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Früherer Präsident des Bundesverfassungsgerichts bezeichnet neues Corona-Gesetz als "Persilschein" für die Regierung

Archivmeldung vom 07.11.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.11.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Haben die Deutschen aus der Geschichte nichts gelernt? Offensichtlich nicht. (Symbolbild)
Haben die Deutschen aus der Geschichte nichts gelernt? Offensichtlich nicht. (Symbolbild)

Bild: Eigenes Werk /OTT

Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hat den Gesetzentwurf der Großen Koalition im Bundestag für neue gesetzliche Grundlagen der Beschränkungen in der Corona-Pandemie als "Persilschein" für die Regierung bezeichnet.

Im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ) sagte Papier: "Ich begrüße es, dass die Parlamentarier sich nun nach einem Dreivierteljahr dieses Themas annehmen. Allerdings sind die aktuellen Vorschläge auf der Bundesebene meines Erachtens nicht hinreichend." Zwar würden alle denkbaren Grundrechtsbeschränkungen in 15 Einzelnummern speziell aufgeführt.

In der Begründung werde sogar festgehalten, dass nicht nur einzelne, begrenzte Maßnahmen, sondern auch weitreichende und lang andauernde Maßnahmen vom Willen des Gesetzgebers getragen sind. "Die unerlässlichen Abwägungsentscheidungen zwischen den divergierenden Schutzgütern der Gesundheit einerseits und den Freiheitsrechten andererseits werden damit aber gerade nicht dem Parlament vorbehalten, sondern in vollem Umfang an die Exekutive delegiert. Diese behält nach wie vor insoweit einen Persilschein. Dem Sinn und Zweck des grundgesetzlichen Parlamentsvorbehalts ist damit meines Erachtens nicht entsprochen", sagte Papier der NOZ.

Parlamentarier der Großen Koalition argumentieren, dass sie der Regierung in der Pandemie keine Fesseln anlegen wollen, um schnelle Entscheidungen treffen zu können. Aus Sicht von Papier ist der Zeitdruck kein Argument dafür, auf Beratung und Beschlussfassung des Parlaments zu verzichten. "Dem Zeitargument könnte dadurch Rechnung getragen werden, dass der Exekutive eine Eilkompetenz für befristete oder vorläufige Regelungen eingeräumt wird. Denkbar wäre die Notwendigkeit parlamentarischer Bestätigung solcher Eilverordnungen", schlägt Papier vor. Auch dies wäre aus seiner Sicht nicht nur ein formaler Akt, sondern eine Sicherung und Stärkung des Parlamentarismus. "Die Beschränkungen in bundesweiten Lockdowns könnten beispielsweise auch als Vorschlag für ein Maßnahmegesetz in den Bundestag eingebracht und dort beraten und beschlossen werden. Detailregelungen könnten durch Verordnungen erfolgen. Sonst fragt sich doch irgendwann der Bürger, wozu er eigentlich alle vier oder fünf Jahre ein Parlament wählt, wenn es sich in solchen schicksalhaften Situationen völlig ausklinkt", gibt der frühere Verfassungsrichter zu bedenken.

Papier meint: "Es gäbe sicher auch mehr Akzeptanz für die Maßnahmen, wenn sie besser begründet wären und in einem öffentlichen und transparenten Diskurs beschlossen werden. Das wäre besser als diese in einem engen Zirkel beschlossenen Ad-hoc-Regelungen." Außerdem könnte durch die Beteiligung des Parlaments Rechtssicherheit geschaffen werden. "Wenn der Gesetzgeber, also auf Bundesebene der Bundestag, Grundrechtseinschränkungen beschließt, dann könnten diese allein vom Bundesverfassungsgericht und nicht von einzelnen Gerichten wegen Verfassungswidrigkeit verworfen werden", betont Papier. Der Bundestag habe es bislang versäumt, den verfassungsrechtlichen Anforderungen bei den Maßnahmen zu genügen. "Auch der neuerliche Ergänzungsvorschlag für das Infektionsschutzgesetz würde daran nichts ändern, denn die Anordnung von Beschränkungsmaßnahmen würde nach wie vor durch Verordnungen erfolgen, die der verwaltungsrechtlichen Überprüfung unterliegen", stellte Papier klar.

Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (ots)


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