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Südwest Presse: zu Finanzkrise

Archivmeldung vom 22.09.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.09.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Es gibt keinen Anlass zur Schadenfreude. Genugtuung aber kann man angesichts der nicht endenwollenden Katastrophenmeldungen von den Finanzmärkten durchaus empfinden. Genugtuung darüber, dass sich der gierige Raubtierkapitalismus nun vor aller Augen selbst verschlingt.

Das also ist das Ergebnis, wenn man den Kräften des Marktes freien Lauf lässt: ein rapider Verfall der Moral, der Zusammenbruch riesiger Finanzhäuser, ein Beben an den Börsen, drohende Rezession rund um den Globus, blanke Panik und schrille Zukunftsszenarien. Letztere gipfeln in der Prognose diverser Ökonomen, die USA könnten, falls weitere Geldinstitute wanken und die Regierung erneut eingreifen müsste, "selbst an die Grenze ihrer Zahlungsfähigkeit geraten". Absurd? Keineswegs. Weil plötzlich alles denkbar scheint, erschüttert die Krise nicht nur die Finanzmärkte, sondern auch das Vertrauen in das System. Umso mehr, als der ungehemmten Geldgier der Ruf nach dem Staat folgt und die Folgen des Desasters allein dem Steuerzahler aufgebürdet werden - welch eine Bankrotterklärung. Das wird einen Prozess beschleunigen, der bereits vor Jahren begonnen hat. Die Mehrheit der Menschen in Europa, vielleicht sogar in den USA mag nicht mehr glauben, was ihr vor allem wirtschaftsliberale und konservative Politiker über die Segnungen der Globalisierung erzählt haben: Je weniger Regulierung, desto blühender die Wirtschaft und Kapitalmärkte, desto größer der Nutzen - erst für die ganz oben, später auch für die da unten. Es bleibt ein leeres Versprechen, dass der freie Markt eine gerechte Gesellschaft hervorbringt. Auch eher wirtschaftsgläubige Wähler ahnen das inzwischen. Kein Wunder, dass die Kanzlerin jetzt mehr Transparenz fordert. Selbst CDU-Vize Roland Koch ließ verlauten, die Union müsse "über Regulierung neu nachdenken". Und der finanzpolitische Sprecher der Union, Otto Bernhardt, wird zitiert, in seiner Partei wachse die Überzeugung, "dass es der Markt allein nicht richten kann". Das sind ganz neue Töne, nachdem viele Jahre hinter derartigen Ansichten stets der Gutmensch gewittert wurde, der wirtschafts- und wachstumsfeindliche Ideologe, der nicht begreifen wollte, in welcher Welt wir leben und welchen Zwängen wir uns zu unterwerfen haben. Ursache dieser Krise ist kein Exzess, sondern ein ungezügeltes System. Der Markt hat kein Gewissen, und Teile der ökonomisch Mächtigen kommen ebenfalls ganz gut ohne aus. Daher muss die Konsequenz sein, ihren Spielraum zu begrenzen. Bisher konnten sie ihn weidlich nutzen, weil viele Politiker, darunter auch ein nach Anerkennung gierender Sozialdemokrat namens Gerhard Schröder, allzu willfährig waren. Auch deshalb ist das Vertrauen in die Gestaltungsfähigkeit und Integrität der politischen Klasse verloren gegangen. Nationale Politik kann dieser Herausforderung nicht wirkungsvoll begegnen. Alle Industriestaaten sind aufgerufen, gemeinsam ihre Finanz- und Wirtschaftssysteme neu zu gestalten und dabei mehr Kontrolle auszuüben. Absurde Anreize auf der Jagd nach abenteuerlichen Renditen sind ebenso zu beseitigen wie wuchernde Ungerechtigkeiten der Globalisierung, die entstehen, weil wirtschaftlich Starke sich sozialer Verantwortung entziehen. Nötig sind Sanktionen gegen Steueroasen wie Liechtenstein, die britischen Kanal- oder die Kaimaninseln zu verhängen, Steuern auf alle Spekulationsgewinne zu erheben, Banken zu verpflichten, einen Fonds einzurichten, um für die Kosten derartiger Finanzkrisen aufzukommen, und eine internationale unabhängige Bankenaufsicht zu installieren. Ein Mammutprojekt, wohl wahr, aber eines mit besonders guter Rendite.

Quelle: Südwest Presse

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