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BERLINER MORGENPOST: Für Serbien liegt die EU noch in weiter Ferne

Archivmeldung vom 04.06.2011

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 04.06.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Er kannte keine Menschlichkeit. Für sich selbst aber nimmt er sie wie selbstverständlich in Anspruch. Sein letzter Wunsch vor der Auslieferung an das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag wurde sogar erfüllt. Ratko Mladic, ehemaliger serbischer General und Militärchef der bosnisch-serbischen Armee im balkanischen Bürgerkrieg (1992 bis 1995), als solcher der berüchtigte "Schlächter vom Balkan", durfte vor seiner Überstellung an das UN-Gericht noch einmal das Grab seiner Tochter Ana aufsuchen.

Die hatte sich 1994 im Alter von 23 Jahren mit der Dienstpistole des Vaters erschossen. Offensichtlich aus Scham über dessen Brutalität gegenüber seinen Feinden, den bosnischen Muslimen. Als Ratko Mladic gestern zum ersten Mal vor seine Richter trat, da äußerte er wieder einen letzten Wunsch: Er wolle noch seine Freiheit erleben. Der allerdings wird kaum in Erfüllung gehen. Zu lang und zu schwer ist die Anklage gegen ihn: Die Ermordung von etwa 8000 muslimischen Männern und Jugendlichen nach der Eroberung der UN-Schutzzone Srebrenica durch seine Truppe, rund 12.000 Tote während der Belagerung und Beschießung der bosnischen Hauptstadt Sarajevo, ethnische Säuberungen und Gräuel in Internierungslagern. Jetzt zu behaupten, er habe keine Menschen umgebracht, außerdem sei er heute ein schwer kranker Mann, also nicht gerichtsfähig, kommt einer weiteren Verhöhnung der Opfer und des Gerichts gleich. 16 Jahre konnte sich Mladic dank freundlicher Unterstützung bis in höchste Regierungskreise hinein in Serbien verstecken. Jetzt endlich steht er da, wo alle Kriegsverbrecher hingehören. Das ist natürlich kein Zufall. Die Regierung in Belgrad hat Mladic endlich überstellt, um für Serbien die Chance eines EU-Beitritts zu wahren. Die Sympathie des Landes und seiner Menschen für Europa hält sich eher in engen Grenzen. Gefragt sind vielmehr finanzielle und wirtschaftliche Hilfen aus Brüssel. Nur mit ihnen kann sich Serbien aus seiner politischen und wirtschaftlichen Isolierung befreien. Alle anderen Balkanstaaten des ehemaligen Jugoslawien sind inzwischen EU-Mitglied, verhandeln über einen Beitritt oder haben einen offiziellen Kandidaten-Status. Fast verräterisch denn auch die vom serbischen Regierungschef Boris Tadic gestern in einem "FAZ"-Interview erneuerte Forderung, mit der Auslieferung Mladic' habe sein Land nun geradezu Anspruch darauf, in die EU aufgenommen zu werden. Welche Selbstüberschätzung eines Landes, das so schwer vom Nationalismus lassen kann und das 16 Jahre lang einen der übelsten europäischen Kriegsverbrecher seit 1945 mehr oder weniger gedeckt hat. Bevor Serbien Beitrittskandidat wird - und erste Hilfsgelder der EU fließen - müssen in Belgrad noch viele hohe Hürden abgebaut werden: Das Rechtssystem verdient den Namen nicht, die Verwaltung funktioniert mehr schlecht als recht, Korruption blüht, der Umgang mit der einstigen Provinz Kosovo muss gelöst werden. Es darf nicht auch noch mit Belgrad faule Kompromisse geben. Europa hat jetzt schon zu viele "Fußkranke", die das Überleben der EU gefährden.

Quelle: BERLINER MORGENPOST (ots)

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