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BERLINER MORGENPOST: Das Pendel schlägt zurück

Archivmeldung vom 25.03.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 25.03.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Es gibt Wochen, da keimt tatsächlich so etwas wie Hoffnung in die Restvernunft der Menschheit. Nein, nicht Zypern, nicht der Frühling, nicht mal Steinbrück, sondern ein viel schwierigerer Patient - das deutsche Fernsehen. Die vergangene Woche begann mit einem unglaublichen Interesse für das Kriegs- und Nazi-Epos "Unsere Mütter, unsere Väter". Obgleich es keinen aktuellen Anlass gab, berührte der Dreiteiler im ZDF offenbar ein verschüttetes Thema in deutschen Familien. Wie oft mögen alte Schwarz-Weiß-Fotos aus den Schränken gekramt worden sein, wie viel düster-dämonische Gedanken sind in der vergangenen Woche wohl in diesem Land gedacht worden. Kein anderes Medium schafft eine solche Wucht wie das Fernsehen.

Zugleich tobte eine wilde Debatte über einen Auftritt der Schauspielerin Katja Riemann in einer Vorabendsendung des NDR. Über eine Million Menschen schauten sich seither auf YouTube noch mal an, wie ein schrecklich gut gelaunter Moderator ein Meer von Arg- und Ahnungslosigkeit ausschüttete. Zu Recht ziemlich fassungslos, schaltete Katja Riemann in den Sturmodus. Und warf damit eine durchaus bange Frage auf, die sich jeder Journalist beizeiten wieder stellen sollte: Wie viel fröhlich-unterhaltsames Wegmoderieren ist mit der Genfer Menschenrechtskonvention eigentlich vereinbar?

Es folgte eine dritte Medienwoge: "Britt", eine Nachmittagsshow mit Themen aus dem Baukasten menschlicher Abgründe, wird im Sommer von Sat.1 geschlachtet. Nach zwölf Jahren tapferem Trash-Talk ist die einst so zuverlässige Quote futsch. Da fügt es sich, dass der Marktführer RTL zeitgleich in den Keller rauscht. Ob balzwütige Bauern oder erbärmliche Sangeskunst, Deutschland ist offenbar durchgecastet. Tränenerstickter Sozialvoyeurismus funktioniert nicht mehr. Gut so.

Aber was genau ist passiert? Kaum feiert das deutsche Feuilleton die bizarre Schönheit des Dschungelcamps, kaum haben die öffentlich-rechtlichen Sender ihre Moderatoren per Negativauslese der privaten Konkurrenz angepasst, da scheint das Pendel des Schreckens seinen maximalen Ausschlag erreicht zu haben. Das Maximum schlechter Qualität ist erreicht, der Trash wird selbst von schlichteren Zuschauern als solcher identifiziert, die Grenzen der vorgeschriebenen Reality sind überschritten. Wer wirklich schlimme Sachen sehen will, der guckt gleich im Internet.

Zugleich hat der Zuschauer in den vergangenen Jahren eine Bewusstseinserweiterung erfahren. Wir TV-Naivlinge, die mit drei Programmen und Testbild aufgewachsen sind, wir haben tatsächlich geglaubt, was die guten Onkels und Tanten da auf dem Bildschirm erzählt haben. Dann kamen eines Tages Dieter Bohlen und die Castingshows. Und sehr schnell hat das Publikum verstanden, dass eigentlich alles, was es zu sehen gibt, einer mehr oder weniger billigen Inszenierung folgt.

Und jetzt? Wird sich das private Fernsehen grausam neu erfinden, während der öffentlich-rechtliche Komplex sich im Glanze einiger Einzelleistungen sonnt. Man sollte Katja Riemann als Qualitätskontrolleurin durch alle Funkhäuser schicken.

Quelle: BERLINER MORGENPOST (ots)

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