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WAZ: Ein Fall von Erpressung

Archivmeldung vom 03.01.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 03.01.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Es ist eine gute Tradition in Deutschland, das oberste Staatsamt und dessen Amtsinhaber mit Respekt zu behandeln. Im Fall Christian Wulffs muss man allerdings einen Unterschied machen zwischen Amt und Amtsinhaber. Inzwischen muss man sogar fragen, ob nicht der Amtsinhaber das ihm anvertraute Amt beschädigt. Dann wäre das Amt vor dessen Inhaber zu schützen.

Wulff hat versucht, den Chefredakteur der Bild-Zeitung, Kai Diekmann, und auch den Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner unter Druck zu setzen. Der Präsident wollte verhindern, dass Bild Wulffs fragwürdiges Kreditgebaren enthüllt. Das allein ist skandalös. Unmittelbar vor seinem Anruf hat der Bundespräsident vor Journalisten in Kuwait über die Bedeutung der Pressefreiheit für die Demokratie referiert. Dann rief er in Berlin an, um die grundgesetzlich gesicherte Pressefreiheit für sich persönlich außer Kraft zu setzen.

Skandalös ist darüber hinaus, dass das Staatsoberhaupt sich in die peinliche Lage manövrierte, beim Chefredakteur um Entschuldigung bitten zu müssen. Ein Präsident, abhängig von der Gnade eines Journalisten - das passt selbst bei großer Fantasie nicht zum Staatsamt.

Es spricht im Übrigen Bände, dass zwischen dem Anruf beim Bild-Chef und der Entschuldigung volle zwei Tage liegen. Es sieht ganz so aus, als ob sich der Präsident nicht aus Einsicht entschuldigt hat, sondern unter Druck. Er musste befürchten, das Protokoll seines Anrufs könnte veröffentlicht werden. Es handelt sich übrigens um einen Wutausbruch, der mehrere Minuten dauerte.

Was für eine Eselei außerdem, dem Bild-Chef auf dessen Mailbox zu sprechen. Ein Telefonat zwischen einem Journalisten und einem Politiker ist geschützt, man kann Vertraulichkeit vereinbaren. Das ist bei einer auf eine Mailbox gesprochenen Nachricht nicht der Fall. Bild hätte sie veröffentlichen dürfen, verzichtete aber klugerweise darauf. Springer-Chef Mathias Döpfner machte dem Präsidenten klar, dass er sich in die journalistische Freiheit nicht einmischen werde. Dass ein solcher Vorgang - der Präsident droht mit "Krieg" zwischen ihm und Deutschlands größtem Zeitungsverlag - nicht geheim bleiben würde, war klar. Bei Bild in Berlin arbeiten 180 Redakteure, und nicht jeder im Präsidialamt schätzt Wulff.

Die Union hat schon vor einigen Tagen ein Ende der Debatte um Wulff gefordert. Das war mindestens einmal verfrüht, wie sich jetzt herausstellt. Abgesehen davon, dass noch nicht klar ist, ob Wulff gegen das niedersächsische Ministergesetz verstoßen hat, als er von einem Privatmann einen Kredit annahm. Eine hypothetische Überlegung: Wäre die Kanzlerin jemals auf die Idee verfallen, Wulff für das Präsidentenamt vorzuschlagen, wenn sie gewusst hätte, was sie heute weiß?

Es ist die Aufgabe der Presse, in einem Rechtsstaat aufzudecken, was schiefläuft. Auch wenn etwas beim Bundespräsidenten aus dem Ruder läuft. Was macht die Union jetzt? Verteidigt sie "ihren" Präsidenten? Falls ja - mit welchen Argumenten? Die Kanzlerin wird jedenfalls alles vermeiden, was sie selbst und ihre Koalition in Gefahr bringt. So sind nun einmal die politischen Spielregeln.

Fazit: Es wurde gewarnt, der Rücktritt des zweiten Bundespräsidenten in Folge käme einer Staatskrise gleich. Das ist falsch. Unsere Demokratie hat sich bislang gerade dann bewährt, wenn sie ihre Institutionen schützen musste. Darauf kann man bauen.

Quelle: Westdeutsche Allgemeine Zeitung (ots)

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