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Börsen-Zeitung: Regulierung richtig dosieren

Archivmeldung vom 23.09.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.09.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Goldman Sachs und Morgan Stanley flüchten in den sicheren Hafen einer strengeren Aufsicht. Vor kurzem wäre diese Aussage noch als missglückter Scherz aufgefasst worden. Doch seit dem Kollaps von Lehman Brothers und dem Notverkauf von Merrill Lynch an die Bank of America steht das kaum regulierte Investment Banking nach Wall-Street-Art vor dem Aus.

Die Finanzkrise, deren Ursprung nicht nur der US-Immobilienmarkt, sondern auch der an Wahnsinn grenzende Risikoappetit der Investmentbanker aus Lower Manhattan ist, hat inzwischen Verluste verursacht, die die Billionengrenze überschritten haben.

Der US-Staat schnürt ein 700 Mrd. Dollar schweres Rettungspaket. Hinzu kommen die von Instituten weltweit vorgenommenen Wertberichtigungen über gut 500 Mrd. Dollar. Die Flucht der beiden letzten reinen Investmentbanken in das deutlich schärfer regulierte Geschäftsmodell der Universalbanken kommt einem Offenbarungseid gleich: Nicht nur weil Goldman Sachs und Morgan Stanley wegen der kaum noch vorhandenen Refinanzierungsmöglichkeiten keine Perspektiven mehr für ihr altes Geschäftsmodell sahen, sondern weil sie auch eine strengere Regulierung bewusst in Kauf nehmen.

Die Banken haben derzeit schlechte Karten, wollen sie ein strengeres Aufsichtsregime verhindern. Diese Schlacht ist angesichts des öffentlichen Drucks nicht zu gewinnen. In vielen Punkten haben die großen Finanzhäuser dieser Welt sogar selbst aufgezeigt, wo ein Umdenken erforderlich ist. So hat das Institute of International Finance - Vorsitzender des weltweiten Finanzverbands ist Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann - im Juli in seinem Schlussbericht die Vergütungspraxis der Banken als eine Ursache der Finanzkrise bezeichnet.

So konnten die Investmentbanker an Wall Street und in der Londoner City üppig Boni verdienen, da sich diese variable Gehaltskomponente am kurzfristigen Erfolg orientierte. Dass damit aber enorme Risiken ins Buch geholt wurden, blieb in der Vergütungspraxis außer Acht. Die Ziele des Risikomanagements und das langfristige Interesse der Aktionäre an einem stabilen Unternehmen müssen in Zukunft in der Vergütung Berücksichtigung finden. Ein neues Aufsichtsregime muss dabei die Rahmenbedingungen definieren. Innerhalb derer sollen die Institute aber die Freiheit behalten, mit eigenen Mitteln den Wettbewerb um die Talente erfolgreich zu gestalten.

Ein wunder Punkt der Krise sind zudem die Exzesse bei der Schaffung neuer Wertpapiere, die mit Forderungen besichert sind. Die Verbriefungsmärkte sind nun tot. Die Verbriefung von Krediten bleibt aber ein hervorragendes Mittel zur Diversifizierung der Risiken. Die EU-Kommission will erreichen, dass die Emittenten künftig einen Teil ihrer Verbriefungstransaktion im Buch behalten. Die hier ansässigen Banken sollen nur noch in Papiere investieren dürfen, bei denen diese Bedingung erfüllt ist. Wenn die kreditgebende Bank weiterhin im Risiko bleibt, besteht ein Eigeninteresse an strengen Kreditvergabestandards.

In den USA wurden die Kreditnehmer vor Ausbruch der Krise gar nicht mehr geprüft. Die Wall-Street-Häuser wollten nur noch Masse für Verbriefungen, die bei Investoren wegen der attraktiven Verzinsung reißenden Absatz fanden. Wenn die verbriefenden Banken einen Bruchteil der Risiken selbst behalten, ist dies als vertrauensbildende Maßnahme zu begrüßen. Dies kann aber nicht über eine Einschränkung der Anlagemöglichkeiten und im europäischen Alleingang erreicht werden. So stellen die Pläne aus Brüssel für europäische Banken bislang einen Wettbewerbsnachteil dar.

Die größte Gefahr ist eine regulatorische Überreaktion. Sie bestraft auch die Banken, die aufgrund ihres strikten Risikomanagements den Exzessen fernblieben, und schränkt die Wachstumsmöglichkeiten ein. Ein zu strenges Aufsichtsregime birgt die Gefahr, den Regulator zu überfordern. Die Marktteilnehmer würden sich möglicherweise zu sehr auf die Aufsicht verlassen, ähnlich wie vor der Krise auf das Urteil der Ratingagenturen. Eigene Risikobeurteilung muss aber unerlässlich bleiben. Auch dies ist eine Lehre der Krise, sich nicht nur auf externe Einschätzungen zu verlassen.

Die regulatorische Aufarbeitung von Krisen hat einen entscheidenden Nachteil: Sie erfolgt a posteriori. Deshalb schützt sie nicht vor künftigen Krisen, denen im Finanzsektor in der Regel spekulative Übertreibungen vorausgehen. Vor den Fehlern, die die Banken begangen haben, warnt bereits jedes Lehrbuch für Bankkaufleute. Die eigenen Risikostandards sind im Rausch missachtet worden. Hier hat die Krise ihren Anfang genommen, und hier müssen zuerst interne Sanktionen greifen. Die Vergütung muss die in Kauf genommenen Risiken widerspiegeln. Schließlich darf nicht vergessen werden, dass der Markt selbst der strengste Regulator ist. Das Ende der Wall-Street-Häuser hat seine Ursache im Misstrauen der Investoren. Die Banken müssen deren Vertrauen aus Eigeninteresse selbst zurückerobern. Eine richtig dosierte Regulierung kann dabei hilfreich sein, eine Überdosierung ist es nicht.

Quelle: Börsen-Zeitung (von Markus Frühauf)

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