SPD tadelt Union nach Brosius-Gersdorf-Rückzug
Die SPD-Vorsitzende und Arbeitsministerin Bärbel Bas warnt vor der Signalwirkung des Rückzugs der Richterkandidatin Frauke Brosius-Gersdorf. Es mache ihr große Sorgen, "dass rechte Netzwerke es wirklich geschafft haben, eine Kampagne gegen Frauke Brosius-Gersdorf zu führen", sagte Bas dem "Spiegel". "Wenn es so ist, dass eine Richterwahl beeinflusst werden kann, dann haben wir ein Problem."
Deutliche Kritik übte Bas am Koalitionspartner. Die Unionsfraktion hatte
Brosius-Gersdorfs Wahl zur Verfassungsrichterin erst intern abgesegnet,
ihre Wahl dann aber kurzfristig abgesagt. "Ich bedaure sehr, dass die
Union nicht in der Lage war, Frauke Brosius-Gersdorf wenigstens zu einem
Gespräch mal einzuladen", sagte die SPD-Chefin. "Ich finde, das muss
die Union noch mal für sich aufarbeiten."
Sie sei auch als Frau
darüber verärgert, wie mit Brosius-Gersdorf umgegangen worden sei, so
Bas. Dies könne Auswirkungen auf die künftige Kandidatenauswahl haben.
Man müsse sich fragen, wer sich das eigentlich noch antue.
Dirk
Wiese, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der
SPD-Bundestagsfraktion, sagte dem "Spiegel", die Lage von
Brosius-Gersdorf sei deswegen so schwierig geworden, "weil gegebene
Zusagen nicht eingehalten wurden". Die Union habe sich "hinter
angeblichen Plagiatsvorwürfen versteckt und damit gezielten
Desinformationskampagnen von rechter Seite Tür und Tor geöffnet",
kritisierte Wiese. "Für die Zukunft sei es klar gesagt: Wir sind eine
Koalition, wir stimmen gemeinsam ab. Auf Zusagen muss man sich verlassen
können. Personalfragen sind keine Gewissensentscheidungen."
Der
SPD-Politiker bezog sich damit offenbar auf eine Aussage von
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), der die Verfassungsrichterwahl
nachträglich als Gewissensentscheidung bezeichnet hatte. Auch wenn
Abgeordnete nach Artikel 38 des Grundgesetzes ausschließlich ihrem
Gewissen unterworfen sind, halten sie sich für gewöhnlich an die
Fraktionsdisziplin, um zuvor im Kompromiss geeinte Vorhaben
durchzusetzen. Als Gewissensentscheidungen werden daher im Regelfall nur
Abstimmungen bezeichnet, in denen gemeinsame Anträge von Teilen der
Koalitionsfraktionen und Teilen der Opposition verhandelt werden, wie
etwa zu medizinethischen Themen.
Wiese erklärte, er bedaure den
Schritt von Brosius-Gersdorf und hätte sich eine andere Entscheidung
gewünscht. Aber er habe Respekt davor "und volles Verständnis dafür,
dass sie sich nicht länger derartigen öffentlichen Demontageversuchen
aussetzen möchte". Die Versuche, eine renommierte Staatsrechtslehrerin
öffentlich zu diskreditieren, seien auch für Außenstehende unerträglich
gewesen.
Quelle: dts Nachrichtenagentur