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BERLINER MORGENPOST: Die Sehnsucht nach dem Bewahrenden

Archivmeldung vom 11.10.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.10.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Man könnte neidisch werden als Berliner. Hunderttausend versammeln sich an diesem Wochenende in Stuttgart, um gegen den Teilabriss ihres Bahnhofs zu protestieren. Ihr Motiv - bewahren, was ist. Der Bahnhof, so ihr Empfinden, ist ein Wahrzeichen ihrer Stadt, und das soll so bleiben. Weder schnellere Zugverbindungen noch bessere Flughafenanbindung locken sie. Viel zu teuer, zu unnütz, zu zerstörerisch. Von einer neuen Protestkultur ist die Rede - durch und durch bürgerlich statt Schwarzer Block.

Selbstbewusste Steuerzahler, die sich nicht mehr von der Politik diktieren lassen wollen, wohin die Reise geht. "Wir können ohne Euch. Ihr aber nicht ohne uns", heißt es auf Transparenten, an die Politiker gerichtet. Wäre ein solcher Protest in Berlin möglich? Ein breites bürgerliches Aufbegehren, um Unfug zu stoppen und Bewährtes zu erhalten? Die Antwort ist leider: Nein. Wäre er nötig? Die Antwort ist: Weiß Gott, ja. Was hat Berlin, gerade der Westteil der Stadt, alles mit sich machen lassen: Tempelhof geschlossen - jetzt rottet der schöne alte Flughafen vor sich hin, keiner weiß so recht, was damit geschehen soll. Der Bahnhof Zoo - zum Regionalbahnhof degradiert. Die Deutschlandhalle - soll nächstes Jahr abgerissen werden, Flughafen Tegel - wird dichtgemacht. Jedes einzelne Bauwerk ein weltbekannter Name, eine schöne Gewohnheit, ein Symbol. Natürlich, es gab Protest, sogar einen Volksentscheid. Doch im Vergleich zu dem, was Stuttgart auf die Beine stellt, war der Aufstand der Berliner ein laues Lüftchen. Jetzt heißt es, auch die anschwellenden Proteste im Südwesten gegen die Flugrouten des neuen Großflughafens BBI seien Ausdruck der neuen bürgerlichen Protestkultur. Leider ist das nicht so. Hier protestiert nur, wer direkt betroffen ist. Den Rest der Stadt interessiert das Problem kaum - egal ob bürgerlich oder nicht. Damit, denken viele, müssen die Reichen in Kladow, Nikolassee und Wannsee schon selbst klarkommen. Nein, das Einzige, was Berlin in den vergangenen Jahren leidenschaftlich gut konnte, war - abreißen, abwickeln, abschaffen. Nur da entstand ein breiter Konsens. Allein die vielen Bildungsreformen: Abschaffen des verpflichtenden Religionsunterrichts, Abschaffen der klassischen Grundschule mit ihren Klassenstufen, Abschaffen der Real- und Hauptschulen. All das wurde von Berlins Bürgern getragen, ja sogar unterstützt. Mit Bewahren hat diese Politik nichts im Sinn. Und das Ergebnis? Was ist aus Berlin geworden? Eine leere Bühne, bespielbar für jeden, der eine neue Sau durch die Stadt scheucht. Der stillgelegte Flughafen Tempelhof ist das Symbol dafür. Vor lauter Abschaffen, Abreißen, Zuschließen droht Berlin seinen Charakter zu verlieren. "Arm, aber sexy", ist eben keine abendfüllende Botschaft. Wirklich, man könnte neidisch werden auf Stuttgart.

Quelle: BERLINER MORGENPOST

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