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Im Wachkoma

Archivmeldung vom 09.04.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.04.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott

In der Pandemie nimmt der Welthandel Züge eines Basars an. Aus verschiedenen Ecken kommen Beschwerden, die US-Regierung greife für andere Länder bestimmte Schutzausrüstung ab. Ob Washington diese nun auf halbem Transportwege konfisziert oder Lieferverträge storniert und neu aufsetzt, ist fast schon nebensächlich. Das fatale Signal in der Krise: Jeder ist sich selbst der Nächste. Die immer wieder zu vernehmenden Appelle zu internationaler Solidarität und Zusammenarbeit klingen mit Blick auf die Handelspolitik wie hohle Phrasen.

Längst geht es nicht mehr nur um Masken und Beatmungsgeräte. Vietnam und Kambodscha haben Reislieferungen ins Ausland eingestellt, Ägypten hat den Export von Hülsenfrüchten ausgesetzt, Russland und Nachbarn aus der Eurasischen Wirtschaftsunion halten Getreide, Sojabohnen und andere Lebensmittel vom Weltmarkt zurück. Auch die Bundesregierung kann sich nicht freisprechen, seit sie Anfang März mit einem Exportverbot für Schutzmasken Kritik von Seiten der EU und anderer europäischer Länder auf sich gezogen hat. Und immer mehr Länder ziehen nach.

Die Ansage von Roberto Azevêdo, Chef der Welthandelsorganisation (WTO), ist auch als Seitenhieb zu verstehen: "Wenn die Regierungen zusammenarbeiten, wird die Erholung schneller sein, als wenn jedes Land für sich allein agiert." Die WTO steht in dieser Krise ohnmächtig an der Seitenlinie - wieder einmal. Die Kombination aus Handelskriegen und globaler Pandemie zersetzt den Welthandel und seine zentrale Institution in einer Weise, die nur einen Schluss zulässt: In Handelsfragen dominiert wieder das Recht des Stärkeren, nicht die Herrschaft des Rechts.

Die WTO befindet sich im Wachkoma. Der Streitbeilegungsmechanismus ist lahmgelegt, weil die USA die Nachbesetzung von Richterstellen blockieren. Inzwischen stauen sich Dutzende Verfahren. Die EU hat sich mit 15 weiteren WTO-Mitgliedern darauf verständigt, Streitfälle an ein separates Gremium auszulagern. Gestern hat der EU-Ministerrat neue Vorschriften auf den Weg gebracht, um Gegenmaßnahmen wie Zölle oder Mengenbeschränkungen für Im- und Exporte ohne das finale Plazet der WTO zu verhängen, solange die Berufungsinstanz blockiert ist. Auch das schafft Fakten.

Aufgrund der Pandemie musste die WTO die für Juni geplante Ministerkonferenz, ihr wichtigstes Beschlussorgan, canceln. Auch das zeigt: Die Coronakrise hat das Unterfangen, den Patienten WTO und den schon seit dem Vorjahr rückläufigen Welthandel zu reanimieren, bedeutend erschwert.

Quelle: Börsen-Zeitung (ots) von Stefan Reccius


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