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Dialog statt Monolog - Wie sich Journalismus verändert

Archivmeldung vom 16.10.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.10.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Medientage München
Medientage München

"Wir befinden uns in einer Zeit, in der man als Journalist großartig gestalten kann", beschrieb Dominik Wichmann, Chefredakteur des SZ-Magazins, bei der Diskussion auf dem erstmals veranstalteten Contentgipfel der MEDIENTAGE MÜNCHEN den Paradigmenwechsel im Journalismus.

Wie sich Journalismus und Mediennutzung in der digitalen Welt verändert haben, war die zentrale Frage, die Gipfel-Moderator Jochen Wegner mit Print-, Online- und Fernsehjournalisten diskutierte. Einig war sich die Podiumsrunde in der Frage, dass journalistische Qualität keine Frage der medialen Plattform, sondern eine Frage der Ressourcen ist. In der digitalen Welt komme es darauf an, die Chancen zum Experimentieren und Gestalten zu nutzen, statt nach wie vor das berufliche Rollenbild durch den Distributionsweg (Print, Radio, TV oder Online) bestimmen zu lassen. Zeit, Ort und Substrat verlören ihre Bedeutung, und das Netz ersetze im Grunde genommen Print, Radio und TV, lauteten zwei von 23 provokanten Thesen, mit denen Wegner die Diskussion eingeleitet hatte. Es entstünden völlig neue Medien wie das iPad mit völlig neuen Metaphern und neuen Formen der Monetarisierung von Inhalten. Deshalb müssten Journalisten zu Unternehmern werden, lautete seine Folgerung. Wegners Einschätzung wurde auf dem Podium nicht von allen geteilt. Exzellente Angebote würden immer einen Finanzierungsweg finden, war sich Wichmann sicher, denn "entscheidend ist die Substanz eines Satzes, und nicht, wo er steht" - und in welcher Situation er konsumiert werde, ergänzte die Publizistin Dr. Mercedes Bunz, die von Erfahrungen aus Großbritannien berichtete. Demnach ersetzen die digitalen Medien nicht die klassischen, sondern sie können deren Nutzung sogar stärken. Social Media hätte in England die Nutzungssituationen komplett verändert, sagte Bunz. So werde in der Facebook-Community über Zeitungsartikel diskutiert, und junge Menschen würden sich gemeinschaftlich vor dem Fernseher versammeln, um sich dann via Twitter  oder Social Communities über populäre Sendungen auszutauschen. Bunz wies aber auch darauf hin, dass beispielsweise das Zeitunglesen eben nicht nur ein rationaler Prozess, sondern auch ein soziales Ritual sei. Printjournalismus sei auch deshalb kein aussterbender Beruf, so argumentierte Wolfgang Krach, weil die Zeitung im Gegensatz zur Informationsflut im Netz ein abgeschlossenes Produkt biete, das den Lesern Orientierung vermittle. Der stellvertretende Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung warnte jedoch, sich allein an eine Plattform zu binden, sei nicht die Zukunft des Journalismus. In diesem Punkt herrschte bei den Panel-Teilnehmern Einigkeit. Der Nachwuchs müsse integriert denken und versuchen, guten Journalismus für unterschiedliche Medien beziehungsweise Plattformen zu betreiben, empfahl Bunz. Denn auch in Sachen Finanzierung komme es für Journalisten darauf an, sich die Frage zu stellen: "Bieten wir den Leuten wirklich einen Journalismus, für den wir Geld verlangen können?" Außer Experimentierfreude und Flexibilität sollten Journalisten vor allem Dialogbereitschaft mitbringen. Denn der Paradigmenwechsel in der digitalen Welt, so wurde beim Contentgipfel deutlich, besteht im Feedback, das die Konsumenten den Journalisten geben können. Sich mit diesem Feedback auseinanderzusetzen, sei "unendlich hilfreich und bereichernd", berichtete Dr. Kai Gniffke, erster Chefredakteur von ARD-aktuell, von seinen Erfahrungen mit dem Tagesschau-Blog. Durch die Reaktionen der Blog-Leser wären in der Redaktion starke Diskussionsprozesse ausgelöst worden. Auch der Mythos Tagesschau werde nicht dadurch beschädigt, Entscheidungsprozesse in der Redaktion transparent zu machen. Der Dialog mit den Mediennutzern kann aber auch so weit gehen, dass Journalisten im Sinne des "Crowdsourcing" in ihrer Recherche von Internet-Nutzern unterstützt werden. So nannte Bunz das Beispiel des iReport von CNN. Dabei würden Beiträge der Mediennutzer sogar für die TV-Nachrichten berücksichtigt, wenn sie denn gut genug seien. Eine weitere Innovation, die durch Experimentierfreude ermöglicht wird, ist die Verbesserung des Datenjournalismus mit Hilfe interaktiver Netzanwendungen. So berichtete Katharina Borchert, ehemalige Online-Chefin der WAZ-Gruppe und jetzt Geschäftsführerin von Spiegel Online, dass bei spiegel.de der Mut zum Ausprobieren immer gefördert werde. So würden interaktive Infografiken oder eigene Apps mit relativ wenig Aufwand erstellt, wobei die Inhalte aus dem Redaktionssystem automatisiert in die App-Gestaltung fließen könnten. Der Medienkonsument als mobiler Reporter? Der Journalist, der sich an den Reaktionen seiner Nutzer messen lassen muss? Und der Mediennutzer, der auf Tablet-PCs seine Inhalte abruft? Ist das die Zukunft des Journalismus? Zumindest sehen so mögliche Facetten aus. Doch eines, so lautete Wichmanns Resümee, dürfe nicht vergessen werden: "Das Kapital unserer Branche sind die Köpfe, nicht die Distributionswege."

Quelle: Medientage München

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