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"Weser-Kurier" (Bremen): Die ersten 100 Tage der schwarz-gelben Bundesregierung

Archivmeldung vom 04.02.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.02.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Mehr Ente als Tiger von Joerg Helge Wagner Erinnern Sie sich noch an die ersten 100 Tage des Projekts Rot-Grün? Schnell war da vom Fehlstart des vermeintlichen Dreamteams Schröder/Fischer die Rede; ausgiebig wurde ventiliert, wer von beiden denn nun Koch und wer Kellner sei. In der Folge gingen reihenweise Landtagswahlen verloren: Hochburgen der SPD wurden geschleift, die Grünen verloren in fast allen Ländern die Regierungsbeteiligung.

Droht Angela Merkel, droht Schwarz-Gelb das gleiche Schicksal? Zumindest tun die maßgeblichen Akteure derzeit alles dafür. Und sie haben nicht den Premieren-Bonus, den 1998 Rot-Grün hatte. Schwarz-Gelb hat das Land jahrzehntelang regiert, sein "Wirtschaftswunder" bewirkt, es durch den Kalten Krieg geführt, die Wiedervereinigung gemeistert. Das ist die Messlatte, die zumindest die eigene Anhängerschaft an Schwarz-Gelb anlegt. Und die stellt nun fest: Da ist aber noch ganz viel Luft nach oben. Das hat drei Hauptursachen: die erste heißt Merkel, die zweite Westerwelle, die dritte CSU. Die Kanzlerin, die ja gleichzeitig auch CDU-Chefin ist, möchte ihren Laden so weit umkrempeln, dass er SPD und Grüne gleichermaßen überflüssig macht, indem er deren Programmatik samt Wählerschaft weitgehend aufsaugt. Große Koalition unter einem einzigen Logo sozusagen. Aber kann man so Deutschland regieren, diese höchst inhomogene, föderal verfasste, 82 Millionen Einwohner zählende Wirtschaftssupermacht? Nein, denn es führt zur Herrschaft des kleinsten gemeinsamen Nenners - und zum wachsenden Widerstand derjenigen, die von Schwarz-Gelb einen ernsthaften Politikwechsel erwartet haben. Ja, man muss sich bei weitreichenden Steuerentlastungen eben für mehr Eigenverantwortung und gegen allumfassende staatliche Fürsorge entscheiden. Das genau tut die Kanzlerin aber nicht, das tun auch Finanzminister Schäuble und Sozialministerin von der Leyen nicht. Man müsste dann zudem das nicht mehr finanzierbare Gesundheitssystem Richtung Kopfpauschale umgestalten, wie es Merkel ja einst auch wollte. Jetzt drischt sie lieber auf den liberalen Gesundheitsminister Rösler ein, der das immer noch will. Und wenn die Kanzlerin dann doch einmal konsequent bleibt, tut sie es ausgerechnet beim umstrittensten, angreifbarsten Gesetz ihrer neuen Koalition: Die Steuerentlastung für Hoteliers - nicht durchdacht, bürokratisch und mit dem Geruch der Klientelpolitik behaftet - bleibt. Basta! Und Vize Westerwelle? Versagt als Ko-Pilot und Korrektiv auf ganzer Linie, bürstet stattdessen die berechtigten Bedenken seines liberalen Parteivize Pinkwart ab. Westerwelle - die wohl größte Enttäuschung für das "bürgerliche Lager". Nach dem triumphalen Einzug in die Regierungsspitze verzettelt sich der neue Außenminister im Hickhack um die Vertriebenenpräsidentin Steinbach, zickt vor der Londoner Afghanistan-Konferenz herum und bläht sein Ministerium erst einmal um einen dritten Staatssekretär auf. "Weniger Staat!" war mal. Da kann man die CSU fast schon verstehen, dass sie ihr Dauerfeuer auf die Liberalen richtet - aber eben nur fast. Denn jeder Rückstoß beschädigt sie selbst, legt ihre nach Wahl- und Bedeutungsverlusten eingetretene Verunsicherung bloß. Aus dem Garanten der weiß-blauen Wirtschafts- und Bildungspotenz wird unter Seehofer die Heimat aller frustrierten Herz-Jesu-Marxisten. Die aber haben im September eben keine Mehrheit bekommen: Auch jeder Unionswähler hat sich ganz bewusst für das Projekt Schwarz-Gelb entschieden. Doch der eigentlich dämliche Begriff "Tigerenten-Koalition" dafür trifft jetzt zu: mehr Ente als Tiger, genau wie die Kinderbuch-Figur.

Quelle: Weser-Kurier

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