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Das Westfalen-Blatt (Bielefeld) zum Thema Christian Wulff:

Archivmeldung vom 29.06.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 29.06.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

»Ich nehme die Wahl an.« Als Christian Wulff am 30. Juni 2010 um 21.08 Uhr mit diesen Worten sein Amt antrat, hatte er die dramatischste Phase seiner bislang einjährigen Bundespräsidentschaft auch schon durchgestanden. So viel Ruhe und Souveränität Wulff inzwischen ausstrahlt, so turbulent war er in die Nachfolge des aus nicht nachvollziehbaren Gründen zurückgetretenen Horst Köhler gerückt.

Mit Joachim Gauck hatten SPD und Grüne einen in allen Lagern mehrheitsfähigen Gegenkandidaten aufgestellt. Nicht wenige Wahlmänner und Wahlfrauen aus dem bürgerlichen Lager gaben dem Ex-Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen in zwei Wahlgängen ihre Stimme. Wiederholt hatte Wulff die nötigen 623 Stimmen für eine absolute Mehrheit verfehlt. Ironie der Geschichte: Als nur noch die höchste Stimmenzahl für einen Bewerber ausschlaggebend war und ein Desaster drohte, gab es 635 Stimmen für Wulff. Nach anfänglich kurzem Wirbel um Ferien in einer Millionärsvilla auf Mallorca ließ der Kohl-Eleve und langjährige Ministerpräsident von Niedersachsen erstmals im neuen Amt aufhorchen. Am 3. Oktober 2010 prägte er diesen Satz: »Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.« Das Echo blieb nicht aus. Die einen feierten schon den großen Integrator. Die anderen fürchteten das genaue Gegenteil für den christlich-jüdischen Wertekanon. Selbst die Bundeskanzlerin sah sich zur Klarstellung genötigt. Die Wulff-Worte bedeuteten nicht, dass der Islam das Fundament des kulturellen Verständnisses Deutschlands sei, korrigierte Merkel den ersten Mann im Staate. Und, nicht minder heikel: Maßstab für Integration sei das Grundgesetz - nicht die Scharia. Das Brausen am Polithimmel über Berlin hielt an, bis Wulff am 19. Oktober als erstes deutsches Staatsoberhaupt vor der türkischen Nationalversammlung sprach und dort den Bogen zu Ende führte: »Das Christentum gehört zweifelsfrei zur Türkei.« In mehr als 20 Ländern und überall in Deutschland hat Wulff inzwischen seine Visitenkarte abgegeben. Wohlwollende Beobachter nennen ihn so umtriebig wie kaum einen seiner neun Vorgänger. Der Bundespräsident selbst hält den Ball flach, sieht sich »im Amt angekommen«. Sympathisch finden ihn 80 Prozent der von »Bild am Sonntag« jüngst befragten Deutschen. Ähnlich viele vermissen allerdings auch politische Reden mit »klarer Kante«. Das ist und bleibt das zentrale Problem des 52-Jährigen. Selbst die von Roman Herzog 1997 eingeführte »Berliner Rede« ließ er ungenutzt. Stattdessen überließ er Polens Präsident Bronislaw Komorowski die Bühne. Das muss nicht Kleinmut gewesen sein. Wulff ist auch ausgebuffter Politprofi, der um die Brisanz politischer Gratwanderungen weiß. Bewusst dosiert er seine Botschaften. Das Ziehen langen Linien hat gerade erst begonnen. Wenn Wulff sich treu bleibt, hat er noch viel Zeit dafür.

Quelle: Westfalen-Blatt (ots)

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