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Vom Zwang zur Mitgliedschaft

Archivmeldung vom 16.08.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.08.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Von dem US-Komiker Groucho Marx stammt der Spruch, er wolle keinem Klub beitreten, der bereit ist, ihn als Mitglied aufzunehmen. Was Groucho wohl zu einem Club eingefallen wäre, der ihm die Mitgliedschaft aufzwingt, lässt sich nur mutmaßen. Vermutlich hätte der Komiker ungläubig den Kopf geschüttelt und dies für zu übertriebene Satire gehalten. Leider aber ist diese vermeintliche Satire (Zwangsmitgliedschaft in einem Club) in Deutschland eine bittere Realität, die jeder Unternehmer erfährt: Die Rede ist von der erzwungen Mitgliedschaft eines jeden Unternehmens in den deutschen Industrie- und Handelskammern.

Die Kammern verstehen sich als Interessenvertreter ihrer Mitglieder. Da aber jedes Unternehmen, egal ob es sich dabei um einen Großkonzern mit mehreren zehntausend Mitarbeitern, ein mittelständisches Unternehmen mit einigen hundert Angestellten oder einen Zwei-Mann-Betrieb handelt, Mitglied in einer der jeweiligen Handelskammern werden muss, stellt sich sofort eine Frage: Wo könnten denn – jenseits des Wunsches möglichst wenig Steuern zu zahlen – die gemeinsamen Interessen von Großkonzernen und Kleinstunternehmen liegen? Wenn überhaupt, so dürfte man solche in der Vermeidung unnützer Ausgaben finden. Hierzu wäre jedoch die Abschaffung der IHK-Zwangsmitgliedschaft der schnellste und einfachste Schritt. Zumal gerade für kleine und Kleinstunternehmen die Beiträge einen nicht unerheblichen Kostenfaktor und damit eine ziemliche Belastung darstellen.

Eigentlich alle Aufgaben, welche die Kammern wahrnehmen, ließen sich auch anderweitig regeln bzw. durch freie Dienstleister anbieten. Hierzu zählen die Überwachung der Ausbildung und die Abnahme der Lehrlings-, Gesellen, und Meisterprüfungen ebenso wie die Erstellung von Gutachten. Zudem ist die Art und Weise, wie die teilweise recht lukrativen Posten besetzt werden, ebenfalls höchst fragwürdig und intransparent. Da die Handelskammern aber über ein staatlich geschütztes Monopol verfügen, werden sie aus sich heraus daran nichts ändern wollen. Aufgrund besagten Monopols ist es auch nicht verwunderlich, dass die Kammern nur allzu oft anstatt durch Leistung und Einsatz für Ihre Mitglieder durch Eskapaden, Beutelschneiderei und sogar kriminelle Machenschaften auffallen.

Die Bremer Handelskammer beispielsweise hat mit den Beiträgen ihrer Mitglieder einen völlig überdimensionierten Rücklagentopf in Höhe von rund 20 Millionen Euro angelegt. Dieser soll nun bis zum Jahr 2018 aufgelöst werden. Die Kammerherren aber scheinen nur bedingt damit einverstanden gewesen zu sein, ihren Mitgliedern einen Teil ihrer Beiträge zurückzuerstatten. Mittels eines externen Beraters wurde kurzerhand eine Neubewertung des Immobilienvermögens vorgenommen, wodurch die Entnahme von 7,5 Millionen Euro aus dem Rücklagentopf „nötig“ wurde. So sieht wahre Interessensvertretung aus, mit der die Bremer Kammer aber bei weitem nicht alleine steht: Auch der IHK Koblenz bescheinigt das entsprechende Verwaltungsgericht die Bildung von „unzulässigen Rücklagen“ – die im Jahr 2012 die stattliche Summe von fast 30 Millionen Euro erreichten.

Auch errichten die Kammern reihenweise Prunkbauten, die sie sich nicht nur von ihren Mitgliedern, sondern gerne auch zusätzlich vom Steuerzahler finanzieren lassen, wie beispielsweise die IHK Hochrhein-Bodensee, die ihr neues Ausbildungszentrum in Höhe von 6 Millionen Euro zu zwei Dritteln von Bund und Land bezahlen lässt. Die IHK Region Stuttgart hielt sich mit einem neuen Ausbildungszentrum allein erst gar nicht auf und baute sich selbst gleich ein ganz neues Haus. Kosten rund 42 Millionen Euro und vermutlich nur das Stuttgarter IHKPräsidium weiß, weshalb dies kostengünstiger als die mit 18 Millionen veranschlagte Renovierung des alten, denkmalgeschützten Gebäudes sein soll. Dagegen zeigte sich die Schweriner IHK geradezu bescheiden. Gerade einmal 14 Millionen Euro fielen für deren neues „Haus am See“ an.

Wer so wirtschaftet, will dann natürlich auch bei der Amtsführung nicht pingelig oder gar knauserig erscheinen. Entsprechend gönnt man sich gerne repräsentative Geschäftswagen oder Privatsekretärinnen. Dass bei solcher Amtführung, gerade wenn es um prestige- und vor allem kostenträchtige Bauprojekte geht, schnell der Verdacht der Vetternwirtschaft aufkommt verwundert kaum, insbesondere dann wenn beispielsweise die Baufirma des Sohnemanns den Zuschlag für das entsprechende Objekt erhält – so geschehen bei der Potsdamer IHK.

Den Vogel aber schoss jüngst die deutsche Wirtschaftsprüferkammer ab. Ausgerechnet jene Kammer, welche die Rechtmäßigkeit deutscher Geschäftsbilanzen garantieren soll, trickste bei der eignen Bilanz. Ein Fehlbetrag von 600.000 Euro – zugegebenermaßen eine Lappalie heutzutage und doch immerhin rund 75% der Einnahmen der Kammer – wurde in der Bilanz für 2013 dadurch ausgeglichen, dass ihm zukünftige Einnahmen entgegengestellt wurden. Man mag einwenden, dass dies in der EU und deren Bankenlandschaft gang und gäbe ist, aber das macht es nicht besser bzw. bilanztechnisch korrekter. Dies sahen auch einige Whistleblower so und machten die Vorwürfe der Bilanzmanipulation öffentlich. Offenbar waren die Vorwürfe so handfest, dass das Landesgericht dem Antrag des IHK-Managements auf Unterlassung nicht stattgab.

Bereits diese wenigen Beispiele zeigen, wozu sich die Handelskammern entwickelt haben: Zu Erbhöfen, deren höchst mangelhaft legitimierten Verwalter eine inzwischen dramatische Selbstbedienungsmentalität entwickelt und teilweise jegliche Bodenhaftung verloren haben. Insofern ist es ein höchst erfreulicher Schritt, dass sich inzwischen auch das Bundesverfassungsgericht mit dem IHK-System befasst. Erstmals seit 1961 hat Karlsruhe eine Klage gegen das System der Zwangsmitgliedschaft zugelassen. Dabei muss man nicht einmal gleich das Kammersystem vollständig abschaffen – es würde schon genügen, die Mitgliedschaft freiwillig zu machen, Wettbewerb einzuführen und die Wahl der IHK-Präsidenten transparenter und demokratischer zu gestalten. Ob und wie weit das Handelskammersystem eine Existenzberechtigung hätte, würde sich dann schon sehr schnell zeigen.

Denn unabhängig davon, welches Urteil das Bundesverfassungsgericht fällen wird, steht eines unumstößlich fest: Wer zu Zwang greifen muss, damit Bürger oder Unternehmen den jeweiligen Dienst in Anspruch nehmen, der beweist damit nur, dass eben jener Dienst nicht freiwillig in Anspruch genommen würde bzw. von Anbietern an einem freien Markt besser, günstiger und effektiver angeboten würde. Diese gilt übrigens nicht alleine für die Zwangsmitgliedschaft in den deutschen Industrie- und Handelskammern.

Quelle: Freitagsgedanken, 11. Juli 2014, von Dagmar Metzger, Steffen Schäfer und Christian Bayer, Liberale Vereinigung

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