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"Berliner Morgenpost": Ein Scherbenhaufen - Leitartikel zum Bruch der Ampelkoalition und Scholz

Archivmeldung vom 08.11.2024

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 08.11.2024 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić

Es ist aus und vorbei. Die Ampelkoalition ist Geschichte, und das war überfällig. Dem würde heute im politischen Berlin niemand widersprechen. Doch die Frage, wie es jetzt weitergehen soll, ist völlig offen. Bundeskanzler Olaf Scholz und Robert Habeck haben eine Antwort gefunden, die nur mit der Opposition funktionieren kann: Weiterregieren, um wichtige Gesetze noch eben auf den Weg zu bringen und den Haushalt zu beschließen. Zwei Monate lang will Scholz noch regieren. Aber wie soll das gehen?

Die Ansage des Kanzlers, er wolle noch eben ein paar Gesetze und den Haushalt verabschieden, weil das für das Land besser sei, klingt verantwortungsvoll. Im politischen Betrieb war das entweder naiv oder schlicht politisches Kalkül, um sich als Macher darzustellen. Es muss auch Scholz klar gewesen sein: Im Wahlkampf-Modus lässt sich kein Haushalt beschließen. Wenn die FDP für Mehrheiten nicht mehr zur Verfügung steht (und das machte Lindner mehr als deutlich), wenn Friedrich Merz und Markus Söder fordern, die Regierung müsse jetzt und sofort weg, dann wird klar: Die Spielregeln und Mechanismen im politischen Berlin lassen keine Minderheitsregierung zu. Das mussten Scholz und Habeck nach nur wenigen Stunden feststellen.

Also bleibt nur ein finaler Weg: Der Kanzler muss im Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Es ist ein Scherbenhaufen. Im anstehenden Wahlkampf wird schnell eine Frage im Zentrum stehen: Wer trägt am Scheitern der Ampel die Hauptschuld? SPD und Grüne? Oder doch Christian Lindner?

Schon seit langer Zeit fehlte es den Protagonisten der drei Parteien am Willen, gemeinsam erfolgreich sein zu wollen. Schlechte Umfragewerte wurden durch Profilierungsversuche ausgeglichen, Meinungsverschiedenheiten in öffentlichen Debatten ausgetragen, persönliche Animositäten offen zur Schau getragen. Es ging im Kern nicht um die richtigen Konzepte, wie Lindner noch mit seinem Positionspapier glauben machen wollte. Das hat spätestens der Bruch Volker Wissings mit seiner Partei zutage gefördert.

Vor allem FDP und Grüne wollten einfach nicht zueinanderpassen. Lindner wird zu einer der tragischen Figuren der bundesdeutschen Geschichte. 2017 verhandelt er lange über die Bildung einer Jamaika-Koalition. Als er die Verhandlungen platzen lässt, kann er es nicht richtig erklären. Jetzt geht er vor dem eigentlichen Ende aus der Ampel. Und Wissing wirft ihm öffentlich vor, sich verantwortungslos davongestohlen zu haben.

Lindner sieht das freilich anders. Und es wird deutlich: Wie man in der Politik verantwortungsvolles Handeln definiert, ist auch immer eine Frage der Sichtweise. Doch auf jeden Fall verliert Deutschland seine Regierung zur Unzeit. Wegen der wirtschaftlichen Probleme, weil Europa sich wegen des Wahlausgangs in den USA neu sortieren muss, weil das Land einen Haushalt für das nächste Jahr braucht. Die Liberalen verlassen die Schiffsbrücke im falschen Moment. Nicht nur Team Ampel verliert, Team Deutschland verliert, wenn drängende Probleme ungelöst bleiben. Auch der FDP-Chef merkte das am Donnerstag selbstkritisch an.

Wünschenswert wäre etwas anderes gewesen. Die Ampel-Parteien hätten allesamt Verantwortung übernehmen müssen in schwierigen Zeiten. Um dann erst in den Wahlkampf zu starten. Dass ihnen das nicht gelungen ist, müssen sich alle drei Parteien von den Wählern vorwerfen lassen. Die nächste Bundestagswahl ist nicht mehr weit entfernt - da werden sie die Quittung bekommen.

Quelle: BERLINER MORGENPOST (ots) von von Peter Schink

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