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Berliner Morgenpost: Zumwinkel und die gefühlte Gerechtigkeit

Archivmeldung vom 16.03.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.03.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Glücksforscher haben festgestellt, dass das Wohlbefinden von Menschen nicht von ihrem absoluten Wohlstand abhängt, sondern vielmehr von gefühlter Gerechtigkeit. So erklärt sich, dass Südsee-Insulaner überaus glücklich sind.

Sie besitzen zwar nicht viel mehr als eine Hütte und einen Einbaum, aber genau hier liegt das Geheimnis: Alle Bürger haben in etwa gleich wenig. Und gleichartige Lebensumstände sorgen für Zufriedenheit. Das Gegenteil gilt ebenfalls: Wenn zum Beispiel die Einkommen allzu weit auseinander klaffen, steigt das gefühlte Unbehagen der Menschen. In Skandinavien liegen die Einkünfte der Leute dichter beieinander als hierzulande; das Glücksempfinden wiederum höher. In Deutschland dagegen hat sich die Schere zwischen oberen und unteren Einkommen in den letzten Jahrzehnten deutlich geöffnet. Zugleich schwand das Vertrauen der Menschen in das Aufstiegsversprechen, das in Wirtschaftswunderzeiten jedem Tüchtigen gemacht wurde. Die Zahl der Tellerwäscher, die durch Fleiß und Geschick zum Millionär wurde, bleibt übersichtlich. Wenn der frühere Post-Chef Klaus Zumwinkel sich nun 20 Millionen Euro Pensionsansprüche auszahlen lässt, mag das rechtens sein. Aber es widerstrebt dem Gerechtigkeitsempfinden vieler Bürger, denen es deutlich zuviel zumwinkelt in Deutschland. Der Vertrag über diese Summe ist verhandelt worden, als die leiseste Frage nach der Angemessenheit noch mit dem Totschlagargument von der "Neid-Gesellschaft" beantwortet wurde. Im Zuge der Finanzkrise normalisieren sich die Maßstäbe. Es fällt zunehmend schwer zu erklären, warum eine Kassiererin nach Unterschlagung eines Pfandbons das Vertrauen ihres Arbeitgebers verliert und fristlos gekündigt werden darf, ein Post-Chef dagegen trotz erwiesener Steuerhinterziehung noch öffentliche Millionen scheffelt. Zumal die Post in der Hand des Bundes ist, jedwede Zahlung also mittelbar öffentliches Geld bedeutet. Am Wochenende kam noch ein zweiter unschöner Vorwurf ans Licht: Laut einem internen Vermerk soll Zumwinkel als Aufsichtsratschef der Telekom auch illegale Spähaktionen gedeckt haben. Soll der Bürger wirklich jene alimentieren, die der Gemeinschaft vorsätzlich Steuergeld vorenthalten, und womöglich Judas-Löhne für Schnüffler freigegeben haben? Mag Zumwinkel vertraglich Recht auf 20 Millionen Euro haben - verdient hat er sie nicht. Die gesellschaftliche Ächtung, die vor einigen Jahren jedem Sozialhilfetrickser zuteil wurde, darf auch den Größen der Wirtschaft zuteil werden. Zudem sollten gerade die lautstark protestierenden Politiker kurz einmal überlegen, wer denn die Verträge mit Zumwinkel im Quasi-Staatsbetrieb Post durchgewunken hat. Die Volksvertreter gewinnen ihre Glaubwürdigkeit erst dann wieder, wenn die Mehrheit der Bürger den Eindruck hat, dass man sich gesellschaftlichen Aufstieg und Status nicht nur verdienen kann, sondern auch stets aufs Neue verdienen muss.

Quelle: Berliner Morgenpost

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