Westdeutsche Zeitung: Ehrenmorde
Archivmeldung vom 11.11.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.11.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie Zeit des Wegguckens soll ein Ende haben: Mit der Kampagne gegen Ehrenmorde, nackte Gewalt und Zwangsheiraten löst die Landesregierung endlich ein, was sie von den Bürgern an anderer Stelle stets einfordert - Courage zeigen und gesellschaftliche Probleme offen benennen.
Allzu lange ist über die
Probleme, die türkische Frauen mitten in Deutschland haben,
geschwiegen worden. Jetzt wird darüber geredet - und zwar nicht nur
von Politikern, sondern vor allem von Migrantenverbänden. Das ist ein
gutes Zeichen.
Im Kern geht es natürlich um die Vermittlung von Werten, die in
Deutschland und in der zivilisierten Welt überhaupt Grundrechtestatus
haben. Wer in einer freien Gesellschaft leben will, ihre Vorzüge in
Anspruch nimmt, aber in den eigenen vier Wänden körperliche und
psychische Gewalt für normal hält, muss in seine Schranken verwiesen
werden. Die Diskussion wird in der Türkei übrigens auch geführt. Die
jungen Frauen in Istanbul nehmen für sich in Anspruch, so emanzipiert
und selbstbewusst zu leben, wie es ihre Altersgenossinnen in Europa
fast immer tun können. In den abgelegenen Regionen Anatoliens
herrschen ganz andere Zustände - der aktuelle
Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk beschreibt dies eindrucksvoll
in seinen Büchern.
Die Kampagne nun zielt vor allem auf das Umfeld der Täter, die zwar nur einen kleinen Teil der hier lebenden Türken ausmachen, sich aber bisher oft allzu sicher sein konnten, dass ihre Taten durch Schweigen gedeckt wurden. Leider gilt das auch für gewisse deutsche Milieus, wie zum Beispiel Horrorgeschichten über Kindesmissbrauch immer wieder beweisen. Gewalt darf kein Tabu sein, vermeintliche kulturelle Hintergründe zählen nicht. Die Diskussion darüber hat gerade erst begonnen.
Quelle: Pressemitteilung Westdeutsche Zeitung