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"DER STANDARD"-Kommentar: "Iranisches Atom-Paradoxon"

Archivmeldung vom 07.11.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.11.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Was in einem - offiziell vertraulichen - Iran-Bericht der Internationalen Atomenergie IAEO steht, ist das schlechtestgehütete Geheimnis der Welt: Einige Minuten nach den Mitgliedern des IAEO-Gouverneursrats, an den so ein Bericht gerichtet ist, halten ihn auch alle Journalisten weltweit, die sich mit der Materie befassen, in Händen. Und diesmal wurde fünf Tage vor dem Erscheinungstermin bekannt, was ungefähr im Annex des nächsten Berichts steht - nämlich die konkreten Hinweise darauf, dass der Iran an den unterschiedlichen Technologien geforscht und gearbeitet hat, die man zum Bau einer Atombombe braucht. Man kann diese - im Gehalt wenig überraschende - Nachricht auf politischer und auf technischer Ebene diskutieren - wer Letzteres tut, legt sich allerdings mit den Iran-Falken an.

Dennoch: Für unabhängige Experten wird auch nach diesem Bericht weiter gelten, dass über die politische Entscheidung des Iran, eine Atombombe zu bauen, nichts bekannt ist. Was hingegen seit langem klar ist, denn anders macht das Bild keinen Sinn, ist, dass der Iran zumindest ein "virtuelles Atomwaffenprogramm" hat, wie das der frühere IAEO-Chef Mohamed ElBaradei nannte, und damit bald eine virtuelle Bombe: Alles steht bereit, alle Technologien sind gemeistert, sodass zwischen der Entscheidung, eine Bombe zu bauen, bis zu ihrer Fertigstellung im schnellsten Fall ein paar Wochen liegen. Dieses "nuclear hedging", die nukleare Absicherung, ist ein Zustand, der fast so "gut" ist wie die Bombe selbst. Und darum sieht die politische Beurteilung der Erkenntnisse über den Iran so eklatant anders aus als die technische. Denn der Iran soll nicht nur keine Bombe haben, sondern auch keine bauen können. De facto strebt der Iran (wenn er denn noch in diesem Stadium ist) einen Zustand an, den andere Staaten - ein Beispiel wäre Japan, ein anderes Deutschland - längst erreicht haben. Aber Teheran hat sich zum großen Unterschied zu diesen anderen Ländern auf dem Weg dorthin der Verletzung seiner Safeguards-Abkommen mit der IAEO und der Regeln des Atomwaffensperrvertrags schuldig gemacht, was seine Absichten in einem noch zweifelhafteren Licht erscheinen lässt. Und deshalb gibt es Uno-Sicherheitsratsresolutionen, die den Iran auffordern, sofort sein Urananreicherungsprogramm einzustellen und Klarheit zu schaffen. Das wird nicht geschehen. Die Diskussion über Militärschläge gegen den Iran dient nun einerseits dazu, politischen Druck zu machen: Nur durch eine neue Sanktionsrunde und die totale Isolation des Iran kann Israel daran gehindert werden, die Sache selbst in die Hand zu nehmen, ist die Botschaft in Richtung Sicherheitsratsmitglieder Russland und China. Andererseits ist das Kriegsgetrommel Ausdruck der totalen Hilflosigkeit. Das erste Paradox ist, dass die politische Entscheidung des Iran für eine Bombe dadurch beschleunigt werden könnte. Dass diese wahrscheinlich noch nicht gefallen ist, macht - und das ist das zweite Paradoxon - gleichzeitig die Kriegsgefahr real. Denn die Zeit für einen Militärschlag wird irgend wann einmal abgelaufen sein. Sinn macht er trotzdem keinen: Man kann Anlagen zerstören und Menschen töten, aber nicht technologisches Wissen ausrotten. Und die Folgen, wenn eine derart instabile Region durch noch einen Krieg weiter destabilisiert wird, sind unabsehbar.

Quelle: Der Standard (ots)

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