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Mutterkuchen als Heilmittel?

Archivmeldung vom 23.08.2019

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.08.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Im Placenta-Labor wird die hormonelle Zusammensetzung von Plazenten untersucht.
Im Placenta-Labor wird die hormonelle Zusammensetzung von Plazenten untersucht.

Bild: Anna Schroll/UKJ (idw)

Wenn Frauen nach einer Geburt vom Mutterkuchen essen, soll das die Milchproduktion ankurbeln, gegen Wochenbett-Depressionen helfen und dafür sorgen, dass Mütter schneller wieder fit werden. Das jedenfalls vermitteln Lifestyle-Magazine und einschlägige Internetforen. Plazenta roh, getrocknet, als Smoothie oder in Globuli – nicht nur in esoterischen Kreisen findet das Anhängerinnen. Doch was ist dran an diesen Mythen?

Auch am Universitätsklinikum Jena wenden sich Schwangere mit solchen Fragen an Ärzte und Hebammen. Das Problem: „Alles was im Umlauf ist, ist wissenschaftlich nicht belegt“, sagt Privatdozentin Dr. Tanja Groten, geschäftsführende Oberärztin an der Klinik für Geburtsmedizin. „Es gibt dazu noch kaum wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Studien“, ergänzt die Biologin Jana Pastuschek. Beide gehören zu den Wissenschaftlerinnen, die der Plazentophagie – so der Fachbegriff für den Verzehr des Mutterkuchens – im Placenta-Labor der Klinik für Geburtsmedizin auf den Grund gehen, um diesem Defizit zu begegnen.

Die 34-jährige Ärztin Sophia Johnson, selbst Mutter von drei Kindern, beschäftigt sich für ihre Promotion unter Betreuung von Laborleiter Prof. Udo Markert seit 2014 mit diesem Forschungsthema, praktisch-klinisch unterstützt von Tanja Groten. Neben der Literaturrecherche zum Thema untersuchte sie die hormonelle Zusammensetzung der Plazenta, die das Kind im Mutterleib mit Nährstoffen, Vitaminen und Hormonen versorgt. Das etwa 500 Gramm schwere Organ wird nach dem Kind als Nachgeburt geboren und hat in diesem Moment seine Aufgabe erfüllt. Für die Analyse wurden sechs Plazenten von komplikationslosen Geburten, die dem Labor von den Frauen zu Forschungszwecken überlassen wurden, ausgewählt. Um mögliche Risiken des Plazentaverzehrs aufzuspüren, wurden die Organe auch mikrobiologisch auf mögliche bakterielle Verunreinigungen untersucht. Parallel dazu ging es darum, wie sich die Verarbeitung der Plazenta nach traditionellen Methoden – zum Beispiel durch Trocknen oder Pulverisieren – auf die Hormonkonzentration auswirkt. „Wir haben das ausschließlich im Labor untersucht“, betont Johnson. Die Frauen selbst verzehrten ihre Plazenta nicht – weder in rohem noch verarbeitetem Zustand.

„Man weiß, dass die Plazenta eine enorme Menge an unterschiedlichen Hormonen produzieren kann“, so Johnson. Das Interesse der Forscherinnen konzentrierte sich auf einen kleineren Teil, neben Sexualhormonen wie Östrogen und Progesteron auch Hormone, die die Milchbildung fördern und Stressreaktionen des Organismus regulieren wie Oxytocin. Dieses „Kuschelhormon“ steuert den Milchspendereflex, regt die Rückbildung der Gebärmutter an und sorgt dafür, dass zwischen Mutter und Kind eine Bindung entsteht, es soll außerdem stressmindernd und entspannend wirken.

Aufschlussreich waren die Messergebnisse beim Vergleich der verschiedenen Verarbeitungsmethoden der Plazenten: Der Hormongehalt sank dabei deutlich. „Beim Verarbeiten gemäß der traditionellen chinesischen Medizin zum Beispiel beträgt der Hormonverlust im Vergleich zum Rohzustand bis zu 99 Prozent“, sagt Jana Pastuschek. „Sie sind also faktisch nicht mehr nachweisbar.“ Damit stellt sich die Frage, was von dem in Erfahrungsberichten von Frauen geschilderten positiven Effekt durch die Einnahme von Plazentapulver wirklich zu halten ist. „Möglicherweise handelt es sich dabei um einen sehr guten Placeboeffekt“, vermutet Pastuschek. Wie der Organismus der Frauen die Wirkstoffe aus dem Mutterkuchen aufnimmt, könne in einer reinen Laborstudie nicht geklärt werden.

Auch angesichts der geringen Zahl von untersuchten Plazenten könne die Forschungsarbeit nur ein erster Schritt sein, betonen die Wissenschaftlerinnen. Eine weitere Doktorarbeit ist bereits in Arbeit. „Es ist uns wichtig, Frauen gut und wissenschaftlich fundiert zu dem Thema beraten zu können“, begründet Tanja Groten, die die Arbeit betreut. „Deshalb kümmern wir uns um dieses Thema.“

Quelle: Universitätsklinikum Jena (idw)


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