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Leipziger Volkszeitung zur Buchmesse-Bilanz

Archivmeldung vom 20.03.2006

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.03.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

An Klaustrophobie darf man als Messebesucher nicht leiden; Lektürelust hin oder her. Vor allem am Sonnabend herrschte auf dem Hallengelände unterm Doppel-M drangvolle Enge. Zu den Veranstaltungen von "Leipzig liest" war der Ansturm genauso. Entsprechend zufrieden äußerten sich gestern die Verantwortungsträger: An vier Tagen 126000 Besucher!

Ein spektakulärer Rekord nach all dem Mehr, das bereits im Vorfeld verkündet worden ist - bezogen auf Aussteller, verkaufte Flächen und Herkunftsländer.
Frohe Kunde. Nicht bloß für Menschen, die in ökonomischen Kategorien denken. Auch für jene, die gern nach Imagefaktoren fahnden. Schließlich werden die Kulturleute begeistert sein, dass nun der Rang der Leipziger Buchmesse kaum noch in Frage stehen dürfte. Also reist die Branche optimistisch zurück, in alle Himmelsrichtungen, beflügelt durch den Erfolg. Zwar ließ sich die Sonne nur gestern mal kurz sehen, dennoch hat der Frühlingstreff der Buchwelt auch 2006 die hohen Erwartungen mehr als erfüllt: Ein wichtiges Signal, denn viele, vor allem kleinere Verlage und Buchhandlungen kämpfen trotz leichter Erholung der Lage anhaltend um ihre Existenz.
Da kam, passend zum Event-hungrigen Massenaufmarsch in Sachsens heimlicher Metropole, ein Trend zur rechten Zeit, der Unterhaltung und Literatur zu versöhnen scheint. Die Rede ist von den hoffnungsfrohen jungen Autoren, die als Erben der Popliteratur leichtfüßig von ernsten Gegenständen erzählen: Daniel Kehlmann, Juli Zeh oder Clemens Meyer sowie natürlich der frisch gekürte Belletristik-Preisträger dieser Leipziger Buchmesse, Ilija Trojanow, samt "Weltensammler". Ihr Auftritt wirkt so erfreulich wie viele andere Dinge dieser Stunden, vor allem das unglaubliche Publikum, das Erklärungs-süchtig Kuhnert und Hochhuth, Biedenkopf wie Schorlemmer zu Füßen sitzt - und dies überall und gleichzeitig. Dennoch machte die Abwesenheit der schreibenden Väter- und Mütter-Generation, von Grass über Lenz bis Christa Wolf, auf eine Gefahr aufmerksam, die im Jubel über all das Zahlenwachstum übersehen wird. Es geht um literarische Qualität, um Texte und Positionen, die mehr sind als originell und selbst noch in zehn oder gar 50Jahren von Interesse und Belang. Der bunte Trubel rechts und links vom und unterm Glashallendach: Wunderbar! Aber gab es genug kluge Sätze, genug Zweifel, genug Erkenntnis, genug Ruhe für die Tage und Wochen danach? Genug Stoff zum Wiederlesen oder Wiederhören - oder eher Wegwerfware?
Bisher war die deutsche Literatur Symbol für einen "Betroffenheits- und Selbstreflexionsstil", meint Rowohlt-Geschäftsführer Dähne. Nun beginne es, wieder Spaß zu machen. In Ordnung. Aber nicht als Votum gegen die Bücher von Wolf, Grass oder Lenz. Unterhaltung, lehrt Bertolt Brecht, bedeute immer auch Anspruch. Der Rummel hinterlässt irgendwann Langeweile und Überdruss. So weit sollten wir es nicht kommen lassen, wir alle. Die Kinder spätestens werden's danken.

Quelle: Pressemitteilung Leipziger Volkszeitung

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