deutschland ist auf absehbare Zeit tot. Damit fehlt Celesio ein künftiger Wachstumstreiber. Aber das aktuelle Geschäftsmodell ist nicht gefährdet", sagte Martin Possienke, Analyst bei Equinet. "Sicher ist die Aktie etwas weniger wert als mit der Phantasie Apothekenketten. Die Aktie notiert mit 18 Euro aber unterhalb ihres fairen Wertes von 26 Euro."

Ansonsten sind von dem Urteil viele nicht-börsennotierte Unternehmen betroffen: Vor allem Drogerien wie Schlecker oder DM hatten gehofft, bald Medikamente verkaufen zu können. Außerdem schielten die Versandhändler Quelle, Amazon und Otto auf das einträgliche Geschäft, genau wie auch der Lebensmittelhändler Tengelmann oder die Parfümeriekette Douglas. Für sie bleibt ein gewaltiger Markt vermutlich verschlossen: In Deutschland wurden in den 21 000 Apotheken 2007 Arzneimittel für rund 37 Milliarden Euro verkauft

Die Meinung des Generalanwaltes ist eine große Überraschung: Für Experten ging es vor dem Plädyer des eigentlich nur um die Frage, wie lange die Übergangsfrist gehen würde. Dem entsprechend heftig ist der Schlag für Schlecker und Co.

Im Zentrum des Rechtsstreits steht der niederländische Pharmavertrieb Doc Morris. Das Saarland hatte der inzwischen zum Pharmahändler Celesio gehörenden Kapitalgesellschaft im Juli 2006 den Betrieb einer Filialapotheke erlaubt. Die Apothekerkammer des Saarlandes und der Deutsche Apothekerverband hatten gegen die Zulassung geklagt, da nur Apotheker mit deutscher Approbation, aber keine Kapitalgesellschaften Apotheken betreiben dürfen. Das Verwaltungsgericht des Saarlandes ließ beim EuGH klären, ob dieses Fremdbesitzverbot gegen die in der Europäischen Union garantierte Niederlassungsfreiheit verstößt.

Vor dem EuGH wird derzeit über eine Klage mehrerer Inhaber saarländischer Apotheken gegen das Saarland verhandelt. Der damalige saarländische Gesundheitsminister Josef Hecken (CDU) hatte im Sommer 2006 der niederländischen Versandapotheke und Celesio-Tochter DocMorris das Betreiben einer „Modell-Apotheke“ in Saarbrücken genehmigt.

Das dort ansässige Verwaltungsgericht hatte im März 2007 die bei ihm eingereichte Beschwerde an den EuGH verwiesen. Bislang dürfen in Deutschland nur Pharmazeuten mit Kammerzulassung Apotheken betreiben und maximal drei Filialen besitzen. Ebenfalls verhandelt wird über ein ähnliches Fremdbesitzverbot in Italien.

Die Einschränkung sei nach Ansicht von Bot gerechtfertigt, um die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherstellen zu können. Damit empfiehlt der Generalanwalt, an dem derzeitigen Apothekengesetz festzuhalten. Dieses besagt, dass nur Pharmazeuten mit Kammerzulassung Apotheken betreiben dürfen. Sie dürfen zudem maximal drei Filialen besitzen.

In den Niederlanden ist der Apothekenmarkt seit 199 liberalisiert. Und die Folgen sind weit weniger dramatisch als man damals angenommen hat. Viele Hölländer blieben ihrer Hausapotheke treu. Von den rund 1900 Apotheken sind zwei Drittel selbstständig und nicht filialisiert. Allerdings ist der durchschnittliche Gewinn, den eine Apotheke abwirft, deutlich gesunken.

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